28. Juni 2024, 11:11 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Amazon plant eine recht große Umstellung für seinen Online-Shop. In einem speziellen Bereich möchte man künftig günstige Produkte aus China bündeln. Was das genau bedeutet und welche Folgen das für Kunden haben könnte, verrät TECHBOOK.
Amazon betreibt einen der größten Online-Shops der Welt. Hier finden sich zahlreiche Produkte aus den unterschiedlichsten Kategorien – von Lebensmitteln, über Drogerieprodukte, Kleidung bis hin zu Elektronik und Großgeräten. Allerdings lässt sich seit einiger Zeit ein Trend erkennen, der vielen Kunden nicht gefällt: auf Amazon gibt es zunehmend billige Produkte aus China, die aufgrund ihrer Masse die Suche nach hochwertigen Waren erschweren. Doch genau hier könnte sich bald etwas ändern.
Übersicht
So funktioniert der Billig-Shop von Amazon
Wie das US-amerikanische Portal „CNBC“ berichtet, möchte sich Amazon keineswegs von den Billig-Produkten aus China verabschieden. Im Gegenteil. Der Online-Händler plant einen speziellen Bereich in seinem Shop, in dem diese Waren künftig gebündelt werden. Für die Händler aus China hätte das einige Vorteile. Denn sie können ihre Produkte dann direkt aus China an die Kunden senden, ohne den Umweg über die Amazon-Lager zu nehmen. Das spart Kosten und bietet Händlern die Flexibilität, auch kleinere Chargen anzubieten. Eine Lieferung von China in die USA soll etwa 9 bis 11 Tage dauern.
Allerdings kann nicht jeder Händler aus China seine Waren auf der neuen Shop-Präsenz von Amazon anbieten. Der Zutritt zum Programm erfolgt nur auf Einladung von Amazon. Im neuen Shop-Bereich sollen dann Produkte zu finden sein, die zum großen Teil unter 20 US-Dollar kosten und in der Regel ungebrandet sind.
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Amazon arbeitet noch stärker mit Händlern aus China zusammen
Shops wie Temu oder Shein setzen Amazon zunehmend unter Druck. Sie verkaufen nahezu ausschließlich günstige Waren aus China, die zum Teil auch auf Nachfrage produziert werden. Die chinesischen Hersteller sparen sich dadurch Lagerkosten, da sie direkt auf die Verkaufszahlen reagieren können – eine Möglichkeit, die die Händler durch die Direktlieferung von China auch bei Amazon bekommen.
Doch nicht nur mit dem neuen Shop-Bereich, sondern auch in weiteren Belangen möchte Amazon näher an China rücken und für dort ansässige Händler attraktiver werden. Im Dezember 2023 kündigte das Unternehmen bereits die Eröffnung eines neuen „Innovationszentrums“ in Shenzhen an. Außerdem senkte Amazon Gebühren, die Händler zahlen müssen, wenn sie Kleidung zu einem Preis von unter 20 US-Dollar verkaufen.
Schon jetzt stammt ein Großteil der auf Amazon angebotenen Waren aus China. Amazon selbst gab bekannt, dass die Zahl der 2023 im eigenen Shop verkauften chinesischen Produkte im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Prozent gestiegen sei. Die Zahl der chinesischen Händler mit Umsätzen von mehr als 10 Millionen US-Dollar stieg demnach sogar um mehr als 30 Prozent.
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Kunden kritisieren Massen-Produkte aus China
Die schiere Masse an Billig-Waren aus China stößt jedoch auch auf Kritik bei Amazon-Kunden. Sie bemängeln beispielsweise, dass diese Produkte nicht immer die gewünschte Qualität bieten. In China herrschen andere Standards, daher muss man beim Kauf umso mehr auf Qualitätsmerkmale wie beispielsweise CE-Siegel achten. Hinzu kommt, dass Produkte je nach Kategorie in zahlreichen Kopien, mit unterschiedlichen Bezeichnungen und von verschiedenen Händlern vorkommen können und somit kaum zu unterscheiden sind. Wenn Produkte künftig direkt aus China und nicht mehr über Amazon geliefert werden, stellt sich zudem die Frage, wie das mit den Rücksendungen ablaufen soll. Müssen Kunden für die Retoure nach China dann selbst zahlen? Das dürfte sich bei diesen günstigen Produkten meist nicht lohnen.
Statt jedoch die aus China stammenden Billig-Waren einzudämmen, baut Amazon das Angebot noch aus. Eine Chance für Kunden ergibt sich aus den Plänen aber: Sollte Amazon die genannten Produkte aus dem eigentlichen Shop entfernen und künftig nur noch im geplanten Billig-Shop-Bereich anbieten, würde das für mehr Durchblick und Ordnung im restlichen Angebot sorgen. Ob Amazon das so allerdings umsetzt, ist derzeit offen.
Wir haben diesbezüglich und auch bezüglich der Pläne für Europa beim Händlern nachgefragt, allerdings keine konkrete Antwort bekommen. Ein Sprecher sagte gegenüber TECHBOOK lediglich: „Wir suchen stets nach neuen Möglichkeiten, mit unseren Vertriebspartnern zusammenzuarbeiten, um unsere Kunden mit mehr Auswahl, niedrigeren Preisen und mehr Komfort zu begeistern.“
Wann genau Amazon den neuen Billig-Shop startet, ist ebenfalls nicht bekannt. Allerdings kündigte das Unternehmen an, für das Projekt bereits in diesem Herbst erste Produkte aus China anzunehmen.
Hoffentlich macht es Amazon richtig!
„Als ich von den Plänen von Amazon erfahren habe, künftig einen dedizierten Bereich für günstige Waren aus China einzurichten, war ich schockiert. Ich finde die Anzahl an qualitativ minderwertigen Billig-Waren auf Amazon jetzt schon deutlich zu hoch. Mit meiner Meinung bin ich nicht allein. Viele Kollegen und Freunde sagen im Gespräch, dass sie aufgrund der Billig-Produkte kaum noch auf Amazon shoppen. Gute Waren finden sich nämlich nur noch selten und die Suche nach ihnen wird zunehmend schwieriger.
Wenn Amazon nun also den neuen Shop-Bereich startet, kann das meiner Meinung nach in zwei Richtungen laufen. Entweder, die Billig-Waren aus China nehmen noch mehr zu und finden sich künftig nicht nur im eigentlichen Shop, sondern auch in ihrem speziellen Bereich. Oder – und das würde ich mir wünschen – Amazon holt sie aus dem Hauptbereich und listet sie ausschließlich im neuen Billig-Shop.
Am Ende bleibt dennoch die Frage, ob sich Amazon langfristig mit der Kultur der Billig-Waren einen Gefallen tut. Konkurrenten wie Shein und Temu stehen immerhin vor allem deswegen in der Kritik.“