
24. März 2025, 17:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
In den USA hat Amazon Klage gegen die Verbraucherschutz-Behörde CPSC (Consumer Product Saftety Commission) eingereicht. Die Behörde hatte angeordnet, dass Amazon für schädliche Produkte, die über seine Plattform zum Verkauf stehen, verantwortlich gemacht werden kann.
Im Januar hatte die CPSC entschieden, Amazon als „Händler“ für mangelhafte oder unsichere Produkte einzustufen, die über die Plattform verkauft werden. Das Unternehmen müsse „daher die rechtliche Verantwortung für deren Rückruf“ tragen. Vor einem US-Bundesgericht klagt Amazon gegen diese Entscheidung – und stellt obendrein auch die grundlegende verfassungsmäßig der Verbraucherschutz-Behörde infrage, wie „The Washington Post“ berichtet.
Amazon geht die Macht der Verbraucherschützer zu weit
In der Klage erklärt das Unternehmen, dass die Behörde nicht die rechtliche Befugnis habe, Amazon für den Verkauf potenziell gefährlicher Produkte zur Verantwortung zu ziehen. „The Washington Post“ zufolge argumentiert Amazon seit 2012, dass es nicht als Händler eingestuft werden dürfe. Es agiere schließlich nur als Logistikpartner, der Transaktionen und Lieferungen für Drittanbieter erleichtere – ähnlich wie UPS und FedEx.
Die CPSC könne das Unternehmen deshalb nicht verantwortlich machen, schädliche Produkte zurückzurufen. Eigenen Angaben zufolge reguliere sich Amazon zudem selbst: „Wenn wir von einem Rückruf oder einer Sicherheitswarnung erfahren, entfernen wir das Produkt aus unserem Store und unserer Lieferkette, um zu verhindern, dass ein unsicheres Produkt unsere Kunden erreicht.“
Doch Amazon geht noch einen Schritt weiter und zweifelt die Verfassungsmäßigkeit der Verbraucherschutz-Behörde an. Die Struktur der Behörde verstoße gegen die Gewaltenteilung, da sie richterliche und exekutive Funktionen miteinander vereine. Auch der Schutz vor unbegründeter Entlassung der Kommissionsmitglieder durch den amtierenden Präsidenten sei unzulässig.
90 Jahre lange galt der Präzedenzfall (Humphrey’s Executor) des obersten US-Gerichtshofs (SCOTUS), wonach Mitglieder unabhängiger, parteiübergreifender Behörden nur aus wichtigem Grund entlassen werden können.
Verbraucherschutz in den USA in Gefahr
Das Justizministerium (DOJ) der Trump-Regierung hat jedoch den SCOTUS dazu aufgerufen, dieses Urteil aufzuheben, wie Reuters berichtet. In einem Schreiben an den Justizausschuss des Senats erklärt der US-Generalstaatsanwältin Sarah Harris, dass dem Obersten Gerichtshof zufolge „die Entscheidung von Humphrey’s Executor nur für Verwaltungsorgane gilt, die keine ‚wesentliche Exekutivgewalt‘ ausüben.“ Sollte der Oberste Gerichtshof das Urteil im Sinne des DOJ aufheben, wären Mitglieder der CPSC nicht mehr besonders geschützt – was auch den unabhängigen und parteiübergreifenden Status der Behörde in Gefahr bringen könnte.
Laut „The Washington Post“ fügt sich das in eine wachsende konservative juristische Bewegung ein, die darauf abzielt, unabhängige Bundesbehörden zu schwächen, indem sie deren Unabhängigkeit von der präsidentiellen Kontrolle als verfassungswidrig darstellt. Die Haltung der Trump-Regierung habe Unternehmen wie Amazon ermutigt, diese rechtlichen Argumente aggressiver zu verfolgen.
Sie hat bereits mehrere Kommissare aus unabhängigen Regulierungsbehörden entlassen. Die Post zitiert Rechtsexperten, die warnen, dass das Kippen von Präzedenzfällen wie Humphrey’s Executor die Macht von Regulierungsbehörden drastisch verringern könnte. Das hätte eine erhebliche Einschränkung der Fähigkeit zur Durchsetzung von Verbraucher- und Arbeitsrechten zur Folge.
Klare Regeln für Amazon in Deutschland
In Deutschland und der EU generell ist der Verbraucherschutz historisch stärker verankert als in den USA. Neben dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gibt es mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) eine unabhängige und parteineutrale Organisation, die sich für den Verbraucherschutz einsetzt.
Für Amazon gelten auf EU-Ebene klare Vorgaben. In einem Kurzpapier aus dem vergangenen Jahr schreibt der Vzbv:
„Grundsätzlich haften Online-Plattformen nicht für Inhalte Dritter. Für Betreiber von
Online-Marktplätzen führt der DSA [Digital Services Act, Anm. d. Red.] in Artikel 6 (3) eine Ausnahme ein. Sie haften dann für die Inhalte Dritter, wenn der Eindruck entstehen kann, dass nicht der Dritte, sondern die Plattform selbst die Inhalte bereitstellt.“
Auf Marktplatz-Plattformen wie Amazon ist das jedoch mitunter schwer zu erkennen. Allerdings liegt die Beweislast nicht beim Unternehmen, sondern bei den Verbrauchern – was in der Praxis kaum praktikabel ist.
Es ist nicht immer nach außen sichtbar, dass Amazon verantwortlich für ein auf der Plattform verkauftes Produkt ist. Der Vzbv fordert deshalb „Betreiber von Online-Marktplätzen sollten neben dem Händler gesamtschuldnerisch haften, sofern sie einen beherrschenden Einfluss auf den Anbieter haben.“

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Amazon hat Sorgfaltspflicht gegenüber Verbrauchern
Betreiber von Marktplatz-Plattformen sich dem Vzbv-Kurzpapier zufolge bislang nicht verpflichtet, die Sicherheit von verkauften Produkten zu prüfen. Zu diesem Punkt verweist Dr. Christiane Rohleder, Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) auf eine Studie des DIN-Verbraucherrats:
„Die Studie […] zeigt deutlich: Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten von Online-Marktplätzen mehr Verantwortung für die dort verkauften Produkte und dass die Plattformen unseriöse Geschäftspraktiken verhindern. Wichtig ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher vor einem Kauf deutlich darauf hingewiesen werden, dass es sich um einen Kauf auf einem Online-Marktplatz und keinen Online-Shop handelt und welche Verantwortlichkeiten sich daraus ergeben.“
Laut Michaela Hildebrandt, Projektmanagerin beim DIN-Verbraucherrat, ergeben sich daraus „konkrete Handlungsempfehlungen für die Verbraucherpolitik“. Die Ergebnisse sollen dem BMUV zufolge in die „Normung im Bereich E-Commerce“ einfließen.
Auf Anfrage hat TECHBOOK folgendes Statement von dem Vzbv zum Thema Produktsicherheit und Rückrufe erhalten:
„Mit Inkrafttreten der Allgemeinen Produktsicherheitsverordnung (anwendbar seit dem 13. Dezember 2024) haben Betreiber von Online-Marktplätzen in der EU mehr Sorgfaltspflichten erhalten. Unter anderem gibt es eine verpflichtende Schnittstelle zum EU-Safety-Gate, auf dem Produktrückrufe gemeldet werden. Die Betreiber sind zudem verpflichtet, Verbraucher:innen aktiv über Produktrückrufe oder Sicherheitswarnungen sowie Abhilfemaßnahmen zu informieren. Sofern sie Kenntnis haben, dass Verbraucher:innen ein betreffendes Produkt über ihren Online-Marktplatz erworben haben, müssen sie die Betroffenen direkt informieren. Zusätzlich müssen sie entsprechende Informationen veröffentlichen.
Mit dem Digital Services Act und der allgemeinen Produktsicherheitsverordnung haben Betreiber von Online-Marktplätzen eine Reihe von Sorgfaltspflichten gegenüber den Nutzer:innen. Aus Sicht des vzbv spiegeln die Sorgfaltspflichten jedoch nicht die Bedeutung der Online-Marktplätze wieder [sic]. Ohne Online-Marktplätze würde eine Vielzahl nicht-konformer und gefährlicher Produkte nicht den Weg in den europäischen Binnenmarkt finden. Der vzbv setzt sich dafür ein, dass die neuen Regeln des Digital Services Acts und der Produktsicherheitsverordnung konsequent durchgesetzt werden und bestehende Schutzlücken schnellstmöglich geschlossen werden.“
Stefanie Grunert, Referentin im Team Recht und Handel des Verbraucherzentrale Bundesverbands
TECHBOOK hat zudem Amazon und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz um Stellungnahmen gebeten.