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Nach mehrfachen Warnungen

Verbraucherzentrale mahnt chinesische Shopping-Plattform Temu ab 

Nach der Warnung folgt die Abmahnung – das müssen Kunden von Temu wissen.
Nach der Warnung folgt die Abmahnung – das müssen Kunden von Temu wissen. Foto: picture alliance / CFOTO | CFOTO
Natalie Wetzel, TECHBOOK
Werkstudentin

27. März 2024, 17:19 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Nachdem die Verbraucherzentralen bereits vor Temu gewarnt haben, mahnen sie die chinesische Shopping-Plattform nun wegen mehreren Verstößen ab. TECHBOOK gibt den Überblick, was Verbraucher beachten müssen.

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Temus erster Eindruck erschlägt einen regelrecht: Alles ist bunt, überbordend, unglaublich günstig – auch dank der inflationär eingesetzten Rabattcodes. Temu setzt alles daran, den eigenen Werbeslogan „Shoppen wie ein Milliardär“ möglich zu machen. Scheinbar gibt es auf Temu so ziemlich alles, was man in Küche, Kinderzimmer, Kleiderschrank oder für diverse Hobbys (nicht) gebrauchen kann. Und das alles zu absurd niedrigen Preisen. Was aber manchen wie ein Shopping-Paradies erscheint, ist für den Bundesverband der Verbraucherzentralen ein erhebliches Risiko für Verbraucher. Deshalb haben die Verbraucherzentralen Temu nun eine Abmahnung erteilt.

Die vzbv-Vorständin Ramona Pop äußerte sich dazu so: „In Deutschland und der Europäischen Union gelten Gesetze zum Schutz der Verbraucher:innen, an die sich alle Unternehmen halten müssen. Die Plattform Temu verunsichert und übervorteilt Verbraucher:innen mit willkürlich erscheinenden Rabatten, fragwürdigen Bewertungen und manipulativen Designs, das muss aufhören. Verbraucher:innen müssen vor derartigen Geschäftspraktiken geschützt werden.“

Ein Marktplatz für alles und jeden

Anders als Amazon ist Temu ein reiner Online-Marktplatz und wird nicht selbst als Verkäufer tätig. Wer ein Produkt kauft, schließt daher einen Vertrag mit einem externen Händler ab. Dadurch sinken auf Verkäuferseite die Kosten massiv, denn: Die Produkte kommen häufig direkt aus der Fabrik und werden vom Verkäufer verschickt, ohne dass noch ein Zwischenhändler beteiligt ist. Mit demselben Konzept hat auch die Billig-Shopping-Plattform Wish gearbeitet – bis ab 2021 massive Umsatzeinbrüche und Verluste folgten.

Doch „Temu ist perfekt zugeschnitten auf die Art und Weise, wie junge Menschen heutzutage einkaufen“, sagt WDR-Digitalexperte Jörg Schieb. Temu lockt mit wenig Aufwand, geringen Preisen und einem schier unendlichen Angebot. Allerdings bleiben eben auch Risiken für die Verbraucher. Zusätzlich sieht der Bundesverband der Verbraucherzentralen mehrere Verstöße gegen europäisches Recht. Darunter fallen auch intransparente Rabattaktionen, die Kunden in die Irre führen, weil sie keine weiterführenden Informationen zum ursprünglichen Referenzpreis liefern.

Dark Pattern, Green Washing und weitere Verstöße

Außerdem setzt Temu auf sogenannte Dark Patterns. Dabei handelt es sich um manipulative Designs der App, die beispielsweise mit Bannern wie „Mehr als 54 Nutzer haben wiederholt gekauft! Warum nicht 2 auf einmal…“ oder „Beeile dich! Über 126 Personen haben diesen Artikel in ihrem Warenkorb“ Druck auf die Verbraucher aufbauen. Seit dem Digital Service Act der EU, der am 17. Februar 2024 in Kraft trat, ist der Einsatz von Dark Pattern allerdings verboten.

Für viele Verbraucher schließt die Freude am Online-Shoppen ein gewisses Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht aus. Temu appelliert daher an dieses Verantwortungsgefühl, indem das Unternehmen mit einem geringeren CO2-Fußabdruck wirbt, wenn man sich die Waren nicht bis nach Hause liefern lässt, sondern nur bis zur nächsten Abholstation. Da aber ein Großteil der Waren aus China stammen, sind die letzten Kilometer, die man so einspart, kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Neben dieser Greenwashing-Strategie suggeriert Temu außerdem, dass allein die Verbraucher für den CO2-Ausstoß verantwortlich sind.

Ein weiterer Vorwurf der Verbraucherzentralen bezieht sich auf gekaufte Produktbewertungen. Obwohl Anbieter zu Transparenz verpflichtet sind, sehen die Verbraucherzentralen hier kritische Defizite. Gleiches gilt für die oft fehlenden oder unzureichenden Informationen über die Identität der Verkäufer. Der nächste Schritt des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen könnte eine Klage gegen Temu sein. Deutschland wäre damit nicht das erste Land, das gegen das chinesische Unternehmen vorgeht. Frankreich plant eine Umweltabgabe für Billig-Artikel, die bestimmte Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllen, sowie ein Werbeverbot für Fast Fashion. Deutsche Verbraucher, die trotz allem auf Temu shoppen wollen, sollten einige Faustregeln beachten.

Niedriger Preis heißt Niedrige Qualität

Bei Preisspannen zwischen 20 Euro und wenigen Cents dürfte niemand überrascht sein, auf Temu keine Markenprodukte zu entdecken. Und wenn doch, dann sollte man besser stutzig werden. Obwohl No-Name-Produkte nicht automatisch schlecht sein müssen, berichten Temu-Kunden oft von defekten Waren, auffallend schlechter Qualität und minderwertiger Verpackung, die die Produkte während des Versands nicht angemessen schützen konnten. Daher ist es hier noch wichtiger als sonst, Produkte und Kundenbewertungen vor dem Kauf sorgfältig zu prüfen.

Da Temu nicht selbst verkauft, gestaltet sich im Fall eines beschädigten Produkts die Rückabwicklung mitunter zäh. Vermeiden Sie es daher nach Möglichkeit, in Vorkasse zu gehen, sondern zahlen Sie erst, wenn Sie die Ware in einem guten Zustand erhalten haben. Sollten Sie vorab Zahlungsaufforderungen erhalten, melden Sie sich beim Online-Kundenservice und erklären Sie, dass Sie den Artikel noch nicht erhalten haben. So können Sie sich zumindest finanziell absichern.

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Vorsicht vor Geräten ohne CE-Zeichen

Wenn Versand und Kommunikation mit dem Verkäufer oder Kundenservice nicht reibungslos funktionieren, ist das ohne Zweifel lästig. Richtig gefährlich können aber Produkte werden, die nicht den europäischen Sicherheitsstandards entsprechen. Dazu gehört beispielsweise, dass bestimmten Produkten eine Bedienungsanleitung in deutscher Sprache beigelegt sein muss. Diese fehlt allerdings nicht selten bei den Schnäppchen-Artikeln.

Noch problematischer ist das CE-Zeichen, das viele Waren vermissen. CE steht für Conformité Européenne und ist in der EU unter anderem für Spielwaren und elektronische Geräte verpflichtend. Das CE-Zeichen ist an sich kein Qualitätssiegel, doch mit der Kennzeichnung versichert der Hersteller, dass seine Produkte den europäischen Richtlinien entsprechen und übernimmt die Verantwortung dafür. Im Umkehrschluss kann das bedeuten, dass nicht gekennzeichnete Produkte diesen Sicherheitsstandards nicht nachkommen, was drastische Folgen haben kann.

Ende 2021 hatte Frankreich die US-amerikansiche Plattform Wish zeitweise aus den App Stores entfernt, da 95 Prozent des dort angebotenen Spielzeugs nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprachen. Und auch bei Temu zeigen erste Untersuchungen, dass es grundsätzliche Defizite gibt. „Wenn man sich das Produktsortiment tiefer anschaut, merkt man, dass die nicht den Produktsicherheitsanforderungen entsprechen“, betont E-Commerce-Experte Mark Steier gegenüber Golem, „Dort lassen sich wie bei Wish Produkte finden, deren Feilbieten hier in Deutschland tatsächlich verboten ist.“

Ein Team des WDR ist bei seinen Nachforschungen bei Temu sogar auf gefälschte CE-Zeichen gestoßen, ebenso wie auf einen Autotür-Öffner, der eine verbotene Militärfrequenz benutzt, außerdem auf eine Smartwatch mit einem Datenschutzkonzept so löchrig wie ein Fischernetz. Vor solchen Dingen kann man sich am besten schützen, indem man die Artikelbeschreibungen und Kundenrezensionen sorgfältig prüft und sich gegebenenfalls doch für ein Markenprodukt in einem anderen Shop entscheidet.

Unangenehm durchlässig sind auch die Haftungsbedingungen. Wenn Sie direkt in China bestellen, löst das die Hersteller-Haftung auf. Der WDR illustriert dies mit folgendem Beispiel: „Wer einen bei Temu gekauften Staubsauger an die Nachbarn verleiht, kann in Regress genommen werden, sollte der Akku dort Feuer fangen und einen Brand auslösen.“

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Überraschungskosten an der Landesgrenze

Auch wenn Temu mit spottbilligen Preisen lockt, sollte man sich bei Bestellungen außerhalb der EU immer über die geltenden Zoll- und Steuerbestimmungen informieren. Zoll fällt zwar erst bei einem Sachwert von 150 Euro an, was man bei Temu nur durch eine Großbestellung erreichen kann. Doch Einfuhrumsatzsteuern und Verbrauchersteuer können bereits ab einem Warenwert von 5,26 Euro entstehen. Seit Temu seinen Hauptsitz von Shanghai nach Irland verlegt hat, sollten Temu-Kunden damit jedoch kein Problem mehr haben.

Die DHL schreibt dazu: „Wurde die Ware auf einem Online-Marktplatz bestellt, der in der EU registriert ist und die anfallende Mehrwertsteuer in einem EU-Land abführt, entfallen keine Abgaben, da der Empfänger die fälligen Abgaben direkt beim Kauf bzw. der Online-Bestellung bezahlt. Dieses System wird als Import One Stop Shop (IOSS) bezeichnet. Registriert sich der Versandhändler darüber, ist die Steuer schon beim Kauf im Rechnungsbetrag enthalten.“

Was für den einzelnen Kunden gut ist, kann aber zur Belastung für die Gesellschaft werden, da Zoll, Mehrwertsteuer und ähnliche Abgaben entweder nicht anfallen oder nicht in Deutschland landen. Die Konsequenz daraus ist die fortschreitende Verödung der Innenstädte, da lokale Geschäfte nicht mit Temu (oder auch Amazon) konkurrieren können. Auch Arbeitsplätze und der Verbraucherschutz gehen als Verlierer aus diesem Kampf um günstige Preise hervor.

Temu agiert auf keiner Ebene nachhaltig

Wer billig kauft, kauft zweimal. Diese Einschätzung könnte sich bei Temu-Produkten noch schneller bewahrheiten als bei anderen günstigen Waren. Denn wie hochwertig können die Materialien sein, die für eine 17-Euro-Jeans verwendet wurden? Oder für eine Smartwatch zum gleichen Preis? Außerdem kann man sich sicher sein, dass die Löhne und Produktionsbedingungen weder die soziale noch die ökologische Nachhaltigkeit fördern. Im Gegenteil.

Hinzu kommen die langen Transportwege aus China. Der Vergleich mit Amazons absurd kurzen Lieferzeiten kann zwar kein Maßstab sein, denn auch dieses Unternehmen setzt auf höchst fragwürdige Arbeitsbedingungen. Doch lokale Geschäfte und Händler könnten womöglich schneller und nachhaltiger liefern. Denn giftige Chemikalien und CO2 entstehen nicht nur bei der vergleichsweise schwach regulierten Produktion in China und dem Versand nach Deutschland. Sondern auch, wenn die Retoure wieder zurückgeht. Dass ein T-Shirt, das für wenige Euro verkauft wird, einmal um den halben Globus und wieder zurückgeschickt wurde, dann nicht einfach auf dem Müll landet, ist bestenfalls unwahrscheinlich.

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Fragwürdiger Datenschutz

Wer sich die Temu-App installiert, sollte auch einige Einstellungen beachten. Stimmt man der Werbeansprache zu, muss man mit übermäßig vielen Werbenachrichten mit Spezialangeboten und spielerischen Kaufaufforderungen rechnen. Öffnet man die App, kann man direkt nach dem Start mit einem virtuellen Glücksrad einen Rabatt gewinnen. Im schlimmsten Fall lässt man sich davon beeinflussen und kauft mehr als man eigentlich wollte. Im harmlosesten Fall ist die viele Werbung einfach nervig.

In der App oder in den Smartphone-Einstellungen lassen sich Push-Benachrichtigungen ausschalten und auch vom E-Mail-Newsletter kann man sich wieder abmelden. Doch auch Ihre personenbezogenen Daten sollten Sie schützen, da Temu diese offensiv für kommerzielle Zwecke nutzen möchte. Achten Sie daher in den Smartphone-Einstellungen darauf, dass das Standorttracking ausgeschaltet ist und Sie der App den Zugriff auf Kontakte, Werbe-ID, Fotos und Mikrofon verweigern. Obwohl Temu grundsätzlich ein seriöses Unternehmen ist, sollte man sich kritisch und aufmerksam mit seinen Angeboten auseinandersetzen. Und manche besonders sensiblen Produkte sollte man vielleicht einfach woanders bestellen.

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