23. Juli 2024, 8:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die großen Streaming-Anbieter Netflix, Amazon Prime Video, Wow und Co. haben den Markt längst unter sich aufgeteilt. Welchen Dienst die Kunden abonnieren, hängt in erster Linie vom Programm ab. Doch wie entscheidet ein Streaming-Dienst, was er ins Angebot aufnimmt?
Größere Flexibilität ist ein Grund, weshalb viele nicht länger lineares TV nutzen, sondern lieber auf Streaming-Dienste zurückgreifen. Der zweite wichtige Aspekt ist das inhaltliche Programm, das sich deutlich vom linearen TV unterscheidet. Doch in Zeiten, in denen die Abo-Kosten in die Höhe schnellen, muss das Gesamtpaket stimmen. Es reicht nicht mehr, wenn Netflix, Amazon Prime Video und Co. einfach möglichst viele Inhalte anbieten. Die Auswahl der Streaming-Anbieter ist zunehmend entscheidend für zukünftige Abonnenten.
Wer streamt was? Ist das exklusiv oder gibt es das auch noch bei einer anderen Plattform zu sehen? Welchen Film und welche Serie muss man unbedingt gesehen haben? TECHBOOK hat bei den Streaming-Anbietern nachgefragt, nach welchen Kriterien sie ihr Angebot zusammenstellen und was ihnen dabei besonders wichtig ist. Amazon Prime Video, Joyn, RTL+ und Sky beziehungsweise WOW haben geantwortet.
Übersicht
Mehr exklusive Originals
Die meisten Streaming-Dienste setzen inzwischen auf drei Säulen: Eigenproduktionen – sogenannte Originals –, exklusive eingekaufte Titel und nicht-exklusive eingekaufte Titel. Dabei wird die Säule der Originals immer wichtiger, da dieser originäre Content dauerhaft exklusiv beim entsprechenden Anbieter zu sehen und in hohem Maße markenbildend ist. Die Prozesse zur Gestaltung dieser drei Säulen sind bei allen Diensten recht ähnlich.
Joyn und RTL+ arbeiten dafür eng mit den Verantwortlichen für das Fernsehprogramm zusammen, da die Inhalte dann meistens auch im linearen Fernsehen bei den Sendern der eigenen Gruppe laufen. Für die Akquise von Lizenzen kooperiere man auch mit anderen Sendern. Dabei bestehe für die Streaming-Dienste deutlich weniger Druck als für die Programmgestaltung im TV. Über die Einschaltquoten im Fernsehen bestehe eine über Jahre aufgebaute Rivalität um die jeweiligen Zielgruppen; bei Joyn und RTL+ sei man diesbezüglich noch deutlich freier.
Das eröffne auch bei den Originals völlig neue, kreative Möglichkeiten. So könne man gerade die Gratis-Bereiche gezielt mit neuen, teilweise experimentellen Inhalten für eine jüngere Zielgruppe füllen und auch andere Medien wie die sozialen Netzwerke miteinbeziehen.
Mehr marktspezifische Inhalte
Bei Sky und Amazon hingegen, die generell internationaler agieren, gibt es nationale Kreativ-Teams. Den Streaming-Anbietern sei es dabei wichtig, für den deutschen Markt auch vermehrt deutsche Formate zu entwickeln. Diese Entwicklung konnten wir in den vergangenen Jahren bereits mit Serien wie „Dark“ bei Netflix oder kürzlich mit „Maxton Hall“ bei Amazon Prime Video beobachten. Dabei würden höchste Qualitätsansprüche gelten; die deutschen Produktionen sollen den großen amerikanischen in nichts nachstehen. Der internationale Erfolg von „Maxton Hall“ bestätigt diesen Anspruch durchaus.
Vor allem Sky und auch Amazon gaben außerdem Sport, sowohl live als auch in der Mediathek, als weiteren wichtigen Pfeiler an. Dass auch Joyn und RTL+ inzwischen einzelne Sport-Events zeigen, beweist das Interesse an dieser Herangehensweise. Auch hier wird genau auf die Nachfrage des Marktes und der Zielgruppen geschaut, sodass in Deutschland etwa besonders viel Fußball, der Volkssport Nummer 1, läuft.
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Die Zielgruppe ist König
Alle von TECHBOOK befragten Streaming-Dienste betonten, dass das Feedback der Kunden bei der Auswahl neuer Serien und Filme fürs Programm sehr ernst genommen werde. Dabei gibt es ganz verschiedene Systeme. Bei Amazon etwa entscheide die Sterne-Bewertung der Nutzer, ob eine Serie fortgesetzt wird oder nicht. Andere der befragten Dienste bieten zwar kein vergleichbares Bewertungssystem, Joyn etwa etablierte aber interaktive Formate wie „Knossis Kingdom“. In dieser Game-Show können die Zuschauer durch Abstimmungen Einfluss auf die Show-Gestaltung nehmen. Bei Netflix lassen Titel mittels Daumen hoch oder runter bewerten.
Generell fokussieren sich die Streaming-Anbieter deutlich auf eine eher jüngere Zielgruppe. Das liegt in der Natur des Mediums, nutzen doch vor allem 14- bis 34-Jährige die Angebote von Video-Streaming-Diensten. Junge Zuschauer können so außerdem direkt einen Markenbezug aufbauen.
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Serien werden höher gewichtet als Filme
Dem Medium und auch der jüngeren Zielgruppe entsprechend geht dann auch die generelle Gewichtung der Streaming-Anbieter bei der Programmauswahl stärker Richtung Serie. Diese haben eine längere Halbwertszeit als Filme und sind in der Produktion einzelner Folgen meist weniger aufwendig als ein Film. Außerdem dauern Filme im Schnitt zwei Stunden, eine Serie läuft hingegen auch bei nur einer Staffel deutlich länger. Nutzer kommen häufiger zum Streaming-Dienst zurück, um die einzelnen Folgen einer Staffel zu sehen. Netflix kündigte bereits an, in Zukunft weniger Filme zu produzieren. Insgesamt setzen bei den als am wichtigsten genannten Originals alle befragten Streaming-Anbieter deutlich auf serielle Erzählungen.
So hat etwa Amazon Prime Video 2013 mit der Produktion eigener Serien begonnen, aber erst 2015 folgte der erste Film. Das erste deutsche Film-Original „One Night Off“ erschien sogar erst 2021. Ähnlich sieht es bei den anderen Streaminganbietern aus. Joyn setzte bei seinen Originals bisher ausschließlich auf Serien, Shows und mehrteilige Dokumentationen. Und auch bei Sky ist die Liste der selbstproduzierten Serien deutlich länger als die der Filme. Allerdings gehen mit Serien-Originals auch hohe Produktionskosten für die Streaming-Anbieter einher, wobei der Erfolg teurer Serien nicht immer garantiert ist.