5. Juli 2024, 13:10 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wer ab und zu außerhalb der EU Waren bestellt, muss für Pakete über 150 Euro Zoll bezahlen. Doch diese Grenze soll gesenkt werden. Was das bedeutet und warum die EU die Freigrenze senken möchte, erklärt TECHBOOK.
Immer mehr Menschen shoppen online, das ist für viele bequem und oftmals günstiger. Während auf den Einkaufsstraßen immer mehr Geschäfte schließen müssen, erleben Online-Shops wie Temu oder Shein, die Produkte besonders günstig anbieten, ein Hoch. Oftmals kommen die Waren aus dem Ausland, in der Regel China. Die Abschaffung der Zollfreigrenze soll der flutartigen Einfuhr an Billig-Produkten jedoch einen Riegel vorschieben.
Übersicht
Darum möchte die EU die Zollfreigrenze abschaffen
Ob der Zoll für Sendungen Abgaben berechnet, hängt unter anderem von deren Sachwert ab. Bis zu einem Wert von 150 Euro müssen Empfänger in der Regel keinen Zoll bezahlen. Doch der Europäischen Kommission ist die Zollbefreiung für Waren mit geringem Wert ein Dorn im Auge. Sie führt dazu, dass zahlreiche, billig gefertigte und nicht seltenen minderwertige Produkte den Markt in Europa überschwemmen. Die EU-Kommission hat daher bereits im Mai 2023 einen Entwurf vorgelegt, nach dem die Freigrenze bis 2028 abgeschafft werden soll. Diesen Termin möchte sie nun sogar vorziehen, wie die „Financial Times“ unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertrauten Personen berichtet. Noch in diesem Monat soll die Abschaffung der Zollfreigrenze für Waren aus dem Ausland demnach besprochen werden.
Die Entscheidung hat vor allem finanzielle Gründe, wie die Zeitung „FAZ“ berichtet. Viele Händler aus Drittstaaten würden ihre Lieferungen in kleine Sendungen splitten, um innerhalb der Zollfreigrenze zu bleiben und die Zollabgaben so zu umgehen. Dadurch würden nicht nur die Zollbehörden übermäßig belastet und der Wettbewerb mit europäischen Unternehmen verzerrt, der EU würden auch Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe entgehen.
Die Europäische Kommission verspricht sich durch die Entscheidung aber auch eine bessere Kontrolle von in die EU eingeführten Gütern. „Immer mehr Produkte, die nicht unseren Standards entsprechen, kommen einzeln verpackt aus Drittstaaten direkt an die Haustür europäischer Verbraucher“, kritisiert beispielsweise die EU-Abgeordnete Anna Cavazzini (Grüne).
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Auch neue Zollbehörde geplant
Parallel zur Abschaffung der Zollfreigrenze sieht der Reform-Entwurf vom Mai 2023 auch die Gründung einer neuen EU-Zollbehörde vor. Diese soll laut den aktuellen Plänen die Absprachen und Kommunikation zwischen den nationalen Zollbehörden vereinheitlichen und verbessern. Alle Zollbehörden hätten dann Zugriff auf einen zentralen Informationspool. Hat man in einem Land beispielsweise eine nicht zugelassene Sendung entdeckt, könnten andere Länder auf diese Information zugreifen. Damit würde es deutlich schwerer werden, dass solche Sendungen über Umwege doch noch in die EU gelangen.
Bis die neue EU-Zollbehörde wirklich zum Einsatz kommen kann, wird es aber noch einige Jahre dauern. Erst 2037 sollen die verschiedenen Staaten vollumfänglich auf den Informationspool zugreifen können.
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Für Online-Shopper kann es teuer werden
Folgt man den Argumenten der Europäischen Kommission, klingen die Pläne durchaus sinnvoll und wichtig. Nicht nur, um einen gleichberechtigten Handel zwischen der EU und Drittstaaten zu ermöglichen, sondern auch, um besser kontrollieren zu können, welche Güter in die EU gelangen. Für Online-Shopper hat die Streichung der Zollfreigrenze aber mitunter teure Auswirkungen, da die Änderung gleichermaßen für Privatpersonen wie für gewerbliche Empfänger gilt. Da sie gesetzlich verankert wäre, würde sie zudem für alle Shops greifen, die Lieferungen aus Ländern außerhalb der EU anbieten. Auch wenn die Änderung primär aufgrund von Shops wie Temu, Shein oder AliExpress erfolgen dürfte, die im großen Rahmen Waren aus China einführen.
Kunden müssten bei Bestellungen von Waren unter 150 Euro, die sie außerhalb der EU bestellen, nicht nur die Einfuhrumsatzsteuer von 7 bzw. 19 Prozent, sondern auch Zoll bezahlen. Für die Shops würde es sich somit nicht mehr lohnen, Sendungen zu splitten, um unter dieser Summe zu bleiben und Zollgebühren zu umgehen. Schon jetzt legen viele von ihnen anfallende Gebühren auf die Kunden um. Künftig dürften viele Waren somit teurer werden.
Sendungen aus Drittländern müssen prinzipiell beim Zoll angemeldet werden. Dies übernimmt zumeist das Transportunternehmen, das auch die Einfuhrumsatzsteuer vorstreckt. Bei Auslieferung holen sich die Zulieferer die Kosten vom Empfänger zurück, nicht selten mit einem Aufschlag als Servicegebühr. Kommen Zollkosten hinzu, werden diese ebenfalls abgerechnet. Die Gebühren berechnen sich aus dem Zollwert (Wert der Ware und Transportkosten an die EU-Außengrenze) sowie dem jeweiligen Zollsatz laut Zolltarif. Letzterer ist abhängig vom gekauften Produkt. Ob er überhaupt berechnet wird und wenn ja, in welcher Höhe, lässt sich auf der Website des Zolls abfragen.
Es kann aber sein, dass der Inhalt sowie die Kosten einer Sendung nicht ausreichend aufgelistet sind. In diesem Fall leitet die Post die Pakete zumeist ans Zollamt weiter. Hier werden Briefsendungen 7 Tage und Pakete 14 Tage gelagert und danach an den Versender zurückgeschickt. Die Empfänger müssen ihre Waren in dieser Zeit abholen und die angefallenen Kosten bezahlen. Zu beachten gilt hier, dass die Zollstelle ab einer Lagerdauer von 10 Tagen Lagerkosten in Höhe von mindestens 5 Euro in Rechnung stellt.
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So reagieren die Online-Händler
Nicht nur der Handelsverband HDE stellt sich hinter die Pläne der Europäischen Kommission, die Zollfreigrenze abzuschaffen, auch Bundesfinanzminister Christian Lindner unterstützt das Vorhaben. Wie die „tagesschau“ berichtet, könnte der Warenwert von etwa 65 Prozent der von Temu bzw. Shein stammenden Pakete zu niedrig angesetzt sein, um Zollgebühren zu umgehen. Zuletzt hatte beispielsweise Temu auch immer wieder Ärger mit den Verbraucherschützern. Beide Händler widersprechen dem jedoch und betonen, man würde Waren weder falsch ausweisen, noch Sendungen stückeln.
Beide Händler sind in ihrer Beliebtheit stark gestiegen. „Immer mehr Menschen greifen auf Temu und Shein zurück. Das liegt vor allem an den niedrigen Preisen“, so IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz. Daran dürfte auch die Abschaffung der Zollfreigrenze nichts ändern. Denn wie beispielsweise Temu erklärt, liege das Wachstum des eigenen Shops nicht an der zollfreien Einfuhr vieler Waren, sondern an effizienten Lieferketten. Auch Shein betont, dass man sich an alle Regeln, Gesetze sowie Zollvorschriften halte und etwaige neue Regelungen keinen Einfluss auf die Preise hätten.