8. Juli 2024, 10:14 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wer Live-Veranstaltungen liebt, muss dafür immer tiefer in die Tasche greifen. Ein Flaschenhals dafür sind Plattformen wie CTS Eventim – und bei denen sind die preise zuletzt teils deutlich gestiegen. Woran liegt das?
Live-Konzerte oder auch generell Veranstaltungen bedeuten für Fans energiegeladenen Genuss. Wenn ohrenbetäubender Lärm, wummernde Bässe und tanzende Menschen zusammentreffen, durchströmt den Körper ein Hochgefühl. Die seit dem Ende der Corona-Pandemie gestiegenen Ticketpreise sorgen hingegen für ein Erzittern anderer Art. TECHBOOK hat sich bei Eventim umgehört und erklärt, warum die Preise für Konzerte und Festivals so sehr angestiegen sind – und wer daran verdient.
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Aufstieg zum Branchenriesen
CTS Eventim zählt zu den größten Ticketportalen in Deutschland und Europa. CTS steht für Computer Ticket Service. Ursprünglich hatte das 1989 gegründete Unternehmen den Anspruch, Eintrittskarten im gesamten Bundesgebiet verfügbar zu machen. Damals ist es nämlich häufiger vorgekommen, dass Musikfans in einigen Regionen Deutschlands keine Tickets über lokale Anbieter für ihre Lieblingsband bekommen haben, während anderswo noch reichlich Karten verfügbar gewesen sind.
Was früher noch mehr oder weniger analog gelaufen ist, funktioniert heute komplett digital und online. Eventim hat es geschafft, zu einer Marke wie Coca-Cola, Tempo oder Tesa aufzusteigen. Der Name steht für das Produkt. Wer heute eine Künstlerin oder eine Band sehen möchte – na klar – der bucht das Ticket online bei Eventim.
Laut Bundeskartellamt verfügt Eventim in Deutschland inzwischen über einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent. Einige Insider vermuten, der Anteil könnte indirekt noch höher liegen. Die wenigen anderen Anbieter spielen kaum eine Rolle, erkennen die führende Position des Branchenriesen an und versuchen ihren Teil vom Kuchen abzubekommen. Im Falle von CTS Eventim sprechen Fachleute von einer oligopolistischen Marktstellung – wenige Anbieter teilen sich den Markt und können in gewisser Weise auch die Preise bestimmen.
Kritik am System von Eventim
Beim deutschen Branchenriesen kommen noch andere Faktoren hinzu, die zu einer Verfestigung der Marktmacht geführt haben. Jan Böhmermann hat in seiner TV-Sendung „ZDF Magazin Royale“ auf seine bekannt schonungslose Art den Vorhang bei Eventim ein wenig gelüftet.
Laut Recherche des Teams von Böhmermann sei Eventim eben nicht nur Tickethändler, sondern gleichzeitig auch Künstleragentur, Veranstalter und Venue-Agentur. Mit Venue ist der Veranstaltungsort gemeint. Bedeutet: Eventim ist unter anderem der Betreiber der Lanxess Arena in Köln und Pächter der Berliner Waldbühne, zwei der größten Veranstaltungsorte in Deutschland.
Über verschiedene Tochtergesellschaften und Beteiligungen ist Eventim zudem Veranstalter von Festivals wie Hurricane, Southside, Rock am Ring oder Rock im Park. Selbst Tickets für Spiele der Fußball-Bundesliga, für die Fußball-Weltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele laufen oder sind in der Vergangenheit über die Plattform von Eventim gelaufen.
Das ZDF Magazin Royale kommt daher zu dem Schluss, der gesamte Eventmarkt Deutschland werde maßgeblich von einem Unternehmen bestimmt – Eventim. Was bedeuten die vielfältigen Geschäftsaktivitäten des Online-Händlers für den Ticketverkauf?
Wie setzt sich der Ticketpreis von Eventim zusammen?
Auf TECHBOOK-Anfrage äußert ein Sprecher von Eventim: „Ticketpreise werden nicht durch Eventim, sondern durch die Veranstalter festgelegt.“ Die Aussage ist faktisch richtig. Dennoch kommt es in einigen Fällen zu Überschneidungen, weil Eventim eben auch selbst immer öfter als Veranstalter auftritt.
Um eine grobe Vorstellung über die Verteilung der Einnahmen beim Ticketverkauf zu bekommen: Etwa 60 Prozent des Ticketumsatzes teilen sich auf unter anderem in Personalkosten, Produktion, Logistik oder GEMA-Gebühren. Die anderen 40 Prozent bleiben für die Künstler und Veranstalter. Die genauen Anteile der beteiligten Parteien sind individuell vereinbart.
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Welche Gebühren fallen an?
Auf die Frage, welche Gebühren im Einzelnen beim Online-Kauf eines Tickets über Eventim anfallen, antwortet der Sprecher: „In Deutschland sind das im Regelfall die prozentual ermittelte Vorverkaufsgebühr, deren Höhe übrigens vom Veranstalter festgelegt wird und nicht vom Ticketingpartner, sowie eine feste Buchungsgebühr. Bei der Wahl eines Papiertickets kommt noch eine Versandgebühr hinzu. Sämtliche Gebühren werden auf unserer Website transparent vor dem Kauf ausgewiesen. In Ausnahmefällen können Systemgebühren entstehen, wenn beispielsweise Tickets aus einem Drittsystem stammen.“
So transparent ist die Aussage dann allerdings doch nicht. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) tauchen keine konkreten Zahlen oder prozentuale Angaben auf. Auch in den FAQs finden Kundinnen und Kunden nur wenige bis keine Angaben zum Thema Gebühren.
Klar, das Unternehmen weist die Gebühren nach der Ticketauswahl auf dem Rechnungszettel kurz vor dem Bezahlvorgang aus. Vielleicht wäre es noch transparenter, wenn sich Interessierte bereits auf der Eventim-Webseite vor der Ticketauswahl einen Überblick zu anfallenden Gebühren verschaffen könnten. Für Veranstalter oder Agenturen, die ihre Karten über das Eventim-Netzwerk verkaufen möchten, gibt es so eine Aufstellung. Vielleicht demnächst auch für Ticketkäuferinnen und -käufer?
Wegen der Gebühren – genauer gesagt, wegen nicht zurückgezahlter Gebühren durch Eventim – hat der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Musterklage gegen den Online-Händler vor dem Landgericht München eingeleitet. Laut Urteil der Münchener Richterinnen und Richter dürfen Vorverkaufsgebühren für Veranstaltungstickets nicht pauschal in den AGB ausgeschlossen werden.
Doppelte Gebühren beim Verkauf per Fansale
Neben den bereits genannten vielfachen Aktivitäten von Eventim als Verkäufer, Veranstalter und Vermieter des Veranstaltungsortes kümmert sich das Unternehmen auch um den Verkauf von Tickets, wenn ein Fan den Termin aus verschiedensten Gründen nicht wahrnehmen kann.
Die „Fansale“-Ticketbörse von Eventim ist grundsätzlich eine gute Sache, um überschüssige Tickets unkompliziert an andere Fans weiterzuverkaufen. Allerdings fallen dann weitere Kaufgebühren sowie eine Verkäuferprovision an. Wer bei Eventim ein Ticket erwirbt, zahlt doppelte Gebühren – beim Kauf und bei einem möglicherweise notwendigen Verkauf über Fansale. So kann aus der guten Sache eine teure Angelegenheit werden.
Tipp: Wenn Sie einmal ein erworbenes Ticket wieder loswerden möchten, nutzen Sie lieber andere Kanäle, wie eine Rundmail an Freunde und Bekannte. Oder teilen Sie Ihr Angebot per Messenger-Status in Ihrem Freundeskreis.
Gibt es Alternativen zu Eventim?
Es gibt Alternativen, allerdings nur sehr wenige. Die beste Möglichkeit: Tickets direkt beim Theater, auf der Location-Webseite oder beim Veranstalter erwerben, wenn die Möglichkeit besteht. Inzwischen verkaufen auch viele Künstlerinnen und Künstler ihre Konzertkarten in Eigenregie über die eigene Website. Bei diesen Alternativen lassen sich in der Regel ein paar Euros sparen.
Allerdings funktioniert das in den meisten Fällen nur bei kleineren Events oder noch weniger bekannten Künstlern und Bands. Wer die großen Megastars auf der Bühne erleben möchte, der kommt direkt oder indirekt nicht an Eventim vorbei. Zudem setzen inzwischen auch andere Tickethändler wie Ticketmaster, myticket.de oder ADTicket auf ähnliche Verkaufsstrategien wie der Marktführer.
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Fazit zu Preisen bei Eventim
Eventim hat sich in den vergangenen Jahren eine fast uneinholbare Marktposition als Tickethändler in Deutschland und auch international verschafft. Durch verschiedene Tochtergesellschaften und Beteiligungen übernimmt das Unternehmen inzwischen weitere Rollen als Konzertagentur und Veranstalter. Selbst einige der größten Locations in Deutschland gehören zu Eventim.
Der einstige reine Ticketverkäufer ist dadurch in der Lage, die Preise indirekt zu beeinflussen. Was das für Künstler und Fans bedeutet, darüber können Sie sich selbst Gedanken machen. Unbestritten ist: Externe Faktoren, wie sinkende Einnahmen aus Plattenverkäufen in den vergangenen Jahrzehnten, erhöhte Personalkosten, steigende Hallenmieten und zuletzt die Corona-Pandemie mit Auftrittsverboten, haben die Ticketpreise für Konzerte und Festivals ansteigen lassen.
Dennoch darf die Preisgestaltung bei Eventim noch transparenter werden, gerade was die Ausweisung anfallender Gebühren angeht. Diese bekommen Kundinnen und Kunden erst zu sehen, wenn der Kauf fast abgeschlossen ist. Der Klick auf ‚Verwerfen‘ fällt dem Fan bei seiner Lieblingsband dann besonders schwer. Als Eventim-Alternative – zumindest bei kleineren Events – bleiben immer noch lokale Händler vor Ort. Beim Direktkauf lassen sich in der Regel ein paar Euros sparen.