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CO2-Bilanz

Wie Streaming und maßlose Datentransfers das Klima schädigen

Immer mehr Menschen nutzen Streamingdienste für Musik und Filme
Immer mehr Menschen nutzen Streamingdienste für Musik und Filme Foto: Getty Images
Jules Finn Birner

10. Mai 2019, 16:11 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Online-Streaming hat den positiven Effekt, dass die Produktion von Tonträgern in physischer Form mit all ihren Schattenseiten massiv zurückgefahren wurde. Erstaunlicherweise sorgt die digitale Variante jedoch für eine höhere Umweltbelastung als auf den ersten Blick zu vermuten wäre.

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Denn laut einer Studie der University of Glasgow sorgen der Energieverbrauch für das Bereitstellen von Musik sowie für das Streaming für hohe Treibhausgas-Emissionen.

Schuld daran, dass die Speicherung und Verarbeitung digitaler Musik „enorme Leistungs- und Energieressourcen“ in Anspruch nimmt, ist die für das Streaming notwendige Infrastruktur. Einerseits ein Meer aus Servern der Musikfirmen, auf der anderen Seite die Geräte der Endkunden und dazwischen die gesamte Peripherie der Netzbetreiber.

 Ergebnisse einer Studie zu den Kosten von Musik und seinen verschiedenen Vertriebswegen<br>Foto: Cambridge: MIT Press
Ergebnisse einer Studie zu den Kosten von Musik und seinen verschiedenen VertriebswegenFoto: Cambridge: MIT Press Foto: Cambridge: MIT Press

2016 wurden allein in den USA 200 Millionen Kilogramm CO2 durch Musik-Streaming ausgestoßen. Als Basis der Studie wurden verschiedene Musikmedien zu ihren jeweiligen Hoch-Zeiten untersucht, erklärt Kyle Devine, einer der beiden Leiter. Die Untersuchung hatte als Resultat zur Folge, dass durch CDs, Musikkassetten sowie Vinyl-LPs  in den USA jeweils 150 Millionen Kilogramm CO2 pro Jahr ausgestoßen wurden. Die Daten zur Studie stammen aus dem Jahr 2016. Damals habe der Stromverbrauch durch das Streamen von Musik in den Vereinigten Staaten im Vergleich dazu einen CO2-Ausstoß von rund 200 Millionen Kilo verursacht, grob gerechnet also ein Drittel mehr.

Wie hoch ist der CO2-Fußabdruck des Webs?

Vom Musik-Business abgesehen versucht eine stetig wachsende Zahl von Industrien, den CO2-Fußabdruck und den Energieverbrauch zu minimieren oder zumindest zu reduzieren. Für die Automobil-, Bau- und sogar für die Telekommunikationsindustrie wurden Abgasnormen festgelegt. In der neuen, digitalen Welt des Internets hingegen wird das Thema eher stiefmütterlich behandelt, obwohl der dortige CO2-Fußabdruck immer mehr aus den Fugen gerät: so wird er derzeit auf satte 830 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr geschätzt und übersteigt damit bereits die CO2-Produktion der gesamten Luftfahrtindustrie. Und falls die Experten Recht behalten, soll sich dieser Wert bis 2020 sogar nochmal fast verdoppeln.

Der alltägliche CO2-Fußabdruck eines Internet-Nutzers

Ähnlich wie wir uns auf den Energieverbrauch eines Autos über die Formel Spritverbrauch pro 100 Kilometer beziehen, können wir auch den Energieverbrauch einer Website in Form der heruntergeladenen Datenmenge analysieren. Mit dieser Basis lässt sich das Verhältnis zwischen Seitengröße und CO2-Fußabdruck einschätzen. Leider ist die Ausarbeitung des CO2-Fußabdrucks einer Website aufgrund vieler Variablen selbst im Idealfall knifflig und häufig ungenau, daher der Hinweis, dass es sich hier grundsätzlich sowie bei den nachfolgenden Beispielen um Schätzwerte handelt:

  • Aus Unterlagen des Lawrence Berkeley National Laboratory (Stand 2008) geht hervor, dass die Übertragung einer Datenmenge von 1GB in etwa 13kWh benötigt.
  • Nach Angaben der EPA emittiert das durchschnittliche US-Kraftwerk 1,2 Pfund CO2 pro produzierter kWh (andere Länder haben je nach Energiepolitik höhere oder niedrigere Durchschnittswerte).
  • Wenn wir 13kWh mit diesen 1,2 Pfund multiplizieren, erhalten wir 15,6 Pfund CO2 – und das lediglich für die Übertragung von 1 Gigabyte an Daten.
  • Mit 1,4 MB ist die heutige Durchschnittsseite 15 mal so groß wie vor 10 Jahren, vor allem aufgrund von Bildern (881kB) und Skripten (224kB). Normales altes HTML beträgt nur 54kB, aber wann haben Sie das letzte Mal eine reine HTML-Seite gesehen?
  • Wenn eine Million Nutzer eine gewöhnliche Standard-Webseite (1,4 MB groß) aufruft bzw. diese herunterlädt, sind das insgesamt 1.367 GB Daten.
  • Bei 15,6 Pfund pro Gigabyte sind das mehr als 10 Tonnen CO2.
  • Mobile Daten, die auf 3G/4G basieren, sind bis zu fünfmal so umweltbelastend – Pi mal Daumen ergibt das 77 Pfund CO2 pro Gigabyte.
  • Wenn eine Million mobile Nutzer mit 3G eine 1,4 MB große Seite herunterladen, sind das 1.367 GB mal 77 Pfund, was 52 Tonnen CO2 entspricht.

Basierend auf diesen Zahlen können wir schätzen, dass eine Webseite mit der Größe von Tumblr, mit 183 Millionen Seitenaufrufen pro Tag (etwa 10 Prozent davon durch mobile Nutzer), potentiell für bis zu 2.600 Tonnen CO2 pro Tag verantwortlich sein kann – und zwar täglich.

Bei dieser vereinfachten Rechnung werden wichtige Faktoren wie der Anteil des Stroms aus erneuerbaren oder fossilen Brennstoffen oder der Stromverbrauch des Endverbrauchers, die beide einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtzahl haben könnten, nicht berücksichtigt. Dennoch gibt uns dieses Zahlenspiel die Möglichkeit, das Verhältnis zwischen Seitengröße und CO2-Fußabdruck sichtbar zu machen. Dadurch wird deutlich, dass eine Senkung der zum Abruf gestellten Datenmengen CO2 einspart.

Derzeit fallen mindestens 332 Millionen Tonnen CO2 – etwa 40 Prozent aller Fußabdrücke des Internets – zumindest zu großen Teilen in die Verantwortung der Menschen, die „das Internet machen“ bzw. die eine Webseite betreiben.

Allgemein gilt: Umso weiter die Rate der Datenübertragung durch hochaufgelöstere, komplexere Videoinhalte weiter ansteigt, desto drastischer steigt auch der Stromverbrauch des Streaming.

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Das Internet als Klimaretter

Trotz seiner enormen CO2-Bilanz taugt das Internet durchaus auch zum Klimahelden. Der Übergang alter Industrien und Dienstleistungen zum Internet, kurz Digitalisierung, hat das Potenzial, bis 2020 rund acht Milliarden Tonnen CO2 einzusparen.

Wie der Fortschritt dies ermöglicht möchten wir anhand dieser drei einfachen Beispiele aufzeigen:

  • Durch Telefon-Konferenzen konnten die Geschäftsreisen bereits um 30 Prozent reduziert werden.
  • Das sogenannte Flat-Sharing (wie z.B. durch AirBnB) ist 66 Prozent effizienter als die Unterbringung in einem herkömmlichen Hotel.
  • Carsharing-Dienste entlasten den Verkehr auf den Straßen – ein mit Jedermann geteiltes Auto ersetzt bis zu 20 normale Autos.

„Streaming erzeugt natürlich eine andere Form von Müll als physische Datenträger“, meint Devine. „Aber es entsteht ein immer größeres Bewusstsein dafür, wie enorm hoch der Stromverbrauch des Datenverkehrs im Internet ist.“

TECHBOOK meint: Während wir die Entwicklung hin zu einer immer stärker vernetzten Wirtschaft fortsetzen, werden wir bald Milliarden von neuen Nutzern im Internet begrüßen. Die digitale Welt wächst mit seinen Nutzern. Und mit dem wachsenden Anteil des Internets an der weltweiten Klimabelastung wächst auch die Klimaverantwortung der Website-Betreiber. Das Thema geht uns jedoch alle an und damit stehen wir auch alle in der Pflicht unser Nutzer-Verhalten in Sachen Nachhaltigkeit immer wieder neu zu hinterfragen.

Themen Musik
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