29. Januar 2020, 11:57 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Amazon hat den Mindestbestellwert für viele Produkte abgeschafft – zumindest für Prime-Kunden. Was einige Käufer sicherlich freuen wird, sorgt bei unserer Redakteurin Rita Deutschbein für Irritation. Denn die Billig-Offensive birgt Gefahren.
Mit den Amazon-Plus-Produkten bietet der Versandriese Waren des täglichen Bedarfs zu besonders günstigen Preisen an. Vom Küchenschwamm für 90 Cent bis hin zum 4er Pack Textmarker für 3,75 Euro deckt Amazon die verschiedensten Bereiche ab. Bislang konnten Plus-Artikel nur bestellt werden, wenn Käufer einen Mindestbestellwert von 20 Euro erreicht haben. Mit derartigen Sammelbestellungen hat Amazon die anfallenden Versandkosten relativiert und Kleinstbestellungen reduziert. Für Prime-Kunden gilt diese Bestellhürde ab sofort nicht mehr.
Paketbranche in Deutschland boomt
Bereits jetzt kaufen Kunden selbst Lebensmittel online, schließlich können sie damit rechnen, dass die Waren schnell und stressfrei direkt nach Hause geliefert werden. Der Weg in überfüllte Läden und das lange Anstehen an der Kasse entfällt. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass die Zahl der versendeten Pakete und Päckchen in Deutschland in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen ist. Allein 2018 wurden rund 3,5 Milliarden Sendungen verschickt, wie Statista berichtet. Und dieser Wert wird sich in den kommenden Jahren noch erhöhen – auf geschätzt 4,4 Milliarden Sendungen im Jahr 2023.
Die Online-Händler freut es, immerhin leben sie von den Kunden und ihren Bestellungen. Auch Amazon entwickelt seit Jahren immer neue Strategien, um Kunden für sich zu gewinnen und sie aus dem Einzelhandel abzuziehen. Doch die aktuelle Änderung geht meiner Meinung nach dann doch zu weit.
Amazon-Plus-Umstellung: Die Folgen
Waren Amazons Prime-Kunden bislang gezwungen, Plus-Produkte mit anderen Waren zu kombinieren, um auf den Mindestbestellwert von 20 Euro zu kommen, ist dies nun nicht mehr notwendig. Sie können jetzt sogar Cent-Artikel einzeln nach Bedarf bestellen und sparen sich den Weg in den Drogerie- oder Supermarkt. Dann kommt das Paket direkt nach Hause, das womöglich nur eine Shampooflasche oder ein Päckchen mit Pudding-Pulver beinhaltet. Da stellt sich die Frage: Muss das sein?
Bestellung bei Amazon: So dreist zockte ein Nutzer den Online-Händler ab
In Zeiten, in denen über Klimaschutz und Nachhaltigkeit diskutiert wird, macht es uns Amazon noch leichter zu bestellen, ohne nachzudenken. Dabei sollten wir bedenken, dass auch jede Shampooflasche von Mitarbeitern verpackt, in ein Auto geladen, zum Kunden gefahren und ausgeliefert werden muss. Die für den Besteller unsichtbaren Kosten, die für ein solches Euro-Produkt dann anfallen, sind weitaus höher als der eigentliche Warenwert. Und noch schlimmer: Der durch die Umstellung wahrscheinliche Anstieg an Mehr-Bestellungen über Amazon bedeutet mehr Pakete, die ausgeliefert werden wollen, ergo: weitere Lieferfahrzeuge auf den Straßen, die ohnehin schon voll genug sind. Von dem unnötigen Verpackungsmüll ganz zu schweigen.
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Bitte nicht noch mehr Bestellungen!
Auch ich bin seit 2005 aktiver Kunde bei Amazon und habe dort schon unzählige Bestellungen aufgegeben. Ich fand und finde es bequem, Produkte online zu bestellen und sie liefern zu lassen. Oft sind sie sogar etwas günstiger als im Einzelhandel, wodurch ich sparen kann. Logisch, schließlich müssen Amazon und Co. keine Ladenmieten zahlen und sparen sich auch die Mitarbeiterkosten vor Ort.
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Doch in letzter Zeit ertappe ich mich häufig dabei, dass ich vor der Aufgabe einer Bestellung zögere. Mir ist mittlerweile bewusst, was für einen Rattenschwanz eine einfache Bestellung meinerseits nach sich zieht. Und dabei wird mir unwohl. Ich möchte bewusster und nachhaltiger leben, was eben auch bedeutet, in manchen Bereichen auf Bequemlichkeit zu verzichten. Schließlich ist es für mich kaum ein Mehraufwand, in den Laden zu gehen und dort einzukaufen. Vor allem dann, wenn es um so alltägliche Dinge wie Hygieneartikel oder Lebensmittel geht. Für einige mag diese Einsicht sicherlich nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein, aber sie ist ein Anfang. Und genau das wünsche ich mir: dass auch andere Menschen bewusster (online) einkaufen und trotz der Änderung bei Amazon Plus nicht ins Gegenteilige verfallen und zusätzliche Kleinstbestellungen aufgeben, deren Kosten wir am Ende alle tragen.