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Rückblick

Amazon wird 30! Vom Buchgeschäft zum größten Online-Händler der Welt   

Amazon feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag
Amazon feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag Foto: picture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON
Lars Lubienetzki
Freier Redakteur

15. März 2024, 10:13 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Amazon feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag. Grund genug, auf den Werdegang des Unternehmens, das heute zu den größten Herstellern und Online-Händlern gehört, zurückzublicken.

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Große US-amerikanische Unternehmenserzählungen beginnen immer in einer Garage. Selbstverständlich auch die Geschichte von Amazon. Im Jahr 1994 gibt Jeff Bezos seinen sicheren und gut bezahlten Wall-Street-Job bei der Investmentbank D.E. Shaw & Co auf. Bücher möchte der studierte Informatiker verkaufen, und zwar online. Im damals noch sehr jungen Word Wide Web sieht Jeff Bezos im Onlinegeschäft neue Vertriebspotenziale. „Ich bestelle das eben schnell bei Amazon“, gehört heute, im Jahr 2024, zu den Sätzen, die aus unserem Online-Alltag nicht mehr wegzudenken sind. 30 Jahre nach der Gründung hat Jeff Bezos aus dem Garagenhandel mit Büchern das größte Online-Kaufhaus der Welt gebaut. Er selbst ist aber nicht mehr an der Spitze.

Bücher als Lockmittel

Warum ausgerechnet Bücher? Diese Frage bekommt Jeff Bezos später häufig gestellt. Seine Antwort: Weil es Bücher im Jahr 1994 millionenfach gibt, in den Buchläden vor Ort allerdings nur ein Bruchteil davon steht.

Bücher brauchen nicht viel Beratung, lassen sich einfach und schnell verschicken, sind in rauen Mengen vorhanden, und es kommen täglich neue Bücher hinzu. Das ideale Produkt für den Aufbau eines Online-Geschäfts im Internet. Jeff Bezos denkt damals noch nicht an die Weltherrschaft. Der Jung-Unternehmer möchte einfach nur zum beliebtesten Online-Buchhändler aufsteigen.

Die Kundschaft steht von Anfang an bei Amazon im Mittelpunkt. Mitbewerber interessieren Jeff Bezos nicht. Er ist felsenfest davon überzeugt, wer die Menschen mit den eigenen Produkten erfreut, hat automatisch Erfolg.

Damals, Mitte der 1990er-Jahre, gibt es einige Wettbewerber, die wie Amazon den Online-Vertrieb für sich entdecken. Viele davon versuchen es ebenfalls mit dem Versand von Büchern. Jeff Bezos verkauft über die eigene Plattform amazon.com das erste Buch im Juli 1995 – „Fluid Concepts and Creative Analogies: Computer Models of the Fundamental Mechanisms of Thought“ von Douglas R. Hofstadter. Angeblich besitzt der Käufer das Buch noch inklusive Originalverpackung. Heute vermutlich ein Vermögen wert.

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Gnadenloser Erfolg

Ursprünglich sollte das Unternehmen „Relentless“ heißen, frei übersetzt: gnadenlos. Der Name sei zu negativ, meinen seine Freunde. Zum Glück hört Jeff Bezos auf diesen Rat. Stattdessen kniet der Unternehmensgründer in den Anfängen gnadenlos engagiert auf dem Boden seiner Garage und verpackt die Bücherkartons eigenhändig.

Gnadenlos schnell stellt sich der Erfolg ein. Die Menschen ordern Bücher bei Amazon in riesigen Mengen. Die Umsätze steigen von 15,7 Millionen US-Dollar im Jahr 1996 auf knapp 150 Millionen US-Dollar nur ein Jahr später. Das Internet boomt. Die Kassen bei Amazon hören gar nicht mehr auf zu klingeln.

Die Garage ist selbstverständlich inzwischen gegen einen offiziellen Firmensitz getauscht worden. Jeff Bezos muss die Kartons nicht mehr selbst verpacken und verschicken. Inzwischen übernehmen das hunderte Amazon-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das Unternehmen wächst zunächst durch Zukäufe anderer Internet-Buchhändler. So entsteht auch die erste Firmenadresse in Deutschland im Jahr 1998. Die Übernahme von Telebook, dem damals führenden Online-Buchhändler in Deutschland, verschafft Amazon den Eintritt auf dem deutschen Markt.

Danach baut sich Amazon das Image des beliebtesten Online-Buchhändlers sehr schnell auch in Deutschland und im restlichen Europa auf. Weltweit arbeiten inzwischen mehrere tausend Menschen für das Unternehmen. Doch die junge Geschichte erfährt einen herben Dämpfer.

Vom Absturz zum Höhenflug

Anfang der 2000er-Jahre fällt der gesamte Internet-Hype auf einen Schlag in sich zusammen. Das Platzen der sogenannten Dotcom-Blase geht auch an Amazon nicht spurlos vorbei. Eine Antwort kennt zunächst auch Jeff Bezos nicht. Der Unternehmer überlegt.

Das Ergebnis seiner Überlegungen: Als Lehre aus der geplatzten Spekulationsblase und den daraus resultierenden massiven Umsatzeinbrüchen stellt Jeff Bezos Amazon breiter auf. Der Amazon Marketplace markiert im November 2000 den Grundstein für das spätere Imperium.

Das Unternehmen holt sich andere Händler mit ins Boot. Diese können unter dem Dach der beliebten Marke Amazon ihre eigenen Produkte auf einem Online-Marktplatz verkaufen. Somit erweitert sich das Sortiment um ein Vielfaches. Gleichzeitig profitiert Amazon von den Verkäufen der Drittanbieter über eine Vertriebsgebühr. Eine geniale Idee.

Da sich auch die Kunden weltweit an die URL amazon.com für Online-Bestellungen gewöhnt haben, kommt das neue Angebot sehr schnell und ausgesprochen gut an. Der Aufstieg zum größten Gemischtwarenkonzern der Welt beginnt.

Amazon Alexa, Kindle und Prime

Nach und nach baut Amazon seine Online-Plattform weiter aus, beginnt eine eigene Vertriebsschiene. Dazu zählen schon bald der Verkauf von CDs und DVDs, Computer samt Zubehör, Musikanlagen, Mediaplayer und Receiver sowie immer mehr Produkte des Alltags, kleine Haushaltsgeräte oder Ähnliches.

Aus dem Einzelgeschäft entsteht in den 2000er-Jahren ein ganzes Netzwerk an verschiedenen Unternehmen unter der Mutter Amazon. Die Cloud gewinnt an Bedeutung. Amazon gehört im Jahr 2006 zu den ersten Unternehmen, die mit Amazon Web Services eine Cloud-Infrastruktur mit Speichermöglichkeiten anbietet. Dabei hat der große Datenhunger noch nicht einmal begonnen. Amazon bietet bereits alles, um den schon bald einsetzenden Hunger der Menschen zu stillen.

Das Unternehmen flutet den Online-Markt mit immer neuen Produkten und Angeboten. Um E-Books besser zu vermarkten, entwickelt der Online-Händler zunächst den Kindle als praktisches Lesegerät. Kurze Zeit später kauft das Unternehmen den beliebten E-Book-Dienst Audible. Plötzlich schießt das bisher vor sich hin dümpelnde E-Book-Geschäft durch die Decke.

Als Apple in den frühen 2010er-Jahren Siri vorstellt, seine lauschende und sprechende Assistentin, wird Jeff Bezos hellhörig. Musik und Filme per Sprachbefehl abspielen oder den Wettbericht auf Zuruf abfragen, alles schön und gut.

Der Amazon-Gründer möchte allerdings eine Assistentin, die per Sprachsteuerung für die Menschen einkauft. Alexa erblickt das Licht der Welt. Die kauft selbstverständlich am liebsten nur in einem Laden ein, bei Amazon.

Als Streaming noch Video-on-Demand heißt, bietet Amazon Filme und Musik zum Download an. Daraus entsteht später das Streaming-Portal Amazon Prime. Wobei der Name Prime ursprünglich für eine schnellere Versandoption steht. Wer ein Prime-Abo bei Amazon abschließt und morgens bestellt, bekommt die Ware noch am selben Tag nach Hause geliefert. Das fühlt sich schon fast an wie richtiges Einkaufen im Laden vor Ort.

Lesen Sie auch: Nach diversen Anpassungen – für wen sich ein Amazon-Prime-Abo noch lohnt

Kritik am Amazon-Geschäftsmodell

Doch was der Amazon-Kundschaft einmalige Verkaufserlebnisse beschert, müssen andere Menschen bezahlen, die Arbeiter im Versand und vor allem die Paketfahrer auf der Straße. Kundenzufriedenheit funktioniert eben nur, wenn die Logistikkette dahinter ohne Unterbrechungen rattert.

Das ist die Schattenseite des Online-Handels und bietet die größte Angriffsfläche für Kritik an Amazon und anderen großen Online-Anbietern. Seit Jahren versucht die Gewerkschaft ver.di Amazon an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Es geht um menschwürdige Arbeitsbedingungen und eine auskömmliche Bezahlung der Amazon-Beschäftigten. Trotz unzähliger Streiks in den vergangenen Jahren arbeiten viele Menschen bei Amazon immer noch zu Bedingungen unterhalb des Mindestlohns. Zu Verhandlungen über Tariflöhne ist Amazon bis heute nicht bereit.

Zudem sei Amazon der Totengräber für den Einzelhandel in den Städten und Gemeinden, lautet ein weiterer Kritikpunkt. Wobei diese Kritik nur teilweise berechtigt erscheint. Denn niemand wird behaupten, Online-Handel sei eine schlechte Erfindung – im Gegenteil. Hier liegt das Problem sicherlich auch beim Einzelhandel selbst, der jahrzehntelang den Online-Handel ignoriert und neue Geschäftsideen auf die lange Bank geschoben hat.

Zuletzt erntet der gesamte Online-Handel eine Menge Kritik wegen der Gewinne in der Zeit der Corona-Pandemie. Die trifft das größte Online-Kaufhaus am stärksten. Denn die Angst vor dem Virus bescheren Amazon und Co. enorme Umsatzsteigerungen.

Wobei Amazon mehrfach von den Kontaktverboten profitiert. Denn Amazon ist nicht nur Einkaufsladen, sondern auch Kino und Stereoanlage sowie über die eigenen Clouddienste auch Büro, sehr nützlich im Homeoffice. Inzwischen sind die lauten Rufe aus der Politik nach einer Übergewinnsteuer wieder verstummt.

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Jeff Bezos hat den Abflug gemacht

Jeff Bezos bekommt von der Kritik zumindest im Tagesgeschäft sowieso nichts mehr mit. Seit Mitte 2021 heißt der neue Geschäftsführer Andrew R. „Andy“ Jassy. Jeff Bezos bekleidet seit dem Wechsel einen Platz im Aufsichtsrat. Stimmt nicht ganz.

Denn kurz nach seinem Ausstieg als CEO verabschiedet sich der Amazon-Gründer und Visionär erst einmal ins All, zumindest für ein paar Minuten. Über sein Unternehmen Blue Origin möchte Jeff Bezos auch andere, zahlungskräftige Menschen per Rakete ins All schießen. Über Sinn und Unsinn machen Sie sich bitte ihre eigenen Gedanken.

Die Entwicklung von Amazon gleicht ebenfalls einem Raketenflug, der nun schon seit 30 Jahren andauert. Der Buchladen in der Garage hat sich in einen Gemischtwarenkonzern verwandelt, für den weltweit mehr als 1,5 Millionen Menschen arbeiten. Der Umsatz von Amazon erreicht im abgelaufenen Jahr 2023 eine schwindelerregende Höhe von 575 Milliarden US-Dollar.

Bei aller berechtigter Kritik an dem Unternehmen, ohne Amazon gäbe es viele der heute gängigen Geschäftsmodelle im Internet nicht. Die Größe des Unternehmens gibt Anlass zur Sorge, keine Frage. Hier sollten und müssen Politik und Medien genau hinschauen, damit nicht nur die Amazon-Kundschaft erfreut ist. Es braucht politisches Handeln, damit Menschen bei Amazon und im gesamten Online-Handel endlich zu geregelten Zeiten arbeiten und dafür auch angemessen entlohnt werden. Das wäre gesellschaftlich höchst erfreulich.

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