1. April 2022, 8:26 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Mithilfe von VPN-Software seinen Standort ins Ausland verlegen und dort ein günstiges Netflix-Abo abschließen. Das ist möglich, aber ist es auch legal? TECHBOOK fragt beim Anwalt nach.
Günstige Netflix-Abos für wenige Euro sind mit VPN möglich. Die Software ändert die IP-Adresse des Nutzers nach dessen Wunsch. Man kann sich praktisch jedes Land der Erde aussuchen und seinen Standort dorthin virtuell verlegen. Das funktioniert nicht nur am Laptop, sondern auch auf Smartphones. Man surft dann, als wäre man in einem fremden Land. Das sorgt nicht nur für eine gewisse Anonymität, sondern kann auch für Streaming-Abos genutzt werden.
Preise für Netflix, YouTube und Co. im Ausland niedriger
Der Weg zu günstigeren Streaming-Abos funktioniert, da Netflix und Co. weltweit keine einheitlichen Preise hat. Auf potenziellen Wachstumsmärkten mit geringeren Einkommen als hierzulande verlangt Netflix logischerweise auch andere Preise. So liegen beispielsweise die Preise in Indien für bestimmte Streaming-Dienste bei nur einem Bruchteil im Vergleich zu Deutschland. Dort kostet dann ein Premium-Abo im Jahr so viel, wie hier im Monat.
Abo-Abschluss nur mit geschummelter Adresse möglich
Wer ein Abo aus dem vermeintlichen Ausland abschließen möchte, muss zumindest bei der Adresse schummeln. Diese muss nämlich im entsprechenden Land liegen. Wenn alles geklappt hat lässt sich der Account übrigens dann ohne VPN ganz normal in Deutschland nutzen. Man kann ihn auf Fernsehern, Laptops und allen anderen Geräten hinterlegen. Allerdings sollte der Fakt, dass man eine falsche Adresse angibt, jeden stutzig machen, wenn es um die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme geht. Doch was sagt der Anwalt dazu?
Netflix-Abo über VPN nicht illegal
TECHBOOK fragte beim renommierten Medienanwalt Christian Solmecke nach, wie er die Situation zu Netflix und VPN einschätzt. Laut Solmecke ist die Rechtslage grundsätzlich klar: „Strafbar würden sich die Nutzer nicht machen.“
Beim Abo-Abschluss sieht er kein Problem. Eher bei der zweiten Einsatzmöglichkeit von VPNs für Streaming-Dienste. Probleme sieht Solmecke nämlich bei der Nutzung eines ausländischen Netflix-Programms über VPN und die damit verbundenen möglichen Urheberrechtsverletzungen:
„Rechtlich umstritten ist jedoch derzeit weiterhin, ob die Umgehung einer Geosperre mittels VPN urheberrechtlich legal ist. Inzwischen ist klar, dass auch das Streamen eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung des gestreamten Filmes oder der Serie ist (EuGH-Urteil zum Streaming 2017). Das kann trotzdem legal sein, wenn man sich auf das Recht zur Privatkopie berufen kann.“
Mit Geosperre oder auch Geoblocking ist gemeint, dass Anbieter bestimmte Inhalte oder auch Abo-Modelle nur für bestimmte Länder freigeben. Der Rest der Welt kann dann ausgeschlossen werden. Im Fall von Serien und Filmen kommt es zum Beispiel bei Netflix zum Einsatz. In den USA unterscheidet sich das Angebot zum Beispiel teilweise von dem in Deutschland. Das hat oft lizenztechnische Gründe, zum Beispiel weil Netflix bestimmte Rechte zur Ausstrahlung von Serien und Filmen nur in einem Land hat.
Solmecke weißt darauf hin, dass es noch nicht klar sei, ob eine Geosperre „einen wirksamen technischen Kopierschutz im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstelle“. Er selbst hat dazu folgende Meinung: „Wer einen technischen Kopierschutz bricht, der kann sich nicht auf das Recht auf Privatkopie berufen und verletzt die Urheberrechte der Rechteinhaber. Doch ob es sich um eine Umgehung technischer Schutzmaßnahmen handelt, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Es gibt zwar ein paar Juristen, die das so sehen. Ich halte diese Ansicht aber für falsch. Durch Geosperren wird zwar versucht, anhand der IP-Adresse den Aufenthaltsort des Nutzers zu bestimmen, um dadurch die Nutzung (und damit auch die Lizenzierung) bestimmter (auch urheberrechtlich geschützter) Inhalte länderspezifisch kontrollieren zu können. Allerdings wird auch beim Einsatz mittels VPN die IP-Adresse, von der die Abfrage unmittelbar stammt, korrekt übertragen, so dass durch die Zwischenschaltung eines VPN der Zweck der Geosperre weder ausgeschaltet noch manipuliert, also auch nicht umgangen wird.“
Welche Folgen könnten Nutzern drohen
Mögliche Folgen greifen also nur bei der Nutzung von ausländischem Netflix-Programm über VPN. Wenn es also diese eine Serie nur im US-Netflix gibt und man die VPN-Software anschmeißt, um sie zu sehen.
„Wenn es eine wirksame Sperre wäre und das Recht auf Privatkopie nicht greifen würde, so könnten Nutzer durch die Rechteinhaber abgemahnt werden. Auch droht die Kündigung des Abonnements. Diese Folgen drohen ebenfalls, wenn Nutzer bei der Anmeldung falsche Angaben machen. Da es sich hier aber nur um Streams handelt, würde das nicht so teuer werden, wie beim Filesharing, bei welchem man selbst auch zum Uploader des geschützten Materials wird. Außerdem sind mir bislang keine Fälle bekannt, in denen hier tatsächlich Abmahnungen ausgesprochen wurden. Schließlich ist noch zu beachten, dass die Nutzer bei der Anmeldung keine falschen Angaben machen.“
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Fazit: Schließen Sie keine günstigen Abos über VPN ab!
Das Fazit von TECHBOOK fällt deutlich aus. Auch wenn die Preise für Streaming-Dienste teilweise hoch erscheinen, stecken dahinter letztendlich Ausgaben für Lizenzen, Eigenproduktionen und eine stabile Serverstruktur. Wer gerne streamt und das auch in Zukunft tun möchte, sollte für die Leistung, die man in Anspruch nimmt, auch den geforderten Abo-Preis bezahlen. Hinzu kommt, dass das Vorgehen zwar strafrechtlich nicht relevant ist, aber wohl gegen die Netflix Nutzungsbedingungen verstößt. Diese sind laut Solmecke zwar schwammig formuliert, Netflix könne sie aber im Zweifel selbst auslegen und das Abo kündigen.
Um die eigenen Kosten gering zu halten, empfehlen wir, Streaming-Dienste nicht einfach laufen zu lassen, sondern von Monat zu Monat zu wechseln.