19. Juli 2024, 17:34 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Mit „Ranma 1/2“ bekommt ein weiterer Anime ein Remake, vielleicht bei Netflix, vielleicht auch nicht. Fest steht, dass es kommt, was viele Fans freut – aber nicht alle.
Aktuell sorgt die Nachricht, dass mit „Ranma 1/2“ ein echter Kult-Anime ein Remake bekommt für Furore. Ein erster Trailer lässt bereits viele Fan-Herzen höher schlagen – allerdings nicht das von TECHBOOK-Redakteurin Marlene Polywka. Sie findet nicht nur, dass es langsam reicht mit den Remakes, Spin-offs und Realverfilmungen bekannter Stoffe, sondern dass das ständige Aufwärmen bereits erzählter Geschichten auch große negative Auswirkungen haben kann.
„Ranma 1/2“ bekommt ein Remake
Meine erste Reaktion auf die Nachricht eines „Ranma 1/2“-Remakes vor einigen Wochen war Freude. Mein 12-jähriges Ich meldete sich direkt lautstark und schwelgte in Erinnerungen an Sofa-Nachmittage mit RTL 2 (und später mit – natürlich ausschließlich komplett legalen – Internetstreams). Die bunte, lautstarke Mischung der Romcom-Action-Coming-of-Age-Serie ist mir bis heute in guter Erinnerung geblieben.
Nun soll das Ganze also neu aufgelegt werden. So weit, so bekannt. Jetzt erschien ein erster Trailer, der bereits einen guten Eindruck davon vermittelt, wie das Remake am Ende aussehen soll; starten soll es schon im Herbst. Ich habe mir den Trailer jetzt immer und immer wieder angeschaut und er sieht wirklich nicht schlecht aus. Aber mehr eben auch nicht.
Und mit jedem weiteren Mal des Anschauens wird die Frage nach dem Warum in mir lauter als mein begeistertes 12-jähriges Ich. Warum brauchen wir ein Remake von „Ranma 1/2“? Die Serie ist inzwischen 35 Jahre alt und genießt in vielen Ländern absoluten Kult-Status. Sie sprach damals schon viele Themen an, die heute noch aktuell sind und das auf sehr respektvolle und augenzwinkernde Art und Weise. Warum also nicht Gutes mal einfach so belassen, wie es ist?
Nicht das einzige Remake der jüngsten Vergangenheit
Scheinbar ist das heutzutage nur noch schwer möglich. Jetzt könnte man berechtigterweise einfach sagen: Dann schaue ich es mir eben nicht an. Aber ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht finde ich, denn das Remake von „Ranma 1/2“ ist bei Weitem nicht das einzige der vergangenen Jahre.
Um erstmal nur im Anime-Bereich zu bleiben: Das naheliegendste Beispiel ist wohl „Urasei Yatsura“, dessen Remake 2022 erschien. Naheliegend deshalb, weil die Manga-Vorlage, genauso wie „Ranma 1/2“ von Rumiko Takahashi stammt. Die japanische Mangaka ist inzwischen selbst eine Ikone, zurecht vielfach ausgezeichnet und als die Wegbereiterin anerkannt, die sie als eine der ersten erfolgreichen Mangaka im Bereich der Shonen-Manga – also Manga für Jungen – definitiv ist.
Und doch – oder vielleicht gerade deshalb? – wird aus dem „Warum ein Remake?“ bei mir schnell ein „Fällt euch denn nichts Neues mehr ein?“ Die Geschichte von Ranma und seiner Verlobten Akane ist bereits erzählt und das sehr gut. Auch aus kritischer heutiger Sicht ist an der Serie wenig zu beanstanden, vielleicht mal abgesehen von den obligatorischen Kulleraugen der weiblichen Charaktere – die ja aber laut Trailer auch im Remake beibehalten werden, was ich im Übrigen völlig in Ordnung finde. Sie waren und sind Teil des Stils von Takahashi und vielen anderen Manga-Schaffenden.
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Spin-offs, Remakes, Live Action – es hört nicht auf
Und bei Anime-Remakes fängt das Problem für mich ehrlicherweise erst an. Vielleicht entlädt sich mein Frust gerade auch deshalb am „Ranma 1/2“-Remake, weil vor allem die Streaming-Dienste von Reboots, Spin-offs, Live-Action-Verfilmungen bekannter Stoffe oder auch einfach der erneuten Aufbereitung unbekannter Vorlagen aus dem Ausland regelrecht geflutet werden. Mir ist klar, dass man diese Formen nicht unbedingt miteinander vergleichen sollte. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch, dass sie eine bereits erfolgreiche Idee aufgreifen.
So feierte Netflix beispielsweise einen großen Erfolg mit den Realverfilmungen von „One Piece“ und „Avatar: Der Herr der Elemente“ (vor allem mit ersterem). Apropos Realverfilmungen: Disney läuft zurzeit einen wahren Marathon, wenn es darum geht, die eigenen Stoffe erneut auf die große Leinwand zu bringen – jetzt aber noch größer und besser und realistischer und toller und wunderbarer als jemals zuvor. Manchmal gelingt das, wie bei „Die Schöne und das Biest“. Öfter scheitert es aber wie bei „Pinocchio“ oder „Susi und Strolch“.
Manche Stoffe sind vielleicht auch deshalb so gut, weil sie genau das sind, was sie sind – nicht mehr und nicht weniger. Disney ist dafür ein passendes Beispiel: „Susi und Strolch“ beispielsweise lebte von seinen gezeichneten (und teilweise überzeichneten) Figuren. Der Stil, das Tempo, die Atmosphäre und viele andere Details machen den Charme des Films aus den 50ern aus. Gleiches gilt für mich im Übrigen auch für „Ranma 1/2“. Das kann man nicht einfach und zu jeder Zeit reproduzieren.
Es können auch Synergien entstehen
Eine weitere Ausprägung dessen sind im Übrigen Videospielverfilmungen, die aktuell einen großen Hype erfahren. Nachdem Gaming-Fans jahrelang bestenfalls so etwas wie „Prince of Persia: Der Sand der Zeit“ bekamen, wird man nun auf allen Plattformen mit kreativen Verfilmungen beliebter Spiele konfrontiert. „The Last of Us“, „Fallout“ oder auch „Arcane“ sorgten für wahre Begeisterungsstürme und bescherten umgekehrt auch den Spielen, gewissermaßen dem Original, einen Boost. Umgekehrt existiert diese Synergie ja auch, wie beispielsweise „Hogwarts Legacy“ unlängst eindrucksvoll bewies.
Diesen Beispielen geht es aber auch genau darum: um Synergien. Etwas war bereits erfolgreich und ist bekannt. Jetzt versucht man, mit einem neuen Ansatz den Erfolg mindestens zu wiederholen, indem man die alten Fans abholt und im besten Fall viele neue dazugewinnt.
Erfolgreiche Ideen werden ausgeschlachtet
Was mich zum nächsten Beispiel führt: den Spin-offs, gewissermaßen der Königskategorie in Sachen Nachahmung. Denn während Remakes, Live-Action-Verfilmungen und Co. wenigstens noch so tun, als ginge es ihnen darum, das Ursprungswerk erfolgreich zu machen, versuchen Spin-offs, den Erfolg dieses Ursprungs zu absorbieren und daraus eine ganz eigene Erfolgswelle zu kreieren.
Und auch hier findet man natürlich auch positive aktuelle Beispiele. „House of the Dragon“ etwa greift wunderbar die düstere Brutalität der Mutterserie „Game of Thrones“ auf. „Gen V“ erklärt viele Aspekte von „The Boys“ noch einmal neu und das 2022 beendete „Breaking Bad“-Spin-off „Better Call Saul“ ist mit seinem Vorläufer beinahe gleichzusetzen.
Bitte nicht falsch verstehen, all diese Ableger sind gut, wenn nicht sogar fantastisch. Fans sind mitunter begeistert, weil sie geliebte Charaktere wiedertreffen oder weitere Geheimnisse einer bereits bekannten erzählten Welt lüften. Aber die Taktung, in der diese Ableger in all ihren Formen zurzeit erscheinen, ist einfach zu eng.
An mir selbst beobachte ich inzwischen einen enormen Abnutzungsfaktor, was die Begeisterung für solche Ableger angeht. Natürlich habe ich mich anfangs über die Ankündigung eines „Ranma 1/2“-Remakes gefreut. Genauso habe ich mich auch in vielen anderen Fällen darüber gefreut, noch mal in altbekannte Erzählstoffe eintauchen zu dürfen, in der Hoffnung auf ein Wiedererleben alter Begeisterung oder auch auf etwas ganz Neues. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fühlt es sich so an, als ob diese Freude benutzt wird, um darüber hinwegzutäuschen, dass man gerade auch einfach keine gute neue Idee hat.
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Warum also ein „Ranma 1/2“-Remake?
So, jetzt habe ich einen großen Bogen geschlagen. Armes „Ranma 1/2“-Remake, das das Pech hat, einfach in dieselbe Kerbe zu schlagen. Es wird bestimmt gut, es wird der Vorlage hoffentlich gerecht. Aber bei mir bleibt der Eindruck der eigennützigen Motive und dass hier eine schöne Kindheitserinnerung von mir unbotmäßig und kontextlos ins Tageslicht gezerrt wird. Im schlimmsten Fall verwässert so ein Remake oder anderweitiger Ableger sogar die originäre Erfahrung der Vergangenheit, ganz egal, wie viel geändert wird.
In diesem Fall handelt es sich wohl „nur“ um eine grafische Aufbereitung. Aber auch das scheint unnötig, weil man dann auch so vieles andere ändern müsste, um es dem Geschmack des heutigen Publikums wirklich anzupassen, das ein ganz anderes Tempo gewohnt ist.
Vorschlag: Egal, wo das „Ranma 1/2“-Remake am Ende hierzulande erscheint, auf derselben Plattform sollte auch das Original veröffentlicht werden. Denn das alte Format, die mitunter langsamen Abläufe und der originäre Sound gehören einfach dazu. Und ich hoffe, dass mir zumindest in der näheren Zukunft ein „Inu Yasha“-Remake erspart bleibt – sonst gibt es einen noch viel längeren Rant.