
11. Januar 2025, 8:45 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Rachel Geyer ist Vizepräsidentin und Sprecherin von Terahash.Space. Als Co-Founderin von Les Femmes Orange und als Vice Chair der European Bitcoin Energy Association (EBEA) befasst sie sich von drei verschiedenen Seiten aus intensiv mit dem Thema Bitcoin. Mit TECHBOOK hat sie im Interview über ihre Leidenschaft zur Kryptowährung, ihren Werdegang und ihre Erfahrungen in diesem Bereich gesprochen.
Die Deutsche mit britischen Wurzeln kam 2017 durch ihren ältesten Sohn erstmals mit dem Thema Bitcoin in Berührung. Für sie bedeutet die Kryptowährung Sicherheit und Freiheit. Rachel Geyer ist eine der wenigen Frauen in der Bitcoin-Community und hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihnen das Thema Bitcoin näherzubringen.
Frau Geyer, Sie beleuchten das Thema Bitcoin von unterschiedlichen Seiten. Wie unterscheiden und ergänzen sich diese in Ihrer Tätigkeit?
Es ist für mich sehr schwer, diese Dinge zu trennen, denn sie helfen einander enorm. Meine bezahlte Arbeit ist bei Terahash, einer Firma, die Dienstleistungen rund um das Bitcoin-Mining anbietet. Aber alles ergänzt sich wunderbar. Les Femmes Orange, das ist Bitcoin-Bildung made by women. Es wächst unheimlich schnell. Das ist gar kein Verein und auch keine Firma, das ist wirklich ein Netzwerk. Durch die dortigen Begegnungen stoße ich auf spannende Leute, die dann auch wieder für Terahash oder für die EBEA interessant sind. Die European Bitcoin Energy Association hat es sich auf die Fahnen geschrieben, Politikern und Regulierern auf europäischer Ebene Wissen in Bezug auf Bitcoin-Mining zu vermitteln.
Deutschland hat beim Thema Bitcoin zwei ganz verschiedene Seiten
Und wo in diesem europäischen Kontext steht Deutschland? Führt es oder bremst es?
Da gibt es zwei ganz verschiedene Seiten. Wenn man auf einer Weltkarte danach Ausschau hält, wo die Bitcoin-Nodes am aktivsten sind, dann ist es in Deutschland! Und ich weiß aus erster Hand, wie viel hinter den Kulissen in Deutschland passiert. Es ist ein Land der Ingenieure, die gern tüfteln. Das ist sehr nützlich beim Bitcoin-Mining. Ich bin gebürtige Engländerin und bin nach dem Brexit Deutsche geworden und sehr stolz darauf. Was ich an den Deutschen so liebe, ist ihr Fleiß und diese Mentalität, die nach Lösungen sucht. Auf politischer Ebene sieht es anders aus, da ist Deutschland leider immer ein wenig hintendran.
Da kann man manchmal verzweifeln. Nur ein Beispiel: Viele haben wahrscheinlich von den beschlagnahmten Bitcoins gehört, die der Freistaat Sachsen zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkauft und damit – Stand jetzt – weit über eine Milliarde Euro verschenkt hat.
Welcher Teil von Deutschland ist im Hinblick auf Bitcoin besonders aktiv? Lässt sich das sagen?
Berlin empfinde ich als deutsche Hauptstadt des Lightning-Networks. Lightning ist ein sogenannter Second Layer auf der Blockchain, mit dem sich Bitcoin skalieren lässt. Transaktionen werden also schneller. Die Bitcoin-Blockchain selbst ist sehr langsam und das ist auch so gewollt. Durch diese Langsamkeit ist die Blockchain sozusagen sehr sicher.
Denn von jeder Node, also von jedem Bitcoin-Computer auf der Erde, werden Transaktionen kontrolliert. Das braucht eine gewisse Zeit. Um das Ganze nun aber so zu skalieren, dass irgendwann 8 Milliarden Leute Zahlungen mit Bitcoin abwickeln können, brauchen wir eine zweite Ebene. Und dazu dient zum Beispiel das Lightning-Network. Es gibt viele Firmen in Deutschland, die mit dem Lightning-Network arbeiten und ganz tolle Produkte herstellen. Wir sind jetzt in der Phase, die ich Chicken & Egg nenne. Wir brauchen einerseits die Nutzer, damit die Produkte kommen. Aber die Nutzer benötigen andererseits auch die Produkte, damit sie Zugang zu Bitcoin finden.
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„Ich habe noch nie so viel studiert in meinem Leben“
Wie haben Sie selbst Zugang zu Bitcoin gefunden?
2017 habe ich in Südafrika gelebt. Und mein ältester Sohn Patrick, der damals in London lebte, kam zu mir und hat gesagt: Mom, du musst dir unbedingt Bitcoin anschauen. Und ich habe dann gesagt, ich habe keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Da mein Sohn aber nicht locker ließ, wurde irgendwann ein innerfamiliärer Chat eingerichtet, der nur für Bitcoin-Themen da war. Verschiedene Familienmitglieder waren dort sehr aktiv, aber ich hatte immer noch keine Zeit. Dann kam die Pandemie. Wir mussten Südafrika schlagartig verlassen und ich musste meine Firma aufgeben. Auf einmal hatte ich Zeit. Also habe ich angefangen, Bücher zu lesen und Podcasts zu hören. Und ich bin immer tiefer und tiefer in das Bitcoin-Thema eingestiegen. Ich habe noch nie so viel studiert in meinem Leben. Nicht mal bei meinem Uni-Abschluss. An einem bestimmten Punkt habe ich dann gewusst, ich muss für Bitcoin arbeiten. Dann habe ich gedacht: Wie kann ich das machen? Ich bin schließlich keine Programmiererin. Und so habe ich ein unbezahltes Praktikum bei einer Mining-Firma begonnen. Außerdem bin ich auf so viele Bitcoin-Events gegangen wie möglich. So landete ich schließlich bei Terahash.
Satoshi Nakamoto bleibt das mysteriöse Gesicht hinter Bitcoin. Was denken Sie persönlich? Wer verbirgt sich hinter diesem Pseudonym oder ist Satoshi Nakamoto vielleicht sogar ein Kollektiv?
Wir wissen, dass Bitcoin nicht über Nacht erschienen ist. Das ist die Arbeit von 30 Jahren von verschiedenen Leuten. Aber Satoshi Nakamoto, wer auch immer er ist, hat die letzten beiden Probleme gelöst, um eine funktionierende Kryptowährung zu schaffen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es ein Mann ist. Schließlich sind die Core-Entwickler fast alle Männer. Die genaue Identität ist mir ehrlich gesagt egal. Und ich glaube, es ist auch wichtig, dass es egal ist. Denn er hat es so clever konstruiert, dass seine Person keine Rolle spielt. Und das zeigt einfach Größe. Dass da jemand bereit war, gar nicht erst ins Rampenlicht zu treten. Satoshi Nakamoto hat uns seinen Code hinterlassen und das ist das Wichtigste. Es ist egal, wer hinter diesem Code steht.
„Bitcoin-Mining ist ein globaler Kampf, den diejenigen mit den billigsten Strompreisen gewinnen“
Bitcoin steht oft in der Kritik wegen seines hohen Energieverbrauchs. Wie stehen Sie zu dieser Kritik? Und sehen Sie möglicherweise Lösungen, um den Energieverbrauch zu senken?
Bitcoin wird zukünftig nicht weniger, sondern mehr Energie verbrauchen. Je mehr Leute in dieses Netzwerk kommen, desto mehr Anreize gibt es, Bitcoin zu minen. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass Bitcoin irgendwann weniger Energie verbrauchen wird. Es geht eher darum, welche Energie verbraucht wird. Und darum, ob es das wert ist. Genau hierum dreht sich unsere Arbeit bei TeraHash und auch bei der EBEA. Wir möchten herausfinden, wie Bitcoin bei der Energiewende helfen kann.
Bitcoin-Mining ist ein globaler Kampf, den diejenigen mit den billigsten Strompreisen gewinnen werden. Weil europäischer Strom sehr teuer ist, müssen wir viel effizienter sein. Wie könnte das konkret aussehen? Das Stromnetz braucht kontinuierlich 50 Hertz, aber erneuerbare Energien fluktuieren. Manchmal hat man Sonne, manchmal nicht. Manchmal hat man Wind, manchmal nicht. Es ist extrem schwierig, das Netz stabil bei 50 Hertz zu halten. Und da ist Bitcoin-Mining eine unglaubliche Hilfe. Die Mining-Computer laufen, solange der Strom billig ist. Und wenn der Strom zu teuer wird, lohnt es sich nicht mehr. Deswegen können Netzbetreiber Bitcoin-Mining gezielt einsetzen, um überschüssige Energie zu nutzen und damit für Netzstabilität bei Produktionsspitzen zu sorgen.
Ein zweiter wichtiger Aspekt ist der Ausbau von erneuerbaren Energien. Betreibt man eine Solar-Farm oder eine Wind-Farm, so dauert es oft Jahre, bis man ans Netz angeschlossen wird. In dieser Phase hat man keine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Mit mobilen Bitcoin-Minern kann man den Strom vor Ort abnehmen, bis er eines Tages zu einem höheren Preis ins Netz verkauft werden kann. Das gibt zusätzliche Anreize für Solar- und Windparkbetreiber.
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„Ich verstehe Leute, die lieber etwas in der Hand halten, als einem digitalen Wert zu vertrauen“
Der programmierte Bitcoin-Halving-Zyklus hat den Preis stets am meisten beeinflusst. Glauben Sie, dass dieser 4-Jahres-Zyklus in Zukunft weiterhin im Rhythmus von Bullen- und Bärenmarkt abläuft? Oder wird der Bitcoin-Kurs mehr und mehr von institutionellen Investoren oder vielleicht sogar von der Politik bestimmt?
Niemand kann den Preis von Bitcoin vorhersagen. Ich glaube, dass die Volatilität sinken wird und die Bären-Märkte zukünftig schwächer ausfallen werden. Dabei helfen sicher auch die politischen Umstände. Wer hätte gedacht, dass in den USA ein Präsident gewählt wird, der für Bitcoin ist? Ich weiß nicht, wie viel Trump selbst davon versteht. Aber ich sehe, dass er eine Mannschaft um sich herum aufgebaut hat, die sich auskennt.
Star-Investor Warren Buffett hat Bitcoin einmal als „Rattengift zum Quadrat“ bezeichnet und erklärt immer wieder, er würde keinen Cent für Bitcoin bezahlen. Stand heute ist ein Bitcoin über 90.000 US-Dollar wert. Wie erklären Sie sich, dass erfahrene Finanzgrößen den Wert von Bitcoin weiterhin missverstehen?
Ich glaube, es sind zwei Sachen. Das Alter spielt schon eine Rolle. Mein Haar ist auch schon grau und ich bin nicht mehr die Jüngste. Deshalb verstehe ich, dass es Leute gibt, die lieber etwas in der Hand halten, als einem digitalen Wert zu vertrauen. Aber das Leben wird nun einmal immer digitaler und so ergibt eine digitale Währung durchaus Sinn. Zweitens glaube ich aber auch, es gibt gute Gründe, warum manche Leute Bitcoin ganz demonstrativ nicht verstehen wollen. Sie profitieren oft vom jetzigen Finanzsystem und sind an einer Alternative nicht interessiert.

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Thema Krypto gehört auch in die Schule
In Ihrem LinkedIn-Profil steht an erster Stelle „Mutter“. Sollte es Blockchain-Bildung bereits in Schulen geben? Wie kann Bildung im Bereich Geld und Kryptowährungen überhaupt organisiert werden?
Wie Geld funktioniert, wird in der Schule nicht unterrichtet. Ich habe zwar BWL studiert und dennoch habe ich lange Zeit nicht genau verstanden, auf welche Weise Geld geschaffen wird. Wie kann es sein, dass wir so wenig darüber wissen? Ich glaube, dass Bildung in Bezug auf Geld schon in der Kindheit beginnen sollte. Meiner Meinung nach sind es in erster Linie die Eltern, die hier gefragt sind. Aber natürlich gehört das Thema auch in die Schule.
In meinem Fall lief es umgekehrt: Meine Kinder haben mir die Grundlagen von Bitcoin nahegebracht.
Was würden Sie jemandem raten, der gerade erst in Bitcoin einsteigen möchte?
Ich würde dazu raten, Bitcoin zu studieren. Ich rate niemandem, Bitcoin einfach so zu kaufen. Oft sage ich: verstehe erst einmal, wie das jetzige Geldsystem funktioniert und verstehe, was die Vorzüge von Bitcoin sind. Mach dir dein eigenes Bild. Oft fragen mich Leute, wie viel soll ich investieren? Wie kann ich das sagen? Für mich persönlich sind Immobilien und auch der Euro riskanter. Ich rate dazu, Bücher zu lesen und sich eine eigene Meinung zu bilden.