
8. April 2025, 9:59 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Beim Thema Streaming denken viele an Filme und Serien bei Netflix und anderen Anbietern. Aber kennen sie schon das Vertical Drama? Dieses ist gerade schwer im Kommen.
Auch wenn es viele vielleicht nicht wahrhaben wollen (der Autor dieser Zeilen eingeschlossen). Aber das Kino und lineare Fernsehen sind ziemlich sicher Auslaufmodelle, die bereits vor einer ganzen Weile vom Streaming abgelöst wurden. Das TV-Programm lässt sich nämlich auch so genießen und bei Netflix, Amazon Prime Video und Co. gibt es außerdem etliche Filme und Serien zu sehen. Dabei dürften die Meisten an traditionellere Formate denken, etwa Spielfilme oder die typische Serie mit Episoden zwischen 20 und 60 Minuten Länge. Der neue Streaming-Hype Vertical Drama findet aber gerade auf keiner der etablierten Plattformen statt. TECHBOOK erklärt das Phänomen.
Vertical Drama ist TV für die Tiktok-Generation
Im Fernsehen und insbesondere im Kino zelebriert man gerne das Breitbildformat. In diesem lassen sich besonders schöne und spektakuläre Aufnahmen wie etwa Landschaftspanoramen hervorragend abbilden. Ein länglich in die Höhe gestelltes Bild ist nicht üblich – nicht so jedoch beim Vertical Drama.
Hierbei handelt es sich um ein neuartiges Fernsehformat, das bereits Millionen weltweit in den Bann zieht. Wie der britische „Guardian“ berichtet, bestehen Vertical Dramas aus mehreren Episoden, die allesamt eine Laufzeit von nur etwa einer Minute haben. Das Genre kommt aus China und gilt als das „Fernsehen für die Tiktok-Generation“. Kein Wunder, sind die Geschichten doch speziell für den Konsum am Smartphone konzipiert.
Von daher rührt auch die „vertikale“ Bezeichnung – die Filmchen sollen bequem mobil und in der Hand geschaut werden, wenn man das Smartphone normal und damit mit einem vertikal ausgerichteten Display in der Hand hält. Wie es bei „Vertical Drama Love“ heißt, bedeutet das in der Regel ein Bild im 9:16-Format. Da sie außerdem die kurze Aufmerksamkeitsspanne der Social-Media-Nutzer ergreifen müssen, stehen besonders aufsehenerregende Geschichten, ein schnelles Tempo und leicht wiedererkennbare Figuren und Themen im Fokus. Da sollten Titel wie „Rache der XXL Frau“ oder „Mein Ehemann, der Geheimagent“ nicht überraschen.
Vertical Dramas werden immer erfolgreicher
Die Sparte erlebt einen solchen Aufschwung, dass man bis 2027 einen Wert von bis 14 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Offenbar ist die Nachfrage vorhanden und das bislang herkömmliche Medien-Angebot reicht demnach noch lange nicht aus. Mittlerweile exportieren chinesische Unternehmen das Format ins Ausland, flankiert von neuen darauf spezialisierten Apps wie ReelShort, DramaPops oder FlexTV.
Der Erfolg geht sogar so weit, dass dem Bericht zufolge ReelShort zwischenzeitlich sogar Tiktok als beliebtestes Produkt in der Unterhaltungssektion im Apple App Store überholt hat. Seit 2022 hat es die Anwendung auf bislang 30 Millionen Downloads geschafft.
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So locken Vertical Dramas ein besonderes Publikum
Viele der Zuschauer würden sich zu ähnlichen Themen hingezogen fühlen, die man bereits aus der Büchersphäre kennt: Feinde, die zu Liebhabern werden oder Werwölfe. Die Clickbait-Titel, Cliffhanger und aufsehenerregenden Szenen tun ihr Übriges. Oftmals stellen Apps mehrere Episoden kostenlos zur Verfügung. Wer weiterschauen möchte, muss allerdings ein Abo abschließend.
Überraschend ist, dass sich nicht wenige Menschen zu Vertical Dramas hingezogen fühlen, die eine schwere Zeit durchleben. Ob sie nun trauern, krank sind oder jemanden pflegen, für sie stellen die Filmchen eine kleine Flucht vor der Welt dar.

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Hält der Trend an?
Immer mehr Filmemacher und Schauspieler wollen bei den Vertical Dramas mitmischen. Und obwohl sie sehr schnelllebig sind, wird ihre Produktion äußerst professionell angegangen – mit gutem Kamera-Equipment, Make-up-Künstlern und mehr. Viele haben bereits vorher bei großen Projekten mitgewirkt. Die Dreharbeiten nehmen im Regelfall nur etwa sieben bis zehn Tage in Anspruch. Für viele Schauspieler hätte das Format bereits für wiederkehrende Beschäftigungen gesorgt.
Ob sich Vertical Dramas langfristig etablieren können, muss sich erst noch zeigen. Die Streaming-Plattform Quibi, die sich auf derartige Kurzformate spezialisierte, verschwand nur zwei Jahre nach ihrer Gründung wieder. Heute könnte man sagen, dass sie ihrer Zeit einfach voraus war und heute durchaus florieren könnte.
Andere große Medienunternehmen würden derweil ein Auge auf den Trend haben. Schließlich konkurrieren auch sie mit Social Media und wollen auch ein junges Publikum mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne erreichen. So hatte etwa Paramount 2023 den Kultklassiker „Girls Club – Vorsicht bissig!“ in 23 Teilen bei Tiktok gepostet – für nur einen Tag.