25. November 2024, 8:11 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Mit Wero wurde eine aus Europa stammende Alternative zu PayPal geschaffen. Nach und nach werden dessen Funktionen und Zugriffsmöglichkeiten erweitert. TECHBOOK erklärt, was die Alternative zu PayPal, Visa und Co. zu bieten hat.
Wer sich bei einem Online-Händler an die virtuelle Kasse stellt, hat oft ein ganzes Dutzend an Zahlungsmöglichkeiten zur Wahl. Ob per Kreditkarte, auf Rechnung, via Klarna, Amazon Pay, Apple Pay, Google Pay – die Auswahl ist riesig. An der Supermarktkasse kann man in der Regel mit Kredit-, Debit- oder Girokarte zahlen, egal ob in physischer oder digitaler Form. Schuldet man Freunden Geld, kann man die Rechnung per PayPal-Sofortüberweisung begleichen. Ach ja, Bargeld gibt es natürlich auch noch. Doch seit dem 2. Juli gesellt sich ein weiterer Anbieter zu dieser langen Liste hinzu: EPI und der dazugehörige Dienst „Wero“.
Übersicht
Eine europäische Idee, umgesetzt in drei Ländern
EPI steht für European Payments Initiative und verrät damit gleich zwei Besonderheiten des neuen Bezahldienstes. Anders als bekannte US-amerikanische Anbieter wie PayPal oder Visa ist EPI ein europäisches Projekt. Statt nur ein weiterer Dienstleister auf dem Markt zu sein, besteht EPI aus 16 europäischen Banken und Finanzdienstleistern. Gemeinsam wollen sie mit ihrer App Wero einen neuen europäischen Standard im Zahlungsverkehr setzen. Ein besonderer Fokus liegt auf der angestrebten Einheitlichkeit.
Seit 2020 arbeitet die EPI Interim Company SE an diesem ehrgeizigen Projekt und musste seitdem einige Rückschläge einstecken. Von den 31 Banken und zwei Zahlungsdienstleistern, die sich ursprünglich zusammengeschlossen hatten, sind nur noch 16 übrig geblieben. Zu teuer sei die Investition, nicht überzeugend genug das Ziel. Neben einigen kleineren spanischen Kreditinstituten gehört auch die Commerzbank zu jenen, die sich verabschiedet haben. Mittlerweile setzt sich EPI vor allem aus deutschen, französischen und niederländischen Banken zusammen. Dazu gehören unter anderem die französische BNP Paribas und Société Générale, die niederländische ABN Amro und ING und die Deutsche Sparkasse (DSGV) sowie die DZ Bank, die zur Volksbank Raiffeisenbanken gehört.
Start von Wero verzögerte sich
Nachdem sich der für 2023 angekündigte Start nach hinten verschoben hatte, kündigte Joachim Schmalzl, Vorsitzender des EPI-Verwaltungsrates und Vorstandsmitglied des DSGV an: „Wir werden die Handy-zu-Handy-Zahlungen im Juni 2024 breit nach außen geben mit einem Aufschlag in Deutschland, Belgien und Frankreich und im nächsten Jahr kommt dann das volle Programm.“ Die Niederlande sollen als nächstes Land folgen. Den Termin im Juni konnte man allerdings nicht einhalten – der Start erfolgte stattdessen am 2. Juli 2024.
Seither lassen sich über Wero Handy-zu-Handy-Zahlungen durchführen. Zum Start mit dabei waren rund 85 Prozent der Sparkassen, der überwiegende Teil der Volks- und Raiffeisenbanken sowie die belgische Bank KBC. Mittlerweile ist die Anzahl der Banken, die Wero anbieten, jedoch erweitert worden. Auf der Website des Anbieters lassen sie sich einsehen.
Bislang integrierten die Banken den Dienst jedoch ausschließlich in ihrer jeweiligen Banking-App. Zentral für den Erfolg von Wero ist jedoch nicht nur die Verfügbarkeit des Bezahldienstes in den Apps anderer Banken, sondern auch über eine eigene Anwendung. Ursprünglich war deren Start für Ende August vorgesehen. Der Termin konnte aber nicht eingehalten werden.
Es hat bis zum heutigen 25. November gedauert, bis die App von Wero verfügbar war. „Wir gehen am Montag live mit Postbank bei der Wero-App“, kündigte Dominik Hennen, Chef des deutschen Massenkundengeschäfts der Deutschen Bank, den Start der App Ende vergangener Woche an.
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Schrittweise Ausbau von Weros Funktionen
Die App fungiert als eine Art Wallet mit Zusatzfunktionen. Ab dem zweiten Halbjahr 2025 sollen über sie auch Zahlungen in Online-Shops sowie Online-Dienstleistern und später zudem an der Ladenkasse möglich sein. Dann möchten auch die Deutsche Bank sowie die Direktbank ING zu Wero stoßen.
Perspektivisch möchte man verschiedene Zahlungsmöglichkeiten unter einem Dienstleister und in einer App vereinen. Dazu gehören physische wie digitale Kartenzahlungen, (Sofort-)Überweisungen, Buy-now-pay-later und mobiles Bezahlen per App. Die Bankeninitiative EPI tritt damit zu nahezu allen anderen Bezahldienstleistern wie PayPal und Visa in Konkurrenz. Einerseits soll Europa damit eine größere Unabhängigkeit von US-amerikanischen Anbietern gewinnen. Andererseits will EPI eine international einheitliche Alternative zu den verschiedenen nationalen Bezahlsystemen – wie etwa der Girocard in Deutschland – anbieten.
Laut eigener Aussage plant die EPI, dass Wero grundsätzlich nicht nur Transaktionen ermöglicht, sondern auch digitale Identitätsüberprüfung (e-ID) und Payback-Programme beinhalten soll. Darüber hinaus verspricht sich die EPI eine noch größere Verbreitung des bargeldlosen Bezahlens.
Wero hat bislang rund 14 Millionen registrierte Nutzer; ein Großteil davon stammt aus Frankreich, so EPI-Chefin Martina Weimert.
Probleme mit der Namensgebung
EPIs Wero ist nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen – und im Playstore bereits verfügbaren – App von Wero GmbH & KG. Hierbei handelt es sich um einen Online-Großhändler für Erste-Hilfe-Ausrüstungen, Arbeitsschutz-Equipment und Hygieneausstattungen. Diese Namensdopplung erscheint etwas unglücklich, doch bei der EPI hat man sich durchaus umfassend Gedanken gemacht:
„Die Wahl des Namens Wero war ein sorgfältiger Prozess, der umfangreiche Untersuchungen sowie quantitatives und qualitatives Feedback von Verbrauchern umfasste“, heißt es auf der Website. ‚We‘, englisch für ‚wir‘, soll das europäische Kollektiv betonen, während ‚ero‘ auf die Währung Euro verweist. „Und schließlich ist Wero nahe an ‚vero‘, was in den romanischen Sprachen ‚wahr‘ bedeutet.“ Ob Wero aber wirklich das Wahre ist, wird sich im Laufe des Jahres zeigen.
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Braucht Europa Wero wirklich?
Damit Wero wirklich eine paneuropäische Lösung ist, muss der Dienst mittelfristig mindestens in allen EU-Mitgliedsstaaten verfügbar sein. Bis dahin dürfte es noch ein weiter Weg sein. Doch selbst dann bleibt die Frage, ob Wero für die Endkunden genug Anreize bietet, um Visa, PayPal und Co. den Rücken zu kehren. Wer beispielsweise gelegentlich im außereuropäischen Ausland unterwegs ist, wird auf die Vorteile einer Visa Card nicht verzichten wollen. Auch wenn Online-Händler Wero in ihre Bezahl-Standards aufnehmen, bleibt er für die Kunden ein Dienst von vielen. Eine echte Marktlücke bedient die App aus Verbraucherperspektive nicht.
Auch Commerzbank-Vorstand Thomas Schaufler gab sich nicht überzeugt: „Als Verbraucher sehe ich persönlich keinen Bedarf für ein neues Bezahlsystem. Ich habe noch nicht erkannt, welches Problem EPI lösen soll: Die bestehenden Bezahlsysteme funktionieren doch“, kommentierte er Ende 2023. Sicherlich kann ein weiterer Bezahldienst den Wettbewerb fördern und womöglich wird Europa eine größere Unabhängigkeit von ausländischen Anbietern eines Tages zunutze kommen. In den kommenden Monaten und Jahren wird sich EPI mit seiner App Wero den Kunden gegenüber behaupten müssen.