9. Juni 2023, 11:39 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
ChatGPT kann eine ganze Menge, aber kann die KI auch Drehbücher schreiben? Diese Frage hat sich „Black Mirror“-Schöpfer Charlie Brooker gestellt und den Chatbot das Drehbuch zu einer Folge der neuen 6. Staffel schreiben lassen – mit einem deutlichen Ergebnis.
Seit dem Release von ChatGPT 2022 beschäftigt der Chatbot viele Branchen. Neben den Chancen, die eine solche KI bietet, stellt sich vor allem im Kreativsektor die Frage, inwiefern ChatGPT Menschen tatsächlich ersetzen kann. Denn tatsächlich es die Aufgabe des Chatbots, auf Basis bereits bestehender Informationen, Texte zu generieren. Das hat nun zu einem interessanten Experiment bei der Netflix-Serie „Black Mirror“ geführt. Die Idee war, dass ChatGPT das Drehbuch für eine Episode der Serie schreiben sollte. Das Ganze kann man als witzige Anekdote abtun, es hat aber auch eine politische Dimension.
Übersicht
ChatGPT sollte eine Folge für „Black Mirror“ schreiben
Es klingt fast absurd, hat wohl aber tatsächlich so stattgefunden. Charlie Brooker, Schöpfer und Showrunner der erfolgreichen Dystopie-Serie „Black Mirror“, hat ChatGPT eine Folge für die neue 6. Staffel schreiben lassen. Im Gespräch mit dem britischen Magazin „Empire“ meinte der Brite, dass er „ein bisschen mit ChatGPT herumgespielt“ habe. „Black Mirror“ ist für derartige Versuche sicher nicht die schlechteste Serie. Immerhin geht es um dystopische Zukunftsszenarien, die häufig etwas mit Technik zu tun haben. Bisherige Themen waren etwa die Auswirkungen sozialer Netzwerke, menschenähnlicher Roboter oder auch Videospielsucht.
Drehbücher für eine solche Serie von ChatGPT schreiben zu lassen, könnte also auch ein genialer Schachzug und Marketing-Trick sein. Allerdings machte Brooker im Interview deutlich, dass das Experiment ordentlich nach hinten losgegangen sei: „Es kam etwas heraus, das sich auf den ersten Blick plausibel liest, aber auf den zweiten Blick ist es scheiße.“ Das Problem sei gewesen, dass die KI nur auf Basis der bereits vorhandenen Episoden etwas kreiert habe, nicht aber etwas Eigenes.
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Die Debatte um KI und (Dreh)Bücher
ChatGPT machte Brooker aber darauf aufmerksam, dass er etwa häufig dieselben Muster für Episoden verwenden würde. „Mir wurde bewusst, dass ich viele Episoden geschrieben hatte, in denen jemand sagt: ,Oh, ich war die ganze Zeit in einem Computer!’“, sagte Brooker gegenüber Empire. ChatGPT kann beim Schreiben von Drehbüchern also durchaus auch eine Hilfe sein.
Über allem schwebt natürlich die Frage, ob ChatGPT und andere KI-Lösungen irgendwann mit genug Daten versorgt sind, um daraus neue kreative Konzepte abzuleiten. So wurde etwa bereits ein Kinderbuch mit dem Titel „Mia, Finn und der Roboter Ki“ veröffentlicht, das von KI geschrieben wurde. Zwar gab es gewisse Vorgaben für den Bot und letztlich wurde noch einiges vom Autorenteam umgestellt und ergänzt. Große Teile des Geschriebenen konnten allerdings übernommen werden.
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Wie kreativ kann KI sein?
Das erwähnte Kinderbuch enthält auch einen Kommentar von Professor Robert Katzschmann, einem Experten für Robotik. Er vertritt unter anderem die Ansicht, dass KI menschliche Kreativität künftig unterstützen, aber nicht ersetzen kann. So könne man ChatGPT und Co. zwar für ein Grundgerüst nutzen, die Ausgestaltung sollte aber weiter durch Menschen erfolgen. Der wichtigste Grund dafür ist vor allem die Qualität der Fakten. Eine KI kann nur die Informationen wiedergeben, mit denen man sie füttert. „Zukünftig werden wir unsere Bildung darauf auslegen müssen, die richtigen Fragen zu stellen und wirklich neue Ideen zu generieren. ChatGPT kann diese Fragestellungen und Ideen dann ausformulieren“, schreibt Katzschmann in seinem Kommentar.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine aktuelle Preprint-Studie. Forscher der Humboldt-Universität zu Berlin haben in Zusammenarbeit mit der University of Essex mehrere KI-Bots einem Kreativitätstest unterzogen. Dabei zeigte sich, dass die getesteten sechs KI-Programme in Sachen Alltagskreativität ähnlich gut abschnitten wie die menschlichen Testpersonen. Ein gewisser Prozentsatz dieser Personen schnitt aber durch die Bank weg besser ab als jedes der getesteten Programme.
Eine KI brauche nach wie vor zudem den menschlichen Anstoß von außen, so Antonio Krüger, Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz gegenüber der Tagesschau. KI-Programme könnten zwar durchaus kreative Lösungen für Alltagsprobleme finden. Krüger sagt aber auch: „Was sie allerdings nicht können, ist völlig abstraktes Neuland zu betreten, denn dafür ist die Architektur der Programme nicht geeignet.“
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Streik in Hollywood hat auch mit KI zu tun
Die Debatte um KI und Drehbücher ist auch deshalb so aktuell und brisant, weil die Drehbuchautoren in Hollywood nach wie vor für bessere Arbeitsbedingungen streiken. Bereits seit Anfang Mai 2023 lassen diverse Mitglieder der WGA (Writers Guild of America) ihre Arbeit ruhen; es geht um unter anderem um die Bezahlung mehrerer Tausend Autorinnen und Autoren. Bei dem Arbeitskampf steht die WGA auf der einen und die großen Studios auf der anderen Seite.
Hauptgrund sind die veränderten Bedingungen durch die große Popularität von Streaming-Diensten. Als Folge werden mehr Filme, vor allem aber auch Serien produziert. Gleichzeitig sind die Staffeln kürzer und die Autorenteams kleiner als früher, was die langfristige Vergütung und Sicherheit der Autoren einschränkt. Zudem werden die WGA-Mitglieder nicht an den weiteren Rechten beteiligt, sollte eine Serie etwa später noch auf anderen Streaming-Plattformen oder im TV laufen.
Ein weiterer großer Kritikpunkt der WGA bezieht sich auf KI-Technologie. Die Streikenden fordern, dass der Einsatz von KI im Filmgeschäft deutlich reguliert werden soll. Alternativ stand auch der Vorschlag im Raum, von dieser Forderung abzuweichen, wenn sich der Einsatz solcher KI nicht auf die Bezahlung der Drehbuchautoren auswirken würde. Bisher sind sämtliche Verhandlungen gescheitert. Dass Chatbots wie ChatGPT noch lange nicht bereit scheinen, ganze Drehbücher zu schreiben, dürfte für die Autoren zwar eine gute Nachricht sein. Gelöst ist die Situation damit aber natürlich nicht.