26. Oktober 2016, 14:14 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wie wird die Welt in 35 Jahren aussehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Zukunftsforscher Ulrich Eberl in seinem Buch „Smarte Maschinen – Wie künstliche Intelligenz unser Leben verändert“. TECHBOOK hat mit ihm gesprochen.
Science-Fiction-Filme befassen sich ständig mit der Frage, wie unser Leben aussehen wird – in zehn Jahren, in zwanzig Jahren, in hundert Jahren. Ulrich Eberl hat das Leben der Zukunft zu seinem Forschungsschwerpunkt gemacht. Seinen Ergebnissen zufolge, werden wir schon bald mit Robotern zusammenleben.
Wie wird sich die Welt in den nächsten Jahren verändern?
Ulrich Eberl: Wir stehen vor einer Revolution der smarten Maschinen. Sie wird unser Leben mindestens so stark verändern, wie dies Smartphone, Internet und soziale Netzwerke bereits getan haben. Unter smarten Maschinen verstehe ich solche mit künstlicher Intelligenz, die lernfähig sind, die sehen, hören, lesen und argumentieren können – also Roboter ebenso wie kluge Computer-Software. Es wird eine Gemeinschaft aus Menschen und smarten Maschinen geben, sie werden überall um uns herum sein.
In den nächsten zwei, drei Jahrzehnten wird sich die Leistungsfähigkeit von Mikrochips, Sensoren und Software mindestens vertausendfacht haben. Fahrzeuge werden uns schon bald selbständig zu unserem Ziel bringen. Auf den Bürgersteigen werden automatische Einkaufswägen fahren, die unsere Bestellungen nach Hause liefern. Drohnen werden uns eilige Arzneimittel zustellen.
In den Fabriken werden wir Hand in Hand mit Robotern arbeiten, in Hotels, Museen und Geschäften werden sie uns Auskunft geben und uns bedienen. In Seniorenheimen werden sie Getränke bringen, mit den alten Menschen Spiele spielen und die Wäsche wegtragen. Und auch unsere Smartphones werden sich weiterentwickeln. Wir werden richtige Gespräche mit ihnen führen können, mit ihnen diskutieren und sie um Rat fragen.
Wird jeder bald einen eigenen Roboter zu Hause haben?
Das wird noch am längsten dauern – ich schätze mindestens drei Jahrzehnte -, bis der elektronische Butler in den eigenen vier Wänden zur Normalität werden wird. Das hat zwei Gründe: Zum einen die Finanzierung. Solche Roboter müssen auch bezahlbar werden für jedermann, ein Massenmarkt muss entstehen. Zum anderen die komplizierte Umgebung zu Hause. Der Roboter muss das Haus kennenlernen. Es ändert sich dort ständig etwas und wenn es nur ein Stuhl ist, der plötzlich an einer anderen Stelle steht. Der Roboter muss ständig dazulernen und sich immer wieder anpassen können. Dazu kann er Menschen beobachten und sie nachahmen. Oder er lädt sich neue Fähigkeiten in Zukunft wie Robo-Apps herunter. So könnte er dann etwa lernen, wie man Sekt in ein Glas füllt oder einen Dinner-Tisch deckt.
Wie wird die Entwicklung in den nächsten Jahren aussehen?
Als erstes werden Roboter den Großteil der Arbeit in Logistikzentren übernehmen. Gerade in diesem Bereich wird derzeit sehr viel in die Weiterentwicklung investiert, sodass Roboter bereits in ein paar Jahren die Waren aus den Regalen holen und versandfertig machen können.
Auch das autonome Fahren wird nicht mehr lange dauern. Auf Autobahnen sollte dies bis 2020 machbar sein – und vor allem mindestens so sicher sein wie ein Mensch am Steuer. Die Autoindustrie in Deutschland hat dieses Ziel fest im Blick und Tests dazu laufen bereits.
Was wird sich in der Jobwelt ändern?
Zweifellos werden sich viele Arbeitsplätze grundlegend ändern oder ganz wegfallen. Das betrifft vor allem Routinetätigkeiten in Büros, da geht es zum Beispiel um Buchhalter, Versicherungsvertreter oder Bankberater.
Aber Maschinen werden nicht überall zum Einsatz kommen. Einerseits weil sie nicht in jedem Gebiet sinnvoll sind und akzeptiert werden, andererseits weil sich die Entwicklung an den Stellen finanziell nicht lohnt, wo Menschen flexibler und auch kostengünstiger arbeiten.
In vielen Gebieten werden Roboter uns Menschen aber auch einfach helfen und uns die Arbeit erleichtern. In der Praxis wird das so aussehen, dass etwa ein Arzt in einem Krankenhaus ein smartes Computersystem an seiner Seite hat. Hier sind nicht nur alle Daten und früheren Krankheiten eines Patienten gespeichert. Vor allem kann diese intelligente Software auch auf Millionen von anonymisierten Patientenakten und Studien zu Krankheiten, Diagnosen und Therapien zurückgreifen. Mit diesem Wissen können Arzt und Maschine dann miteinander über die beste Betreuung der Patienten diskutieren.
Auch bei Banken werden smarte Maschinen in Zukunft stark unterstützen. Der Computer kann durch sein immenses Wissen Analysen und Prognosen erstellen. Er hat die Daten aus der Vergangenheit blitzschnell parat und kann sie in Relation zu aktuellen Entwicklungen setzen. So kann er dem Bankberater beispielsweise helfen, die beste Anlagestrategie für einen Kunden zu ermitteln.
In welchen Bereichen ist der Einsatz von Robotern nicht sinnvoll?
Der Mensch hat Vorteile bei allem, was Kreativität erfordert. Beispiele hierfür sind Forschung, Medien und das Handwerk. Und auch in Berufen, die soziale Kompetenz verlangen, werden Menschen nicht zu ersetzen sein. Das sind Lehrberufe, Pflegeberufe, Sozialarbeiter. Überall wo ein direkter Kontakt zwischen Menschen sinnvoll ist, hat der Roboter das Nachsehen. Das sollte dann idealerweise zur Folge haben, dass die Menschen in diesen Berufen besser bezahlt werden als heute, weil sie eben nicht durch Maschinen ersetzbar sind.
Es werden aber auch viele neue Berufsfelder entstehen. Das reicht vom Designer und Konstrukteur smarter Maschinen bis zum Biochip-Entwickler. Wenn wir zurückblicken: Vor 35 Jahren gab es noch keine Software-Entwickler. Der Beruf entstand erst mit den Computern und der Automatisierung. Heute gibt es weltweit mehr als 18 Millionen Softwareentwickler. Der Einsatz der smarten Maschinen in der Berufswelt kann somit auch neue Türen öffnen.
Können Maschinen irgendwann die Weltherrschaft übernehmen?
Ich sehe das nicht so dramatisch. Maschinen werden uns in absehbarer Zeit sicher nicht übertrumpfen und die Weltherrschaft übernehmen. Denn wir entwickeln die Roboter für uns. Sie konzentrieren sich auf Spezialgebiete, haben keine Allgemein-Intelligenz. Eine Ausnahme wäre der Allzeit-Butler, der Fähigkeiten und Wissen auf vielen Gebieten haben muss. Aber auch dieser Butler lernt, indem er belohnt wird, wenn er uns hilft. Uns zu unterstützen, ist das höchste Ziel in seinem Robotergehirn – daher wird er nicht gegen uns arbeiten.
Allerdings gibt es fast nichts, was Maschinen nicht nachbilden können. Dazu gehören auch Emotionen oder Gefühle. Ist zum Beispiel der Akku fast leer, dann kriegen die Roboter so etwas wie Hunger und Durst. Werden Motoren oder Sensoren verletzt, dann haben sie Schmerzen. Und sie werden eigenständig lernen, durch Beobachten, Nachahmen und Belohnung.
Wie werden die Menschen sich verändern?
Das ist schwer zu sagen. Optimistisch eingestellte Menschen können sich sicherlich über mehr Freizeit und Freiheit freuen, denn die smarten Maschinen werden ihnen viel Arbeit im Alltag abnehmen. Pessimistische Menschen, die nicht sozial oder kreativ tätig sind, keinen Sport betreiben und keine Hobbys haben, werden sich wahrscheinlich eher langweilen, wenn sie wenig zu tun haben. Die Revolution der smarten Maschinen wird nicht nur all unsere Lebensbereiche umkrempeln, sondern auch die Bildungslandschaft, die Steuergesetze oder die Rentensysteme. Fatal wäre es jedenfalls zu glauben, man könnte sich dagegen stemmen. Wir werden die smarten Maschinen brauchen, für die älter werdende Bevölkerung ebenso wie für nachhaltige Energiesysteme und eine wettbewerbsfähige Industrie. Wir sollten nicht gegen die Maschinen anlaufen, sondern lernen, sie für uns zu nutzen.