12. Februar 2024, 12:44 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Nachdem bereits namhafte Konkurrenten wie Netflix und Disney+ ein Werbe-Abo eingeführt haben, hat Amazon mit seinem Streaming-Dienst Prime Video nachgezogen. Das Modell sieht allerdings etwas anders aus und erntet schon im Vorfeld Kritik.
Amazon hat sein Streaming-Angebot Prime Video zum 5. Februar 2024 umgestellt. Seitdem müssen sich Nutzer Werbeeinblendungen ansehen. Wer dies nicht möchte, zahlt extra. TECHBOOK hat die Details zur Umstellung und verrät, wie Kunden und die Verbraucherschützer auf Amazon Prime Video mit Werbung reagieren.
Übersicht
Das bietet das Amazon-Prime-Video-Abo mit Werbung
Erstmal die offiziellen Fakten zum neuen Tarif: Amazon hält am bisherigen Streaming-Zugang fest, zeigt hier nun aber Werbung. Der Streaming-Dienst lässt sich weiterhin nicht separat buchen oder kündigen, da er fest ans Prime-Abo gekoppelt ist. Nutzer, die keine Werbung sehen und zudem Dolby Vision sowie Dolby Atmos nutzen wollen, benötigen eine zusätzliche Option, die mit monatlich 2,99 Euro zu Buche schlägt. Hierbei handelt es sich nicht um ein klassisches Abo mit Werbung, wie es andere Anbieter wie Netflix oder Disney+ vermarkten. Amazon bietet somit folgende Streaming-Optionen:
- Abo mit Werbung: 8,99 Euro im Monat (oder 89,90 Euro im Jahr, was etwa 7,50 Euro im Monat entspricht). Gekoppelt mit Amazon Prime.
- Abo ohne Werbung: 8,99 Euro plus 2,99 Euro, was einem Preis von 11,98 Euro im Monat entspricht. Ein Jahresabo gibt es nicht und auch gesonderten Tarif. Die „werbefreie Option“ kann man nur extra zum Prime-Abo buchen und sie bietet als einzige Dolby Vision und Dolby Atmos.
Amazons Vorgehen unterscheidet sich in erster Linie deshalb von dem der Konkurrenz, weil der Anbieter ein gänzlich anderes Modell bedient. Der Streaming-Dienst Prime Video ist gar nicht separat buchbar. Stattdessen schließt man ein Prime-Abo ab, in dessen Umfang auch andere Vorteile wie etwa schnelle Amazon-Lieferungen enthalten sind. Wer mit den Änderungen nicht einverstanden ist, muss daher das komplette Prime-Abo kündigen. Dies geht bei Amazon immerhin verbraucherfreundlich direkt über das eigene Kundenkonto, wobei der Anbieter sogar die bereits bezahlte und nicht genutzte Gebühr anteilig erstattet.
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Wie viel Werbung zeigt Amazon bei Prime Video?
Ein Kritikpunkt bei der Einführung von Werbung bei Prime Video war, dass sich Amazon mit konkreten Fakten sehr bedeckt hält. Lange war beispielsweise nicht bekannt, wie lange die Werbeeinblendungen bei Prime Video sein werden und in welcher Häufigkeit Amazon diese ausspielt. Und auch jetzt – nach der offiziellen Einführung von Werbung bei Prime Video – fehlen offizielle Angabe zur Häufigkeit und Dauer der Werbeclips sowie zu Werbepartnern. Die Infos, die wir haben, sind lediglich die sehr allgemeinen von Amazon bzw. inoffizielle aus Drittquellen.
In seiner E-Mail an betroffene Kunden schrieb das Unternehmen beispielsweise: „Ab dem 5. Februar werden Titel bei Prime Video in begrenztem Umfang Werbung enthalten. Das erlaubt es uns, weiterhin in Top-Entertainment und Live-Sportinhalte zu investieren und diese Investition langfristig zu erhöhen.“ Aber was genau bedeutet „begrenzter Umfang“?
Das „Wall Street Journal“ berichtete kurz darauf, dass Amazon zwei bis dreieinhalb Minuten Werbung pro Stunde zeigen wolle, was aus internen Dokumenten hervorgehe. Zum Start des neuen Abos blieb Amazon in unserem Test sogar deutlich hinter diesen Werten zurück. Generell liegt der angepeilte Schnitt aber unter dem von Disney+ mit bis zu vier Minuten Werbung pro Stunde und dem von Netflix mit bis zu fünf Minuten Werbung.
Amazons Ziel war es von Anbeginn, „deutlich weniger Werbung zu zeigen als traditionelle Fernsehsender und andere Video-Streaming-Anbieter.“ So zumindest äußerte sich das Unternehmen in seiner Mail. Schwer ist das zumindest im Vergleich zum linearen TV nicht, wo Zuschauer bei privaten Sendern wie RTL oder Pro Sieben mitunter 11 bis 13 Minuten Werbung pro Stunde über sich ergehen lassen müssen.
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Amazon will Streaming-Dienst mit Werbung aufwerten
Amazon selbst spricht im Übrigen von einer Aufwertung des Dienstes. „Seit dem Start von Prime arbeiten wir daran, das Programm immer weiter zu verbessern. Wir haben zahlreiche Prime-Vorteile für unsere Mitglieder hinzugefügt und werden dies auch in Zukunft tun.“ Werbung soll dazu künftig scheinbar einen Teil beitragen.
Ein Grund dürften sicher die gestiegenen Kosten sein. Das betrifft sowohl eigene Produktionen als auch Lizenzen. Wer etwa im Bieter-Wettkampf um sportlich attraktive Veranstaltungen mitmischen will, braucht dafür die entsprechenden Mittel. Und auch Mega-Projekte wie „Die Ringe der Macht“ – stand jetzt die teuerste Serie der Welt – verschlingen Rekordsummen.
Im Übrigen schreibt Amazon auf der Buchungsseite zur werbefreien Version: „Amazon kann den Preis für diese Buchung von Zeit zu Zeit ändern.“ In Stein gemeißelt sind die 2,99 Euro also nicht. Allerdings dürfte sich der Preis in naher Zukunft erst einmal nicht ändern.
Wie kommt das Werbe-Abo von Amazon bei den Nutzern an?
Dass in Deutschland Streaming mit Werbung einen vergleichsweise schwierigen Stand hat, ist nichts Neues. Die meisten Nutzer wollen keine Werbung beim Streaming und sind auch durchaus bereit, dafür mehr Geld zu zahlen. Das ergab auch eine TECHBOOK-Umfrage mit über 30.000 Teilnehmern zum Thema Werbung bei Amazon. Nur knapp 31 Prozent gaben an, ein günstigeres Abo nutzen und dafür Werbung in Kauf nehmen zu wollen. Die restlichen 69 Prozent antworteten klar mit Nein.
Und auch in unserer Redaktion stößt die Werbung bei Amazons Prime Video auf gemischte Gefühle:
Kaum Kommunikation
„Aus wirtschaftlicher Sicht kann ich Amazon zwar verstehen. Allerdings halte ich persönlich die Ausgestaltung und vor allem die Kommunikation bezüglich der Werbeeinblendungen für schwierig. Was für Partner zeigen dort Werbung? Wird Amazon auch weiterhin Werbung in eigener Sache zeigen? Und wenn ja: zählt diese als normale Werbung oder kommt sie zusätzlich oben drauf?
Dazu kommt, dass auch Dolby Vision und Dolby Atmos für das reguläre Abo wegfallen. Damit wertet Amazon dieses weiter ab, seine neue Zusatzoption hingegen auf. Auch diesbezüglich gab es im Vorfeld aber keinerlei offizielle Infos – weder in Form einer Pressemitteilung, noch als Nachricht an die Kunden.
Technisch hat unser erster Test ergeben, dass die Werbung im Großen und Ganzen gut eingebunden ist. Hoffentlich bleibt dieser positive Eindruck, wenn weitere Werbekunden dazukommen und sowohl Dauer der Clips als auch die Anzahl steigen könnten.
Ein übergreifender Kritikpunkt bleibt aber auch dann. Nach wie vor ist es nicht möglich, Amazon Prime Video separat zu buchen. Glaubt Amazon, dass der Streaming-Dienst als solcher nicht genügend Abonnenten verzeichnen könnte? An und für sich sind 2,99 Euro im Monat natürlich nicht wahnsinnig viel. Schaut man sich dann aber den Endpreis von 11,98 Euro im Monat an, dann ist die Sache schon etwas anders gelagert – erst recht, wenn man nun die Kosten für Abos mit Werbung vergleicht.
Amazon: 8,99 Euro. Disney+: 5,99 Euro. Netflix: 4,99 Euro. Bei Amazon bekommt man eben ‚nur‘ die komplette Prime-Mitgliedschaft. Diese bietet zwar im Umfang mehr, als reiner Streaming-Dienst kann Prime Video aber oft nicht mit der Konkurrenz mithalten. Wünschenswert wäre daher, dass die zusätzlichen Einnahmen, wie ja auch von Amazon suggeriert, zumindest teilweise in neue exklusive Formate fließen.“– Marlene Polywka, Redakteurin
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Stiftung Warentest und vzbv äußern rechtliche Bedenken
Wenig begeistert von der Umstellung zeigt sich auch die Stiftung Warentest. Sie hält die Einblendung von Werbung bei Prime Video für eine versteckte Preiserhöhung seitens Amazon. Da das Unternehmen dafür jedoch nicht vorab die Einwilligung der Abonnenten eingeholt hat, seien die Änderungen nicht zulässig. Dabei bezieht sich die Stiftung Warentest auf ein aktuelles Urteil zu Preiserhöhungen bei Netflix und Spotify. Die Experten raten betroffenen Kunden daher, gegen Amazon vorzugehen und eine Unterlassung zu fordern. Dafür hat die Stiftung Warentest einen Musterbrief auf seiner Website zur Verfügung gestellt.
Allerdings ist die Aussicht, mit der Forderung bei Amazon erfolgreich zu sein, gering. Das Unternehmen weist solche zumeist zurück und lässt es auf rechtliche Schritte ankommen. Mindestens ein Kunde habe aber bereits Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von Werbeeinblendungen beim Amtsgericht Neukölln eingereicht, so die Experten.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bereitet ebenfalls eine Klage gegen Amazon vor. Zuvor hatten die Verbraucherschützer das Unternehmen bereits abgemahnt. Wie das Handelsblatt berichtet, hat der vzbv nun eine externe Kanzlei engagiert, die aktuell die Klageschrift erstellt und diese in den kommenden Wochen bei Gericht einreichen wird. Begründung der Klage ist die Einführung von Werbung bei bestehenden Prime-Abos, die laut vzbv eine „wesentliche Vertragsänderung“ und eine „versteckte Preiserhöhung“ darstellt. Dadurch, dass Amazon dafür nicht die Einwilligung seiner Kunden einholt und diese quasi vor vollendete Tatsachen stellt, würde das Unternehmen das Verbraucherrecht missachten.