11. April 2024, 15:55 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Google Assistant, Amazon Alexa und Apple Siri sind Sprachassistenten der alten Schule. Mittlerweile laufen ihnen KI-Chatbots den Rang ab. TECHBOOK-Redakteur Adrian Mühlroth über die Überlebenschancen der drei Dienste.
Amazon stellt das Programm ein, mit dem Entwickler Geld für die Entwicklung von Alexa Skills verdienen konnten, wie „Bloomberg“ berichtet. Google hat Drittanbieter-Apps für den Assistant bereits 2022 eingestellt. Es ist nur das jüngste Beispiel dafür, dass die klassischen Sprachassistenten vor dem Aus stehen. Wie die Zukunft aussehen könnte – und welche Rolle dabei KI und das fünfte Rad am Wagen, Siri, spielen – versucht TECHBOOK herauszufinden.
Übersicht
Google und Amazon waren unerreichbare Marktführer
Wer mich noch vor ein paar Jahren gefragt hätte, welchen Sprachassistenten für den Heimgebrauch ich empfehlen würde, wäre die Antwort stets „Google Assistant“ gewesen. Mit dem Aufkommen von generativer KI, die für alle zugänglich ist, sind die Karten jedoch neu gemischt – und am könnte der unwahrscheinlichste Kandidat den Umsturz überleben. Der Google Assistant bot schon immer tiefe Integration in das Google-Ökosystem – allen voran Google Home, aber auch Android-Geräte. Zudem hatte der Dienst schlichtweg die meisten Funktionen und konnte Eingaben am besten verstehen und korrekt beantworten.
An zweiter Stelle hätte ich Amazon Alexa positioniert, zumindest in Form eines Echo-Geräts für den Gebrauch zu Hause. Denn als Smartphone-Assistant konnte Amazon Alexa aufgrund der fehlenden Integration nie etablieren. Auf einem Echo lieferte Alexa jedoch gute Ergebnisse bei Sprachverständnis und Funktionsumfang. Wenn Apple 2018 nicht den HomePod vorgestellt hätte, wäre Siri gar nicht erst als Alternative in Frage gekommen.
Im Vergleich zu Google Assistant und Alexa stand Siri schon immer schlecht da. Der Sprachassistent schien immer etwas schlechter darin, natürliche Sprache zu verstehen. Auch beim Funktionsumfang hinkte Siri stets hinterher. Als einer der Hauptgründe galt stets der Fokus auf Datenschutz. Das könnte sich jedoch bald ändern. Sowohl Google Assistant als auch Alexa haben aktuell mit finanziellen Problemen zu kämpfen, die sie möglicherweise nicht überleben.
Generative KI verdrängt herkömmliche Sprachassistenten
Der von OpenAIs ChatGPT losgetretene Boom von generativer KI hat die Sprachassistenten der alten Schule in Schwierigkeiten gebracht. ChatGPT ist in problemlos in der Lage, natürliche Sprache sowohl gesprochen als auch geschrieben zu verstehen. Die KI kann im Gegensatz zu Assistant, Alexa und Siri präzise Antworten geben und hat selbst mit Anschlussfragen kein Problem. Sie kann Texte erstellen, redigieren, kürzen oder verlängern; Programme schreiben und dank Einbindung von Dall-E sogar Bilder auf Anfrage kreieren.
Herkömmlichen Sprachassistenten können damit nicht mithalten. Google und Amazon arbeiten deshalb mit Nachdruck an eigenen KI-Lösungen, die ChatGPT, Dall-E und neuerdings Sora Paroli bieten können. Google hat mit Gemini bereits einen All-in-One-Dienst geschaffen, der allerdings noch einige Startprobleme hat, wie selbst Google-Co-Founder Sergey Brin zugeben musste. Amazon arbeitet eigenen Angaben zufolge ebenfalls an Künstlicher Intelligenz, um Alexa zu verbessern. Wann das Upgrade kommt und ob Alexa damit zum Bezahl-Abo wird, steht noch nicht fest.
Stellenstreichungen bei Google Assistant und Alexa
Fest steht hingegen, dass sowohl Google als auch Amazon immer weniger Geld für ihre Assistenten ausgeben. Google hatte bereits Anfang 2023 Tausende Stellen gestrichen und Anfang 2024 weitere Kürzungen angekündigt – darunter auch bei den Teams, die an Google Assistant arbeiten. In der Folge gab das Unternehmen auf seinem Keyword-Blog bekannt, mehrere „unterbenutzte“ Features aus dem Assistant zu streichen, um den Dienst schlanker zu machen.
Auch Amazon Alexa ist in der Krise. 2022 berichtete Business Insider, dass Amazon mit „Alexa und anderen Geräten“ 10 Milliarden US-Dollar verlieren könnte – in nur einem Jahr. Das Unternehmen kündigte Ende 2023 deshalb die Streichung Hunderter Stellen in der Alexa-Sparte an. Laut Reuters wolle sich das Unternehmen damit unter anderem mehr auf die Entwicklung von KI fokussieren.
Großes KI-Upgrade für Siri geplant
Apple hingegen hat bei Siri kaum etwas zu verlieren. Da das Unternehmen im vergangenen Jahrzehnt nur wenig in die Sprachassistenz investiert hat, dürfte das Entwickler-Team relativ schlank und die Kosten überschaubar sein. Unter der Führung von Tim Cook sträubte sich Apple bislang gegen die Verbreitung von Künstlicher Intelligenz. Doch das soll sich nun ändern. In einer Konferenz zu den Quartalsergebnissen nahm Cook erstmals das Wort „KI“ in den Mund und versprach neue Funktion „später in diesem Jahr“. Unter anderem soll iOS 18 KI-gestützte Features bekommen. Vor allem aber ist ein großes Upgrade für Siri geplant, wie Bloomberg bereits im Januar berichtete. Mit der Einstellung des unangekündigten „Apple Car“-Projekts hat das Unternehmen weitere Ressourcen auf die Entwicklung von KI verlagert.
Siri könnte damit künftig in der Lage sein, automatisch Aufgaben auszuführen, die bislang über die Kurzbefehle-App laufen. Auch soll der Assistent verstehen wie Apps funktionieren und so kontextbasierte, komplexe Fragen zu beantworten und etwa Sätze vervollständigen können. Auch die Kommunikation in natürlicher Sprache könnte durch KI verbessert werden. Apple steht bei der Entwicklung jedoch vor dem Problem, die neuen Siri-Fähigkeiten mit dem Datenschutz für seine Nutzer zu vereinbaren.
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Da Apple nun massiv Ressourcen in die grundlegende Überholung von Siri mit KI steckt, hat der Sprachassistent gute Zukunftschancen. Anders sieht es bei Google Assistant und Alexa aus, die über kurz oder lang aus verschiedenen Gründen verschwinden könnten.
Smart-Home-Markt könnte Alexa zum Verhängnis werden
Die Umsätze auf dem Smart-Home-Markt befinden sich auf Sinkflug – ein Trend, der sich Statista zufolge in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Amazon Alexa ist davon am stärksten betroffen, da Google Assistant und Siri außerhalb des Zuhause noch auf Millionen von Smartphones laufen. Sollten die Stellenstreichungen nicht ausreichen, ist es durchaus vorstellbar, dass sich Amazon vom Smart-Home-Geschäft – und damit auch Alexa – trennt. Das Amazon sich nicht davor scheut, unprofitable Sparten zu schließen zeigen Fire Phone, Amazon Webstore und Amazon Drive. Jüngstes Beispiel sind die eigenen „Just Walk Out“-Stores in Nordamerika. Hier können Kunden einfach eintreten, Lebensmittel kaufen und wieder herausgehen – ohne an der Kasse zu bezahlen. Künstliche Intelligenz verfolgt laut Amazon, welche Artikel gekauft wurden, die Rechnung kommt per E-Mail. Wie „The Information“ nun jedoch berichtet, sitzen rund um die Uhr 1000 Arbeiter in Indien und verfolgen jede Bewegung in den Märkten per Videokamera, um korrekt abzukassieren. Der Dienst ist damit unrentabel und wird von Amazon eingestellt.
Google ist für die Einstellung von Diensten bekannt
Zwar hat auch Google Mitarbeiter aus dem Assistant-Team entlassen und sogar Funktionen gestrichen. Bei dem Unternehmen gibt es aber andere Gründe, warum der Sprachassistent in seiner heutigen Form wohlmöglich keine Zukunft hat.
Anstatt Dienste zu aggregieren, konkurrieren Teams bei Google und das erfolgreichere Produkt setzt sich durch. Dadurch kommt es häufig vor, dass das Unternehmen mehrere Dienste parallel entwickelt, bis sich einer aus finanzieller Sicht nicht mehr lohnt. Dadurch kommt es oft vor, dass Nutzer auf einen neuen Dienst setzen, der dann nach ein paar Jahren wieder eingestellt wird. Die Folgen dieser unrühmlichen Strategie lassen sich am besten auf der Website „Killed by Google“ nachverfolgen. Dort sind die fast 300 Dienste aufgelistet, die Google in den vergangenen 20 Jahren eingestellt hat. Darunter sind große Namen wie Google Stadia, Play Music, Inbox und jüngst Podcasts.
Nun, da Google viel Geld in die Entwicklung von Gemini gesteckt hat, ist es durchaus denkbar, dass der KI-Assistent Google Assistant ersetzt. Denn zwei Sprachassistenten gleichzeitig zu betreiben, ist weder wirtschaftlich, noch bringt es einen Vorteil für Nutzer. Wie schnell ein Assistent bei Google gegründet werden und wieder verschwinden kann, zeigt das Beispiel Bard. Erst im März 2023 ging der Chatbot an den Start und wurde bereits im Februar 2024 durch Gemini ersetzt.