9. Dezember 2019, 16:20 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Sie scannen unsere Wohnung, lauschen unseren Worten und filmen mitunter auch – und das sogar gewollt. Immer mehr Menschen holen sich smarte Geräte ins eigene Zuhause, um sich das Leben zu erleichtern. Doch nur Wenigen ist bewusst, wie schnell Smart-Home-Geräte zum Sicherheitsrisiko werden können, warnen Wissenschaftler nun.
Sprachassistenten wie Alexa, Google Assistant oder Siri hören aufs Wort, beantworten Fragen und schalten sogar das Licht oder die Musik für uns an. Staubsaugerroboter wissen, wo der Schmutz liegt und beseitigen ihn von selbst. Videokameras, Fenster- und Türsensoren warnen hingegen, wenn in der Wohnung etwas seltsames passiert. Damit die Smart-Home-Geräte ihre Arbeit entsprechend erledigen können, sind sie ans Internet angebunden, kommunizieren untereinander und speichern bestimmte Dinge. Genau das macht sie aber auch angreifbar. Denn wenn Unbefugte auf die Mikrofone und Kameras zugreifen oder die sensiblen Daten abgreifen, ist ihnen Tür und Tor ins private Zuhause geöffnet.
Wir machen uns freiwillig angreifbar
In Deutschland garantiert Artikel 13 des Grundgesetzes die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Schutz der Privatsphäre vor staatlichen Eingriffen. Bei ausreichender Digitalisierung ihrer Bürger könnten totalitäre Regime die Technik aber auch zur Überwachung nutzen, sind sich Forscher der Technischen Universität (TU) Darmstadt sicher. „Wenn eine Regierung daran interessiert ist, braucht sie keine Wanzen mehr“, sagt Professor Ahmad-Reza Sadeghi vom Institut Cybersecurity. George Orwell würde seinen Roman „1984“ über einen totalitären Überwachungsstaat heute anders schreiben.
Längst geht es bei den Sicherheitsrisiken nicht mehr nur um Rechner, Laptops oder Smartphones. Saugroboter, Überwachungskameras, Sprachassistenten oder Spielzeug können ebenfalls für ein gläsernes Eigenheim sorgen. Der hilfreiche Staubentferner erstellt beim Saugen einen Grundriss der Wohnung, Sprachassistenten nehmen mehr auf, als sie sollen. Kombiniert mit Wecker und Kamera könnten sie auch Einblicke ins Schlafzimmer gewähren. Überwachungssysteme filmen nicht nur Ganoven, sondern spionieren im Zweifelsfall auch die Wohnung aus.
„Wie können wir verhindern, dass die Geräte mehr aufnehmen als sie sollen?“, fragt sich Sadeghis Team. Die Wissenschaftler haben mit einer eigens entwickelten Platine festgestellt, wie viele Geräte in einem Netzwerk unerwünscht Daten nach außen schicken. „Bei den meisten steckt keine böse Intention dahinter“, sagt Sadeghis Mitarbeiter Markus Miettinen.
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Entdecken die Wissenschaftler Schwachstellen, melden sie diese. „Probleme gibt es eher mit den kleinen Herstellern, die nicht so viel Erfahrung haben.“ In der Regel würden die Firmen die Fehler beheben, nur der chinesische Hersteller eines Saugroboters habe erstmal mit Anwälten gedroht, nachdem das Team bei der Recherche auf zahlreiche Wohnungsgrundrisse gestoßen sei. Mittlerweile sei auch dort die Kommunikation des App-gesteuerten Roboters umgestellt worden.
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Smart-Home-Geräte sind Datensammler
Nach Angaben des TÜV-Verbands in Berlin werden jährlich mehrere Milliarden Euro mit smarten Geräten weltweit umgesetzt. Auch an Weihnachten dürften diese Geräte massenhaft als Geschenke auf Gabentischen liegen. Längst haben sie als sprechende Puppen und Stofftiere Einzug in Kinderzimmer gehalten. Doch was ist, wenn Püppi und Teddy nicht nur sprechen, sondern auch hören und sehen können?
„Da kann sich theoretisch jemand reinhacken nach dem Motto: „Mach mal die Tür auf““, sagt der Sprecher des TÜV-Verbands, Maurice Shahd. Der Grundsatz der Produktsicherheit dürfe nicht nur die Funktionalität oder den Verzicht auf Giftstoffe umfassen. Auch digitale Sicherheit gehöre dazu. „Die ist nicht in der Gesetzgebung verankert.“
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Für das Jahr 2018 hat das Bundeskriminalamt gerade erst einen Anstieg der Cyberkriminalität um mehr als ein Prozent auf 87.100 registrierte Fälle konstatiert. „Alles ist angreifbar“, sagt der Direktor des Nationalen Forschungszentrums für angewandte Cybersicherheit „Athene“ in Darmstadt, Michael Waidner. Cyberkriminelle suchten sich den schnellsten Weg, um Daten abzugreifen, in fremdem Namen Bestellungen aufzugeben oder Geldzahlungen per Email einzufordern. Er rate, nicht immer alles unbedingt zu vernetzen. Für Sadeghi geht der Schutz auch unkonventionell: Im Zweifel ein Pflaster auf die Kamera kleben.