
18. Dezember 2024, 7:40 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Noch läuft der Film in deutschen Kinos, da ist „Red One“ bereits bei Amazon Prime Video erschienen. Dort entwickelt er sich zum großen Erfolg – aber lohnt sich ein Blick?
Streaming-Dienste locken mit einem umfangreichen Angebot an Filmen und Serien, von denen viele auch exklusiv nur für die jeweilige Plattform produziert werden. Aber schon lange begnügen sich Anbieter wie Netflix nicht nur mit den kleinen Bildschirmen – auch die große Leinwand will man erobern. Nun ist der Kinofilm „Red One“ bei Amazon Prime Video erschienen. Sofort bricht er Rekorde – aber ist der Erfolg auch berechtigt?
Rekordstart für „Red One“ bei Amazon Prime Video
Zwar ist erst jetzt „Red One“ bei Amazon Prime Video erschienen. Aber bereits seit dem 7. November läuft der Weihnachtsblockbuster hierzulande in den Kinos. Das kurze Zeitfenster zwischen Kino und Streaming in diesem Kontext ist nicht überraschend. Denn Amazon hat die neue Regiearbeit von Jake Kasdan auch mit dem eigenen Studio Amazon MGM mitproduziert.
Wie jetzt das US-Branchenmagazin „Variety“ berichtet, scheint sich das Projekt zumindest für Prime Video gelohnt zu haben: Innerhalb der ersten vier Tage als Stream soll „Red One“ bei Amazon Prime Video 50 Millionen Zugriffe weltweit angezogen haben. Das ist eigenen Angaben nach der am meisten geschaute Filmstart der Amazon MGM Studios überhaupt.
Damit übertrumpft „Red One“ auch den bisherigen Rekordhalter „Road House“ mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle. Zu diesem kommunizierte das Unternehmen im April dieses Jahres zwar auch 50 Millionen Zugriffe – TECHBOOK berichtete. Allerdings erreichte der Film diese Zahlen über einen doppelt so langen Zeitraum.
„Red One“ war sündhaft teuer und ein Kinoflop
Unklar ist, wie viel Geld sich aus den 50 Millionen Zuschauern genau generieren ließ – und wie viele Zugriffe es für einen kommerziellen Erfolg benötigt. In dieser Hinsicht halten sich die Streaming-Dienste sehr bedeckt. Fakt ist jedoch, dass „Red One“ mit einem Produktionsbudget von etwa 250 Millionen US-Dollar sehr teuer war. Laut „Box Office Mojo“ hat der Titel jedoch bislang nur 175 Millionen US-Dollar weltweit an den Kinokassen eingespielt. Damit ist er ein veritabler Flop und daran wird sich – zumindest durchs Kino – knapp zweieinhalb Monate nach Start auch nichts mehr ändern.
Die Kinogänger blieben also aus. Das könnte sicher auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Streaming-Start ohnehin nicht lange auf sich warten ließ und sich dann viele eher dafür entscheiden, den Film eher vom heimischen Sofa aus zu genießen. Die schlechten Kritiken dürften aber auch nicht geholfen haben. Unter anderem sind bei Metacritic im Durchschnitt nur unterirdische 34 von 100 möglichen Punkten von allen berücksichtigten professionellen Filmbesprechungen zusammengekommen.

Kauf von MGM Nie wieder „James Bond“ im Kino? Amazon sichert sich viele Film- und Serien-Hits

Streaming-Highlight Dieser Film bricht bei Amazon Prime Video alle Rekorde – aber lohnt er sich auch?

Beeindruckende Zahlen Beliebte Actionserie stellt neuen Rekord bei Amazon Prime Video auf
Lohnt sich „Red One“ bei Amazon Prime Video?
Demgegenüber stehen aber die Publikumsbewertungen. Und die scheinen den Titel deutlich besser zu finden. Von mehr als 5000 eingegangenen Nutzerwertungen bei Rotten Tomatoes sind 90 Prozent positiv ausgefallen, was wiederum ein bärenstarkes Ergebnis ist.
Lohnt sich also „Red One“ bei Amazon Prime Video? Schaut man sich die sehr weit auseinandergehenden Meinungen von Kritikern wie Fans an, kann man das getrost beantworten mit: Jein. Zumindest für unkomplizierte Unterhaltung mit viel Starpower – unter anderem mit Dwayne Johnson, Chris Evans und Lucy Liu – dürfte gesorgt sein. Wem das bereits reicht, sollte also zumindest einen Blick riskieren.

„Red One“-Streamingerfolg setzt ein finsteres Zeichen
„Ich habe ‚Red One‘ nicht gesehen und kann mir deshalb keine fundierte Meinung dazu erlauben. Jedoch komme ich mit meinen geschulten Augen beim Schauen des Trailers zumindest zu einem gekonnten Vorurteil, das mich davon abhält, den Film wirklich sehen zu wollen. Zu generisch, derivativ und seelenlos wirkt das alles. Aber nun gut: Gerne lasse ich mich beizeiten eines Besseren belehren.
Viel besorgniserregender finde ich allerdings die Aussagen von Amazon MGM Kino-Chef Kevin Wilson. Essenziell nannte er im Gespräch mit ‚Variety‘ die Kinoauswertung eine einzige Marketing-Kampagne, die lediglich mehr Aufmerksamkeit für den Streaming-Start generieren sollte. Ein Sentiment, das auch Studio-Chefin Jennifer Salke teilt.
Für einen Kinogänger wie mich ist das nicht weniger als die perfide, Gier-getriebene Degradierung des Erlebnisraums Kino und der Kunstform Film an sich. Das Lichtspielhaus nur zum PR-Zwecke zu missbrauchen, macht mich wütend und traurig und lässt in mir die Sorge keimen, dass es längst nicht bei diesem Beispiel bleiben wird. Dabei hat das Kino mitreißende Meilensteine und überragende Talente hervorgebracht, von denen Prime Video, Netflix und Co. entweder nur träumen können oder die sie selbst nur zu erreichen hoffen, indem sie Kino-Meister wie Martin Scorsese oder David Fincher auch für sich arbeiten lassen.
Streaming, gerade mit Hinblick auf Filme, ist dem Kino jede Menge schuldig. Und sollte deshalb das ehrwürdige Andenken, die reiche Geschichte und das immense Potenzial zum gemeinsamen Staunen, Lachen und Weinen nicht mit Füßen treten.“