28. September 2023, 12:55 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Streaming-Riese Netflix soll mit seinen 4K-Streams eine Patent-Verletzung begangen haben. Der Fall liegt aktuell beim Landgericht München. Was bedeutet das für Netflix-Kunden?
Netflix ist der führende Streaming-Dienst weltweit. Das liegt zum einen an seinen vielen exklusiven Eigenproduktionen. Zum anderen an der auch im Vergleich zur Konkurrenz ausgereiften Technologie und Verfügbarkeit. So kann man die Netflix-App flächendeckend auf nahezu allen Geräten nutzen und bekommt viele Inhalte in 4K-Qualität. Mit letzterem soll Netflix aber teilweise ein Patent verletzen. TECHBOOK-Redakteurin Marlene Polywka erklärt die Lage und schätzt die Auswirkungen ein.
Darum geht es in dem 4K-Streit bei Netflix
Gegen Netflix klagt das ebenfalls in Kalifornien ansässige Unternehmen Broadcast. Konkret geht es um den Codec H.265 beziehungsweise High Efficiency Video Coding (HEVC). Ein solcher Codec ist wichtig für die Codierung und Decodierung von Daten, in diesem Fall der Videoinhalte. Bei HEVC handelt es sich nun um einen internationalen Standard speziell für Videokompression, durch die unter anderem Inhalte in der vergleichsweise hohen 4K-Auflösung über das Internet übertragen werden können.
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Broadcom wirft Netflix nun vor, gegen das Patent für H.265 und auch noch weitere Patente verstoßen zu haben. Das gab das Unternehmen in einer Mitteilung an seine Investoren an. Der Streit dauert bereits seit 2018 an; weitere Klagen laufen in den USA und den Niederlanden.
Das Paradoxe: Broadcom und Netflix haben sich mit anderen großen Unternehmen wie Google und Amazon zur Alliance for Open Media zusammengeschlossen. Gemeinsam wurde der Codec AV1 entwickelt. Dieser ist lizenzfrei und konkret als Ablöse für HEVC gedacht – und eigentlich nutzt Netflix ihn auch bereits.
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Darf Netflix H.265 überhaupt nicht mehr nutzen?
Zumindest laut dem Landgericht München 1 darf Netflix H.265 beziehungsweise das Patent EP2575366 nicht mehr nutzen. Laut Broadcom ist dieses wiederum wichtig für die Videocodierung nach H.265. Laut Broadcom wurde bereits eine einstweilige Verfügung gegen Netflix diesbezüglich erwirkt.
„Netflix hat ein robustes Video-Streaming-Geschäft aufgebaut, das sich bei der Bereitstellung von Inhalten für seine Nutzer auf die patentierte Technologie von Broadcom verlässt, und Broadcom freut sich, dass dies vom deutschen Gericht anerkannt wird“, heißt es von Mark Terrano, Vizepräsident und General Manager der Abteilung für geistiges Eigentum und Lizenzen von Broadcom. Netflix hat sich bislang nicht offiziell dazu geäußert.
Nutzer neuerer Geräte (Baujahr 2022 und 2023) müssen sich bezüglich eines Umstiegs auf AV1 keine Sorgen machen. Sogar Apple hat den Standard ab seinem neuen iPhone 15 Pro implementiert, wobei Apple TVs diesbezüglich nach wie vor ein Problem haben. Webbrowser wie Google Chrome oder auch Microsoft Edge unterstützen ebenfalls bereits AV1
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Das meint TECHBOOK
Folgen unklar
„Wie genau sich das Urteil akut auswirkt, ist schwer zu beurteilen. Theoretisch darf Netflix HEVC nun nicht mehr nutzen. Technisch kann der Streaming-Dienst den Codec aber wohl nicht von einem auf den anderen Tag entfernen. Einige Geräte können den neueren AV1-Standard auch noch gar nicht umsetzen. Diese könnten dann bis zur endgültigen Umstellung gar keine Inhalte in 4K mehr empfangen.
Dass etwa Netflix betroffene Inhalte aus dem Angebot nimmt oder generell nur noch in geringerer Qualität zur Verfügung stellt, halte ich für ausgeschlossen. Wahrscheinlicher ist, dass der Anbieter dann rückwirkend eine Gebühr an Broadcom zahlt.
Eine Alternative könnte neben dem erwähnten AV1 auch der Vorgänger H.264 sein. Allerdings ist dafür eine größere Bandbreite nötig, was ebenfalls für einige Nutzer zum Problem werden könnte. Betroffene Nutzer könnten von Netflix eine Senkung der Abo-Gebühren fordern. Aufgrund des Abo-Modells bei Netflix können sie nämlich nicht einfach in den niedrigeren Tarif wechseln. Dieser stellt nämlich auch weniger gleichzeitige Streams zur Verfügung, was vor allem für Familien, die gemeinsam einen Account nutzen, wichtig ist.“– Marlene Polywka, Redakteurin