
15. April 2025, 8:29 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Eine „Tiger and Dragon“-Serie soll bei Amazon entstehen. Für TECHBOOK-Autor Woon-Mo Sung einmal mehr ein Grund, verärgert die Hände vors Gesicht zu schlagen.
Hollywood ist ein Franchise, das wie am Fließband neue Franchises ausspuckt und diese bis zum budgetären Kapital-Kollaps melkt, während dem Publikum vor lauter Marken-Mästung nur das kulturell-konsumistische Kotzen bleibt. Die grassierende Marvel- und Comicfilmermüdung etwa ist, so zeigen die mauen Kritiken und schwindenden Einspielergebnisse, ein reales Phänomen und anderswo sieht es auch nicht besser aus. Neue Bestandsinhalte müssen also her, um diese dem Fleischwolf zu kredenzen und damit den kreativen Bankrott weiter zu zementieren. Etwa in Form von Videospielverfilmungen. Oder einer „Tiger and Dragon“-Serie für Amazon Prime Video.
Übersicht
„Tiger and Dragon“-Serie bei Amazon geplant – leider
Schnell zur Nachricht: Wie das US-Magazin „Deadline“ berichtet, soll eine „Tiger and Dragon“-Serie bei Amazon entstehen. Diese wird, wie auch schon die 2000er-Verfilmung, auf dem Buch „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ von Wang Dulu basieren. Sony hat die Rechte an der Vorlage zurückbekommen und Jason Ning sowie Ron Moore darauf angesetzt.
Beide übernehmen produzierende Tätigkeiten, Ning wird außerdem an den Drehbüchern sitzen. Für weitere Informationen zur Besetzung und genauen Handlung ist es noch zu früh. Demnach ist es auch bislang unklar, wann die Serie bei Amazon Prime Video überhaupt an den Start gehen wird und mit welchem Umfang.
Was interessiert mich das Buch, wenn es den Film gibt
Natürlich ist mir bewusst, dass es sich vornehmlich um eine erneute Umsetzung des Buches handeln wird. Und Buchverfilmungen haben immerhin eine lange Tradition, auch wenn es sich streng genommen bei ihnen um keine originären Stoffe handelt. Vor dem Hintergrund könnte ich auch der „Tiger and Dragon“-Serie bei Amazon entspannt entgegensehen.
Aber ich will nicht. Denn in den Köpfen vieler, und darunter zählt auch mein eigenes kleines Gehirn, gerät die literarische Vorlage spätestens mit der Existenz einer oder gar mehrerer Umsetzungen in den Hintergrund. Oder erinnert sich noch jemand an „Nothing Lasts Forever“, der Vorlage für „Stirb Langsam“?
Eben. Und so schiele ich vor allem auf den 2000er-Film „Tiger and Dragon“ von Regisseur Ang Lee und mit bekannten Stars wie Michelle Yeoh, Chow Yun-Fat und Zhang Ziyi in den Hauptrollen. Wie auch bei anderen Reboots oder Remakes werden viele Fans jedes neue Projekt zum Titel primär mit den bisherigen in Verbindung bringen. Eine „Tiger and Dragon“-Serie bei Amazon nehme ich also auch und in erster Linie als Neuauflage des Films wahr.
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Lasst doch die Meisterwerke einfach in Ruhe
Und das sorgt bei mir für eine spontane Abwehrreaktion. Denn Ang Lees Version des Stoffes ist nicht weniger als ein Klassiker und gilt vielen als einer der besten Filme des bisherigen 21. Jahrhunderts. Das Kampfkunst-Drama erntete euphorische Kritiken und etliche Preise, darunter vier Oscars, und brach damals sogar US-Einspielrekorde für einen nicht-englischsprachigen Film.
„Tiger and Dragon“ ist ein Meisterwerk, das Hollywood gefälligst in Ruhe lassen sollte. Aber dieses Mal wirklich. Leider kam 2016 die späte Netflix-Fortsetzung „Crouching Tiger, Hidden Dragon: Sword of Destiny“ heraus, die künstlerisch wie kommerziell bei Presse und Fans durchfiel. Unter anderem, weil sie nicht verstand, was den vorherigen Film ausmacht.
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Filmkunstpoesie vs. Streaming-Content
Ang Lees „Tiger and Dragon“ wurde nicht umsonst in Deutschland von Arthaus vertrieben. Um einen kurzweiligen Blockbuster handelt es sich nicht. Stattdessen nimmt sich das Werk die nötige Zeit und etabliert sorgfältig emotionale Figurenbeziehungen.
Die Action ist famos inszeniert, aber behutsam eingesetzt. Und brachial-brutal geht es nie zu, sondern elegant, graziös und schwerelos in poetisch-komponierten Bildern. Echte Filmkunst zum Liebhaben, kein Content zum nebenherlaufen lassen, während man lieber auf den Second Screen starrt.
Ang Lees Verfilmung ist eine einzigartige künstlerische Vision, die einen bleibenden Eindruck gemacht hat, weshalb man „Tiger and Dragon“ zuerst nur damit in Verbindung bringt. Es ist ein Werk, das besser für immer unangetastet geblieben wäre.

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Die teuerste Serie der Welt geht heute weiter
Amazon kann nur scheitern
Nun also eine Serie beim nimmersatten Online-Versandhändler. Ich befürchte die nächste öde Content-ifizierung eines großen Titels, ähnlich wie die „Herr der Ringe“-Serie „Die Ringe der Macht“. Die lockt mit der allseits beliebten Erzählwelt von Tolkien, spaltet aber allerhöchstens die Gemüter und punktet eher mit Durchschnitt. Perfekt, um sich davon berieseln zu lassen.
Ob „Tiger and Dragon“ das gleiche Schicksal beschieden ist? Das wird die Zeit zeigen müssen. Und wer weiß, vielleicht wird sie ja sogar großartig. In meinen Augen ist aber Amazon bereits gescheitert. Denn das Vorhaben stellt nur die nächste exemplarische Franchise-Kuh dar, die das Unternehmen in Form einer Serie erst anfettet und dann zur Schlachtbank zerrt.
Was fehlt noch? Ein Videospiel würde sich anbieten, aus dem man wieder einen Film und eine Serie machen könnte. Und immer so weiter. Der Mechanismus zum Wiederkäuen der Traumfabrik ist jedenfalls so stark wie nie und ist auch nicht wählerisch.