18. September 2018, 17:22 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Sim Characters hat den kleinsten Patientensimulator der Welt entwickelt: Baby Paul. Eine Million Euro erhoffen sich die Gründer als Investment von einem Löwen. Kann das klappen?
Jedes zehnte Kind kommt zu früh auf die Welt und gilt als Frühgeborenes. Der Gesundheitszustand und die Überlebenschancen der circa 15 Millionen Frühchen jährlich sind äußerst kritisch. Es ist deshalb die häufigste Todesursache im Kindesalter. Aufgrund der kleinen Größe von zu früh geborenen Babys ist es auch für Ärzte schwierig, die kleinsten Patienten entsprechend zu behandeln.
Damit das künftig besser möglich ist, hat der Kinderarzt Dr. Jens Schwindt und sein Team von Sim Characters einen Frühgeborenensimulator entwickelt, der nicht nur äußerlich wie ein Frühchen aussieht, sondern der im Inneren dank hochsensibler Technologie auch der Anatomie eines Frühgeborenen entspricht. Mit dem Frühgeborenensimulator Paul sollen Ärzte auf Notsituationen vorbereitet werden und an dem Babykörper trainieren können. 15 Jahre lang hat Dr. Schwindt als Intensivmediziner auf einer Frühgeborenenstation gearbeitet.
„Die Versorgung eines lebensbedrohten Kindes ist hochkomplex, zeitkritisch und auch für erfahrene Teams immer wieder eine Herausforderung. In diesen Situationen muss jeder Handgriff sitzen, weil das Leben des Kindes und ein Überleben mit einer guten Lebensqualität davon abhängt“, erklärt der Arzt.
So funktioniert Baby Paul
Deshalb hat Sim Characters mit Paul den kleinsten high-end Patientensimulator weltweit entwickelt. Er entspricht einem Frühgeborenen der 27. Schwangerschaftswoche, ist also 13 Wochen zu früh geboren, und wiegt knapp 1000 Gramm. Über einen Computer kann Paul gesteuert werden und alle denkbaren Krankheitszeichen im Frühgeborenenalter simulieren. Beispielsweise kann über den Computer die Atmung, die Kreislaufsituation oder etwa die Sauerstoffsättigung des Frühgeborenensimulators verändert werden. „Ist Pauls Atmung zum Beispiel nicht ausreichend, wird er blau und kann schließlich komplett aufhören zu atmen. Das Team muss nun effektiv reagieren und ihn beatmen oder auch einen Beatmungsschlauch in der winzigen Luftröhre platzieren“, erklärt Dr. Jens Schwindt. Die Effektivität der Hilfsmaßnahmen können direkt am Computer verfolgt werden. Wie genau das im Detail aussieht, sehen Sie hier in diesem Video:
Ihren Pitch hat das Team um Sim Characters mehrfach geübt. „Letztlich weiß man aber natürlich nie, was kommt. Ehrlicherweise macht es uns aber auch einfach Spaß, Paul zu präsentieren, weil wir wissen, dass wir mit ihm ein wichtiges und tolles Produkt entwickelt haben“, sagt Dr. Schwindt. Aufgeregt waren sie vor der Aufzeichnung aber schon: „Wenn man weiß, dass den Pitch dann möglicherweise letztlich Millionen Menschen sehen werden, trägt das nicht gerade zur Beruhigung bei. Gerade weil wir natürlich auch in einem sehr sensiblen Feld tätig sind, war für uns die Seriosität des Mediums ein entscheidendes Kriterium“, erklärt Dr. Schwindt.
Neben der internationalen Vermarktung soll Paul laut dem Gründer Dr. Schmidt auch kein Einzelkind bleiben, sondern noch weitere Geschwister, Kindersimulatoren unterschiedlichsten Alters, bekommen. Deshalb erhofft sich das Team ein Investment von einer Million Euro für 15 Prozent der Anteile an ihrem Unternehmen. Geht einer der Löwen den Deal ein? Das sehen Sie heute Abend in einer neuen Folge „Die Höhle der Löwen“ auf Vox.
So lief der Deal
„Und wie wird das momentan ohne Paul gemacht?“, möchte Judith Williams wissen. Es handele sich dabei viel um ‚learning by doing‘, wie der Kinderarzt erklärt. Junge Ärzte schauen erfahreneren Kollegen lange Zeit über die Schulter und lernen daraus. Ralf Dümmel möchte Paul aus nächster Nähe sehen und schaut ihn ganz genau an. Die realistische Atmung, bei der sich sogar der Oberkörper des Babys bewegt, beeindruckt den Löwen. Auch Carsten Maschmeyer hält es nicht auf seinem Sitz, er geht ebenfalls zu Paul. Nach und nach gehen alle Löwen auf die Bühne.
„Was können Sie sehen, was in einer normalen Intensivstation nicht sichtbar ist?“, möchte Maschmeyer von der Ärztin am Computer wissen. Vor allem wie der Arzt das Frühgeborene intubiert und wie die Kopfposition des Babys ist, sei sonst nicht in der Form sichtbar – und keineswegs live zu sehen.
„Wissen Sie, wie schön sich das anfühlt, wenn man weiß, man ist auf das, was kommen kann, vorbereitet? Das ist für uns Mediziner etwas ganz Entscheidendes“, erklärt Dr. Schwindt den Löwen. Alle Löwen scheinen sichtlich beeindruckt von Baby Paul zu sein.
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Judith Williams: „Alle meine Töchter mussten zu früh geholt werden“
50.000 Euro kostet das Gesamtpaket rund um Paul, vor gut einem Jahr wurde der erste Paul verkauft. Auf entsprechenden Simulationsmessen sei Paul bereits sehr gefragt. Aber nur um Geld geht es bei Paul nicht, die möglichen Investoren sind sehr emotional. „Mich berührt so etwas wahnsinnig“, sagt Ralf Dümmel, der selbst drei Kinder hat. Der Richtige für das Investment sei er aber nicht.
„Alle meine Töchter mussten zu früh geholt werden“, erzählt Judith Williams. Und weiter: „Ich nehme das, was Sie uns vorgestellt haben extrem ernst und Sie brauchen den besten Investor für diese Geschichte und Ihr Start-up, den Sie bekommen können.“ Das sei sie selbst aber nicht. 500 mal haben die Menschen von Sim Characters Paul bereits präsentiert, aber erst 17 Stück von ihrem Produkt verkauft. Das macht Maschmeyer skeptisch. Die Gründer argumentieren, dies liege daran, dass der Frühgeborenensimulator neu auf dem Markt sei.
„Ich glaube, Leben retten zu können, ist das Schönste, was es auf der Welt gibt“, sagt Dagmar Wöhrl. Aber sie entgegnet:„Bei Ihnen wüsste ich nicht, wie ich helfen kann.“ Auch Frank Thelen äußert fast nur Lob: „Das ist mein Traum-Start-up.“ Aber auch er weiß nicht, wie dem Team helfen könnte. Am Ende bleibt nur noch Carsten Maschmeyer. Er hat aber große Vorbehalte beim Verkauf an Kliniken. Kein Löwe geht ein Investment ein.
Nach der Aufzeichnung der Sendung konnte das Start-up allerdings weitere Kunden finden. „Wir haben mittlerweile nun Pauls an Kliniken mit Weltruf verschicken können, u.a. an das Johns Hopkins Hospital in Baltimore und das Children´s Hospital of Philadelphia“, sagt Dr. Jens Schwindt. An ihrer Mission, so viele Kinderleben wie möglich zu retten und diesen Kindern ein gesundes Leben zu ermöglichen, habe sich nichts geändert, versichert Dr. Schwindt.