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Redaktion in der Diskussion

Stecken die Streaming-Dienste in der Krise?

Marlene Polywka Techbook
Redakteurin

3. November 2024, 13:39 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Streaming ist für viele inzwischen ein fester Bestandteil des Alltags, genau wie die entsprechenden Dienste. Der Markt ist inzwischen mehrere Hundert Milliarden US-Dollar wert mit Wachstumsraten über 15 Prozent. Es geben also immer mehr Leute immer mehr Geld für immer mehr Inhalte aus. Eine Win-win-Situation für alle?

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Es rumort mal wieder auf dem Streaming-Markt. In jüngster Vergangenheit sorgte vor allem die Ankündigung, dass Warners Streaming-Dienst Max (vormals HBO Max) 2026 nach Deutschland kommen wird, für Aufsehen. Dazu kommen aktuelle Umfragewerte zur Zufriedenheit von Streaming-Nutzern, die – angesichts diverser Preiserhöhungen und ausgebauter Werbe-Abos wenig überraschend – eher negativ ausfallen. TECHBOOK wirft einen genaueren Blick auf die aktuelle Streaming-Landschaft und fragt sich: Sind die Streaming-Dienste eigentlich in einer Krise?

Der Streaming-Markt boomt

Zunächst mal sprechen die nackten Zahlen klar dagegen. Die Abo-Zahlen entwickeln sich zwar nicht so rasant wie etwa zu Corona-Zeiten. Allerdings verzeichnen hier nahezu alle Anbieter ein Wachstum. So kam Netflix laut Statista noch im August auf knapp 270 Millionen Abonnenten. Danach folgt Prime Video mit 200 Millionen, Disney+ liegt auf Platz 3 mit knapp 154 Millionen, Max kam zum damaligen Zeitpunkt auf fast 100 Millionen, dahinter liegt Paramount+ mit gut 71 Millionen. Inzwischen steht Netflix bei fast 283 Millionen Abonnenten und verzeichnet damit das größte Wachstum unter den Diensten. Aber auch bei den anderen ist der Trend positiv. Und die Zahlen steigen weiter – bei einigen mehr, bei anderen weniger.

Fakt ist zudem auch, dass immer mehr Streaming-Dienste schwarze Zahlen schreiben. Bei Paramount+ war es erstmals im Q2 2024 so weit, ähnlich bei Disney+. Zu dieser Wahrheit gehört aber zum einen, dass dem jahrelang nicht so war und bei Diensten wie RTL+ auch heute noch nicht der Fall ist. Zum anderen gab es in den vergangenen Monaten mehrfache Preissteigerungswellen.

Mehrere Preissteigerungen in jüngster Vergangenheit

Seit Mitte Oktober müssen etwa Disney+-Kunden tiefer in die Tasche greifen. Der Streaming-Anbieter verteuerte beide werbefreien Abos. Sky und Wow hingegen waren schon zum Jahresanfang dran – da betraf es aber vor allem das Sport-Abo. Seit August kündigte auch RTL+ mehrere kleinere Preiserhöhungen und Abo-Umstrukturierungen an. Im September berichteten dann Nutzer von YouTube Premium von Preiserhöhungen.

Netflix holte hingegen im Frühjahr zum Rundumschlag aus. Bestehende Tarife wurden teurer, das günstigste Abo ohne Werbung, das Basis-Paket, wurde nach einer Entfernung für Neukunden auch für Bestandskunden gestrichen. In gewisser Weise wurde auch Amazon Prime Video im Februar mit der Einführung des Werbe-Abos teurer. Wer seitdem das Streaming-Programm ohne Werbung sehen will, muss draufzahlen.

(Mehr) Werbung

Apropos Werbung. Inzwischen haben nahezu alle großen Streaming-Dienste werbefinanzierte Abonnements im Portfolio. Diese sind in der Regel deutlich günstiger als die anderen Tarife. Dafür wird den Zuschauern regelmäßig Werbung gezeigt. Trotz empörter Reaktionen und Umfragen scheint sich die Umstellung für die Dienste zu lohnen – sowohl in Abo-Zahlen als auch finanziell.

Das Ergebnis: noch mehr Werbung. So kündigte etwa Prime Video erst vor wenigen Wochen an, ab 2025 noch mehr Werbung zeigen zu wollen. Auch Netflix betonte zuletzt wieder den Erfolg seines Werbe-Abos. Wie etwa das „ZDF“ berichtete, machte das Werbe-Abo in den Ländern, in denen es zur Verfügung steht, zuletzt mehr als die Hälfte der neu abgeschlossenen Abonnements aus.

Streaming-Kunden bleibt oft nichts anderes übrig

Man kann also festhalten, dass immer mehr Leute Werbe-Abos abschließen. Der Grund dafür ist simpel: Sie sind – mitunter deutlich – günstiger als die werbefreien Angebote. Bei einem immer größeren Angebot in Form von immer mehr Streaming-Diensten bleibt vielen Nutzern gar nichts anderes übrig.

Dazu reicht eine einfache Rechnung. Das günstigste werbefreie Netflix-Abo liegt aktuell bei 13,99 Euro im Monat, Disney+ liegt aktuell bei 9,99 Euro. Wer Amazon Prime Video ohne Werbung sehen will, muss dafür 11,98 im Monat bezahlen. Skys Streaming-Dienst Wow möchte für seine Film- und Serien-Abos 9,98 Euro, Paramount+ fordert 7,99 Euro. Nachdem Apple TV+ jahrelang preislich unter der Konkurrenz gelegen hatte, müssen Nutzer seit Ende 2023 9,99 Euro im Monat für den Dienst zahlen. Wer bei RTL+ keine Werbung sehen will, zahlt monatlich 8,99 Euro. Das sind zusammengerechnet 72,91 Euro im Monat – und es gäbe theoretisch noch weitere Streaming-Dienste, von Sport-Abos ganz zu schweigen.

Das ist eine Menge Geld, weswegen sich nicht wenige Streaming-Nutzer am Ende für den geringeren Preis entscheiden und stattdessen mit Werbung „bezahlen“. Gleichzeitig scheint die Zufriedenheit mit den Inhalten der Dienste abzunehmen.

Werden Inhalte schlechter?

Laut einer aktuellen Studie von „TiVo“ bewerten immer weniger Nutzer die Inhalte der großen Streaming-Dienste als „durchschnittlich bis sehr gut“. Spannend ist dabei der scheinbare Zusammenhang zwischen den gebuchten Abos. Während die Zufriedenheit der Nutzer von werbefreien Abos von 78,6 Prozent (Q2 2022) auf 74,5 Prozent (Q2 2024) sank, ist der Abfall bei Abonnenten, die Werbung sehen, deutlicher. Waren es 2023 zur Einführung vieler Werbe-Abos noch 74,2 Prozent, so liegt dieser Wert aktuell nur noch bei 60,8 Prozent.

Werbeunterbrechungen führen also offenbar dazu, dass Nutzer die Inhalte intuitiv schlechter bewerten. Das bewertet auch Scott Maddux, Vizepräsident für globale Contentstrategie bei Xperi, TiVos Mutterkonzern, so. „Da immer mehr Verbraucher zu werbefinanzierten SVOD-Diensten (Subscription-Video-on-Demand, Anm. d. Red.) wechseln, könnte sich die Wahrnehmung der Inhaltsqualität etwas nach unten verschoben haben.“

Andere Studien zeigen ähnliche Trends. Allerdings gibt es dabei Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern. So attestiert eine Umfrage von „CableTV“ Netflix, Disney+ und Paramount+ einen Abfall in der Zufriedenheit, ebenso den in Deutschland nicht in dieser Form existierenden Anbietern Hulu und Max. Besser kommen hingegen die Inhalte von Apple TV+, Prime Video und dem in Deutschland bei Disney+ anhängigen Dienst Peacock weg.

Bewegung im Streaming-Markt zu beobachten

Prinzipiell kann man aber mehrere Trends beobachten, über die die eingangs erwähnten Abo-Zahlen nur teilweise hinwegtäuschen können. Ein wesentlicher Punkt ist eingangs bereits angeklungen. Nachdem vor allem in der Corona-Zeit viele Unternehmen und Filmstudios den Hype genutzt haben, um eigene Streaming-Plattformen an den Start zu bringen, ist das inzwischen abgeflacht. Nichtsdestotrotz kommen teilweise noch neue Anbieter dazu oder – wie bei Max – bereits bestehende Dienste expandieren. Ein wachsendes Angebot trifft auf eine nicht in gleichem Maße wachsende Zielgruppe.

Mehrere Streaming-Dienste – darunter Netflix und Disney+ – haben zudem bereits angekündigt und teilweise umgesetzt, ihre Content-Budgets zu kürzen. Qualität statt Quantität hieß es da an vielen Stellen. Wobei Qualität für die Streaming-Dienste vor allem heißt, auf bewährte Marken zu setzen. So ist bereits seit einiger Zeit eine wahre Flut an Spin-offs, Remakes und Reboots zu beobachten.

Auch interessant: TECHBOOK-Redakteurin: „Die vielen neuen Serien-Spin-offs nerven nur noch!“

Aktuelle Beispiele findet man bei allen Anbietern. Kürzlich veröffentlichte Prime Video die 2. Staffel der „Herr der Ringe“-Serie „Die Ringe der Macht“. Kurz zuvor lief (in Deutschland bei Sky/Wow) die 2. Staffel des „Game of Thrones“-Spin-offs „House of the Dragon“. Netflix veröffentlicht im Dezember die 2. Staffel seiner bisher erfolgreichsten Serie: „Squid Game“. Gleichzeitig scheint bereits ein weiteres Projekt zu der Serie mit Star-Regisseur David Fincher in Planung zu sein. Bei Disney+ lief hingegen unlängst die neue Marvel-Serie „Agatha All Along“, die ein Ableger von „WandaVision“ ist, während RTL+ sich einen großen Deal mit der deutschen TV-Legende Stefan Raab sicherte.

Eine Branche unter Druck

Der Hype um bestimmte Produktionen wird so immer größer. Gleichzeitig sind auch die Marketing-Konzepte der Streaming-Dienste umfangreicher als früher. Man denke etwa an das bereits erwähnte „Squid Game“ oder auch an die Netflix-Serie „Wednesday“. Das erhöht allerdings auch den Erfolgsdruck auf entsprechende Produktionen. Rechnet sich eine Serie für die Anbieter nicht, wird sie schneller abgesetzt als früher. Bei Filmen ist der Druck ein anderer, aber nicht weniger vorhanden.

Diese Entwicklung hat der Streaming-Markt im Übrigen nicht exklusiv für sich gepachtet. Schaut man in andere Bereiche des Entertainment-Sektors wie etwa zum Kino oder auch in den Gaming-Bereich, dann ist dort Ähnliches zu beobachten. Haben AAA-Produktionen wie „The Witcher 3: Wild Hunt“ im Jahr 2015 noch 32 Millionen US-Dollar gekostet, sind die Budgets mittlerweile stark gestiegen. Gerüchten zufolge kommt das kommende Blockbuster-Spiel „GTA 6“ schon jetzt auf die unglaubliche Summe von 2 Milliarden US-Dollar.

Studios gehen mit solchen Projekten also enorme Risiken ein. Das Potenzial der Strahlkraft ist enorm. Gleichzeitig steigt aber auch das Risiko zu scheitern exponentiell an. Dafür sorgt, genau wie beim Streaming, ein unglaublich umkämpfter Markt.

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Streaming-Markt steuert auf eine Krise zu

Experten sind sich deshalb sicher, dass früher oder später eine Gegenbewegung entstehen wird. Diese wurde zwar auch schon vor ein bis zwei Jahren prophezeit. Offenbar ist es den Streaming-Diensten aber gelungen, mit der Einführung von günstigeren Werbe-Abos die Entwicklung noch einmal aufzuhalten.

Schaut man sich die bloßen Fakten aber an, muss man sagen, dass die Krise im Streaming-Sektor schon seit einigen Jahren unterschwellig brodelt. Angebote müssen irgendwann gebündelt werden. Einige Dienste werden wohl zudem vom Markt verschwinden, weil sie langfristig nicht rentabel sind.

Ein Schlüsselfaktor dabei werden die Inhalte sein beziehungsweise sind sie es jetzt schon. Exklusive Titel sind das wichtigste Argument für ein Abo. Voraussetzung dafür ist aber auch eine strikte Lizenzpolitik, die nicht vorsieht, Originals irgendwann auch bei einem anderen Dienst zu zeigen. Auch die Qualität der Inhalte wird künftig noch wichtiger. Denn bei steigenden Preisen erwarten die Nutzer auch entsprechende Produktionen – ein Teufelskreis für die Streaming-Anbieter. Wir steuern also aller Voraussicht nach auf eine Zukunft mit weniger Streaming-Diensten zu, die zudem weniger Inhalte anbieten – dafür aber hoffentlich absolut sehenswerte.

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