2. Februar 2019, 11:50 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wenn Sie Ihrem Gerät mit einem KI-Sprachassistenten eine zufällige Frage stellen würden, welches Geschlecht würde Ihnen antworten? Weiblich höchstwahrscheinlich, und das liegt daran, dass die Standardeinstellung unserer Assistenten für gewöhnlich die weibliche Variante bevorzugt.
In Zeiten der #MeToo-Debatte erreicht der Kampf gegen Sexismus längst auch die Welt der Technik. Direkt mit dem Erscheinen der ersten Sprachassistenten kam die Kritik auf, diese Art des technischen Fortschritts würde sexistische Stereotype verstärken.
Historie der Vorgänger
Erste Schwierigkeiten ergeben sich bereits beim Namen: Aus dem Norwegischen übersetzt bedeutet Siri in etwa „eine schöne Frau, die dich zum Sieg führt“. Cortana entstammt dem Videospiel Halo als aufreizendes Hologramm. Alexa dagegen ist eine Anlehnung an die Bibliothek von Alexandria, aus der Stadt von Alexander des Großen. Der Google Assistant verzichtet direkt auf einen menschlichen Namen – und dennoch: Egal wie sie auch heißen, allesamt verschaffen sich mit weiblichen Stimmen Gehör.
Ursprünglich identitäts- und geschlechtsfreie Computersprache wird damit „gegendert“ – nur weil sie eine bestimmte Aufgabe erfüllt.
Siri begann wie die Modelle der Konkurrenz nur als Frau, fügte aber Jahre nach Markteinführung eine Option für die männliche Stimme hinzu, obwohl die weibliche Stimme immer noch der Standard ist. Es mag leicht vorstellbar sein, dass der Grund für die Wahl weiblicher KI-Stimmen auf Sexismus aufbaute – Männer dominieren Führungs- und Entwicklerpositionen im Silicon Valley – und sicherlich spielt dieser Faktor dabei eine Rolle, doch es steckt mehr dahinter.
Denn Siri steht bei weitem nicht allein auf weiter Flur: Microsofts Cortana und Amazons Alexa haben nach wie vor keine männlichen Stimmen und beim Google Assistant ist die Werkseinstellung weiterhin auf weiblich eingestellt. Doch wieso ist das so?
Weibliche Stimmen klingen angenehmer
Eine Vielzahl unterschiedlicher Studien belegt, dass Männer wie Frauen eine weibliche Stimm-Assistentin bevorzugen, weil sie das Gefühl haben, sie sei einladender und verständnisvoller. Bei bestimmten Themen allerdings ziehen sie es vor, einer männlichen Stimme zuzuhören. Wie etwa beim Erklären und Vermitteln von Lernstoff. Wenn der Assistent aber über Liebe und Beziehungen spricht, wird eine weibliche Stimme als passender empfunden.
Für die modernen Systeme werden echte Stimmen genutzt, die dann technisch zu immer neuen Sätzen zusammengebaut werden. „Unsere Studien haben gezeigt, dass es Vorteile und Kompromisse für beide geschlechtsspezifischen Positionen gibt“, sagte ein Microsoft-Sprecher. „Wir haben umfangreiche Recherchen angestellt und festgestellt, dass eine weibliche Stimme eine gewisse Wärme vermittelt, die mit Hilfsbereitschaft verbunden ist. Wir suchten einen hilfreichen digitalen Assistenten und haben die Wahl auf der Grundlage dieser Recherche getroffen.“
Amazon führte ähnliche Markttests durch, bei denen die Kandidaten ebenfalls eine weibliche Stimme bevorzugten, um mit ihnen zu sprechen, weshalb sie sich für Alexa entschieden haben. Google hingegen hat dem Namen seiner Sprach-KI kein Geschlecht zugeordnet, das Unternehmen nannte sie einfach Google Assistant. Trotzdem hat sie immer noch eine erkennbar weibliche Stimme.
Assistentenstimmen traditionell weiblich
In der Technologie-Geschichte und in der Popkultur hat die Frauenstimme eine gewisse Tradition. Joaquin Phoenix verliebt sich in seiner Rolle im Kinofilm „Her“ (2013) in die Stimme eines Computersystems, gesprochen von Scarlett Johansson. Die telefonische Zeitansage (ja, die gibt es noch) ist bis heute weiblich.
Die Berliner Forscherin Judith Meinschaefer erklärt das aus Sicht der Wissenschaft: „Frauenstimmen sind verständlicher als Männerstimmen.“ Das liege daran, dass die Stimmlippen schneller schwingen. Die Frequenz der Signale sei höher. Jedoch ist es keine Sache für Meinschaefer als Wissenschaftlerin, dass Computersysteme Frauen in eine Assistentinnen-Rolle drängen. Allerdings hat Sie eine Vermutung als Frau: Wahrscheinlich liege es daran, dass Männer sich mehr für Technik begeistern, und es passe vielleicht in deren Weltbild. Technisch sei es kein Problem, wenn Männerstimmen genutzt würden, so Meinschaefer.
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Mit mehr Diversität gegen altmodische Rollenbilder
„Sprachassistentinnen sind die digitalen Dienstmägde unserer Zeit“, erklärt Holger Schulz, Klangforscher an der Universität Kopenhagen. Bei Deutschlandfunk Kultur äußerte er sich kritisch, dass die weibliche Stimme in die Rolle einer Assistentin zurück gedrängt werde.
Miriam Meckel, Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, verweist ebenfalls auf eine Reihe von Studien, die bestätigten, dass weibliche Stimmen als angenehmer wahrgenommen werden als männliche. Deshalb sei die Voreinstellung bei allen Sprachassistenten weiblich.
Für Meckel liegt das Problem darin, dass diese eine Servicefunktion übernehmen, die im täglichen Umgang dadurch mit weiblich verbunden wird. „Da zunehmend auch Kinder im Umgang mit Alexa und Co aufwachsen, kann das einen Einfluss auf das Geschlechterrollenverständnis einer Gesellschaft haben“, erklärt die Buchautorin, die auch Gründungsverlegerin des Digitalmagazins „ada“ ist.
ALLE Siri-Befehle auf einen Blick
Besonders drastisch habe sich dieses Problem am Beispiel sexueller Belästigung gezeigt, so Meckel. „Tatsächlich müssen sich die Sprachassistenten da einiges anhören.“ Inzwischen arbeiteten die Hersteller daran, dass es darauf passende und nicht unangemessen höfliche Antworten gibt. „Macht man Siri heute ein unmoralisches Angebot, hört man: Die Antwort lautet nein.“
Das zeigt laut Meckel: „Auch in der Kommunikation und Interaktion mit Softwaresystemen sind Umgangsregeln wichtig. Wir lernen ja nicht nur von Menschen, sondern inzwischen auch von Maschinen.“
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Symbol der Vielfalt
Es ist wichtig, den Verbrauchern Optionen zu geben, wenn es um die Stimmen künstlicher Adjutanten geht, denn unterschiedliche Kulturen oder Demografien haben für gewöhnlich auch unterschiedliche Präferenzen, wenn es um persönliche Assistenten geht. Apple leistet gute Arbeit darin, dass die Menschen verschiedene Sprachen, Akzente und Geschlechtsstimmen wählen können. Sie können beispielsweise eine männliche Stimme mit italienischem Dialekt oder auch eine weibliche Stimme mit französischem Akzent haben. Bei Amazon allein arbeiten 10.000 Mitarbeitern nur daran, Alexa zu verbessern und verschiedene Dialekte und Umgangssprachen beizubringen.
TECHBOOK hat mit etwas Recherche auch Roboter mit männlichen Stimmen gefunden. Erwähnenswert wäre da beispielsweise IBM’s Watson und „Dom“, der virtuelle Bestellassistent von Domino´s Pizza. Darüber hinaus gibt es für den Club der Milliardäre ganz exklusiv noch Mark Zuckerbergs eigenen KI-Assistenten Jarvis, gesprochen von Schauspiel-Legende Morgan Freeman.