12. Juni 2024, 20:29 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Spätestens mit der kommenden FIFA-Europameisterschaft der Herren dürfte man sie wieder öfter zu Gesicht bekommen: Männer-BHs. Ob Nachwuchstalent Paris Brunner, Kickerlegende Zlatan Ibrahimovic oder jüngst im DFB-Viertelfinale Kai Brünker – sie alle entblößen nicht nur einen nackten Oberkörper, sondern überraschen auch mit einem unerwarteten Kleidungsstück. TECHBOOK weiß, was es damit auf sich hat.
Sportler, die besonders ihre Brustmuskeln trainieren und intensive Spurts quer über den Rasen hinlegen, benötigen entsprechenden Support. Die Lösung ist einfach: ein Sport-BH. Nein, das ist natürlich Quatsch. Dennoch sieht man mittlerweile bei vielen Gelegenheiten, dass auch männliche Fußballer eine Art Bustier tragen. Typischerweise besteht der BH aus Neopren und dient einem technischen Zweck. Mit integriertem GPS und Sensoren sammelt er diverse Daten über die Körperfunktionen und Leistungen des jeweiligen Spielers.
Hightech-Bustier statt Busenhalter
Was von der Form her einem Sport-BH sehr nahe kommt, ist tatsächlich eine Art Haltegurt für Sensoren und einen Chip. Die Spielerinnen und Spieler werden damit per Satellit geortet. Diese übermitteln wiederum durch Radiostrahlen in regelmäßigen Abständen ihre aktuelle Position und Zeit zur Erde. Die GPS-Sender im BH können so ihre eigene Position errechnen. Dafür muss das GPS-Gerät zu mindestens vier GPS-Satelliten Kontakt haben. Die Daten im GPS-BH werden dann an den zugehörigen Dockingstation-Koffer übertragen. Hier können sie sowohl live als auch im Nachhinein ausgewertet werden.
Diese Hightech-BHs werden natürlich nicht nur von den Herren im Profisport verwendet, sondern auch von den Damen. Mittlerweile setzen viele nationale und internationale Profiklubs während der Trainingseinheiten oder bei Spielen auf die sogenannten GPS-BHs. Auch Fußballer wie Franck Ribéry und EX-BVB-Kapitän Marco Reus sind schon früher mit ihren Hightech-BHs aufgefallen.
„Sie zeichnen Bewegungen auf dem Spielfeld auf und speichern die physischen Daten dazu“, erklärt Sportmediziner Prof. Dr. Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln gegenüber TECHBOOK. „Wohin bewegt sich der Spieler, wie schnell ist er? Wie ist seine Herzfrequenz? Wann lässt seine Laufbereitschaft nach?“ Zudem lasse sich auch auswerten, wie die Spieler sich taktisch untereinander verhielten, „und welche Kräfte, z. B. in einem Zweikampf, auf sie wirken“, so Froböse weiter.
Mithilfe der Daten vom GPS-BH kann das Trainerteam Schwachstellen bei Spielerinnen und Spielern erkennen und individuelle Trainingspläne erstellen. Froböse warnt aber davor, die Daten als zentrales Element anzusehen: „Fußball sollte immer ein Spiel bleiben. Im Training ist der Einsatz der BHs sinnvoll. Defizite lassen sich so schnell erkennen und die Intensität der Einheiten optimieren. Auch die langfristige Entwicklung des Spielers ist mithilfe der BHs gut zu überprüfen.“ Die große Kunst sei aber, die Daten richtig zu analysieren. Schließlich machen nicht nur Fitness, sondern auch Technik, Kommunikation und Teamgeist einen guten Fußballer und eine gute Fußballerin aus.
GPS-BH vs Trainererfahrung
Bis zu 70 Parameter kann ein GPS-BH aufzeichnen und liefert nicht nur während des Spiels wertvolle Informationen. So kann er beispielsweise auch zur Überprüfung von Schlafqualität und Ruhepuls eingesetzt werden. Schließlich ist eine optimale Regeneration aufgrund der hohen Belastung während der Saison ein relevanter Faktor für die allgemeine Fitness.
Es gibt verschiedene Systeme und Anbieter der GPS-BHs. Top-Klubs wie Bayern München, Real Madrid, Barcelona oder Juventus Turin nutzen beispielsweise die Modelle der US-Firma GPSports. Das System kostet die Klubs rund 50.000 Euro. Insgesamt haben die Trainerinnen und Trainer somit immer mehr Daten und Analysen zur Verfügung. Spiele und Übungseinheiten werden ständig gefilmt. Die Betreuungsstäbe wachsen stetig, immer mehr Expertinnen und Experten kümmern sich um die Profis. Schließlich ist Fußball nicht nur ein beliebter Massensport, sondern auch ein milliardenschweres Geschäft.
Dr. Froböse hat zu dieser Praxis eine klare Meinung: „Das wird als zu wichtig angesehen. Es ist absurd, wie Spielauswertungen mittlerweile ablaufen. Vieles hat mit der Qualität der Spieler nichts mehr zu tun. Man versteckt sich hinter der Wissenschaft. Und die individuelle Qualität der einzelnen Spieler rückt damit in den Hintergrund. Wenn man es ganz einfach sehen will: Am Ende zählt doch nur der Blick auf die Tabelle – die entscheidet, ob jemand erfolgreich ist oder nicht.“
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„Fans wollen kein mathematisches Spiel“
Mittlerweile werden GPS-BHs auch in Pflichtspielen eingesetzt, wie etwa das Beispiel Kai Brünker zeigt. „Ich sehe das kritisch. Der BH erfasst lediglich Daten und errechnet Dinge. Für den Sport und die Leistung ist das nicht von Vorteil, wenn auf Grundlage von Mathematik Entscheidungen gefällt werden“, ordnet Dr. Froböse ein. Im Sport sei vieles Zufall und das werde auch so bleiben. Vor allem aber ist der Versuch der maximalen Optimierung nicht von allen gern gesehen.
„Fans wollen kein mathematisches Spiel, das würde die Emotionalität rausnehmen“, glaubt Dr. Froböse. „Die Individualität geht verloren. Es interessiert nicht mehr, wie sich der Spieler fühlt, welche individuellen Fähigkeiten er hat. Man muss immer sehen: Es hat nur derjenige Erfolg, der Tore schießt.“ In früheren Saisons waren es zum Beispiel eben nicht die erfolgreichen Bayern, die am meisten gelaufen sind. Das waren vor allem die Teams, die weiter unten in der Tabelle standen.