
30. März 2025, 16:24 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In den 90ern und früheren 2000ern gab es eine Vielzahl von legendären Internet-Unternehmen. Altavista, Napster, ICQ oder Second Life waren einst extrem populäre Online-Dienste, ohne die kaum einer auskam. Doch was ist aus den Größen der digitalen Frühzeit geworden?
Sie waren die Überflieger der Online-Dienste der 90er-Jahre oder als Standardprogramm auf jedem Rechner installiert. Mittlerweile sind sie bedeutungslos oder komplett verschwunden: Viele Internet-Unternehmen, aber auch Programme aus den Frühjahren des Internets sind mittlerweile Geschichte. Eine Erinnerungsrunde:
Übersicht
Second Life – Vorgänger von Facebooks Metaversum
„Second Life war eine revolutionäre Idee, ein soziales Netzwerk in eine virtuelle Welt zu verlagern“, sagte Timm Lutter vom IT-Verband Bitkom. Als 3D-Avatare bewegen sich die Nutzer durch virtuelle Welten. Das Angebot des US-Unternehmens Linden Lab ging 2003 an den Start. Der Online-Dienst war in den frühen 2000ern eine Ausnahmeerscheinung. Doch nach einem anfänglichen Hype war es schnell still um Second Life geworden.
„Wahrscheinlich kam die Idee aber zu früh, die verbreitete Technologie wie Internetbandbreite und Grafik war noch nicht weit genug fortgeschritten, damit das Second Life dauerhaft für viele Menschen attraktiv gewesen wäre“, so der Experte. Das Netzwerk ist noch immer online, doch die Nutzerzahlen sind über die Jahre dramatisch zurückgegangen. Während man zu Hochzeiten etwa eine Million wiederkehrende User verzeichnen konnte, soll es mit Stand vom März 2025 nur noch knapp 18.000 tägliche Nutzer geben. Second Life erinnert zudem stark an die jetzt von Mark Zuckerberg beworbene Idee eines Metaversums. Ähnlich scheint es auch mit den Zukunftsaussichten des neuen Projektes – bis jetzt verzeichnet der Meta-Konzern nur Verluste und wenige Nutzerzahlen mit seinem Projekt.
Was passierte mit Netscape?
Lange vor Firefox, Chrome & Co war Netscape der Standardbrowser schlechthin. „Mitte der 1990er-Jahre hatte Netscape einen Marktanteil von 80 Prozent“, erklärt der Bremer Historiker Daniel Crueger, der die digitale Geschichte und ihr kulturelles Erbe erforscht. Doch: „1995 begann mit der Markteinführung des Microsoft Internet Explorers der sogenannte erste Browserkrieg, für den Microsoft erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen sowie die Marktmacht seines Betriebssystems Windows mobilisierte“, so der Experte.
Netscape konnte diesen ungleichen Kampf nicht gewinnen: „2003 war der Marktanteil von Netscape auf weniger als 4 Prozent gesunken, der Internet Explorer hatte über 95 Prozent erreicht.“ Von AOL zwischenzeitlich übernommen, wurde der Browser 2008 in seiner bekannten Form eingestellt. Jedoch vertreibt AOL (jetzt Teil von Yahoo) bis heute unter dem Namen einen günstigen Internet-Provider, durch den immer noch ein Browser namens Netscape existiert. Auch ein gleichnamiges Portal gibt es.

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Wer kennt noch den Realplayer?
Der Realplayer und das gleichnamige Format war für alle Systeme verfügbar und brachte Mitte der 1990er-Jahre zwei Vorteile: Es ermöglichte eine starke Datenkomprimierung, was in den frühen Tagen des Internets mit begrenzter Bandbreite von großer Bedeutung war.
Zudem eignete es sich besser für Live-Übertragungen von Video und Audio als konkurrierende Formate wie QuickTime und MPEG. Letztlich verdrängte das Flash-Format den Player. Der Realplayer existiert heute immer noch in einer aktuellen Variante.
Der Vorgänger von Google hieß Altavista
Die Suchmaschine ging 1995 online und war jahrelang Marktführer. „Altavista hat seine Suchergebnisse vor allem aus den sogenannten Meta-Daten einer Website erstellt, das heißt etwa auf Grundlage von Seitentiteln oder vom Autor vergebener Stichwörter“, erklärt Lutter.
Heute ist der Online-Dienst aus den 90er-Jahren fast vergessen. Denn 1998 startete die Suchmaschine mit dem einprägsamen Namen Google und machte es besser. Anders als Altavista analysiert Google den Gesamttext einer Seite. Für Altavista ging es stetig bergab, bis der letzte Besitzer Yahoo die Suchmaschine nach mehreren Verkäufen 2013 abstellte.
StudiVZ war das deutsche Facebook von 2005
Ursprünglich als Studenten-Netzwerk konzipiert und dann ausgeweitet, war StudiVZ zur richtigen Zeit am richtigen Ort: „Als der Online-Dienst Mitte der 2000er ans Netz ging, war die Epoche von Social Media soeben angebrochen, deutschsprachige Angebote fehlten aber noch weitgehend“, sagt Crueger.
StudiVZ war für eine ganze Generation der Social-Media-Erstkontakt, und zu ihrer Hochzeit hatte die VZ-Gruppe rund 16 Millionen aktive Nutzer. „Dass nach dem Hype dann der tiefe Fall kam, hat seine Gründe wohl nicht zuletzt in der inhaltlich starken und finanzkräftigen Konkurrenz durch Facebook“.
„Während Facebook optisch und technisch davonzog, herrschte bei StudiVZ auf Software-Seite in einer kritischen Phase Stagnation“, sagt der Experte Stephan Dörner. Die wachsende Nutzerzahl und Internationalität von Facebook führte dann zur Verwaisung zahlloser StudiVZ-Accounts. Am 31. März 2022 wurde die Plattform abgeschaltet.

ICQ – Chat mit der Blume
Der Messenger ging 1996 an den Start und blieb in seiner Hochzeit mehr als 470 Millionen Nutzern weltweit mit seinem einprägsamen „Uh-oh“ beim Eingang neuer Chat-Nachrichten in den Ohren hängen. Er war damit einer der beliebtesten Online-Dienste der 90er. ICQ verpasste aber die aufkeimende Smartphone-Revolution und war erst seit 2010 mobil nutzbar. Zusätzliche Konkurrenz kam mit diversen Social-Media-Angeboten.
Es dauerte aber, bis der Dienst endgültig verschwand: „ICQ illustriert sehr gut, dass im World Wide Web parallel verschiedene Nutzungskulturen bestehen, die sich geografisch oder sprachlich voneinander abgrenzen lassen“, erklärt Crueger. Zwar sei ICQ zuvor aus unserer Wahrnehmung verschwunden, in Russland aber stark geblieben und „sogar enorm prägend für die dortige Webkultur“ gewesen. 2024 war dann aber endgültig Schluss.
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Napster unterlag Spotify
Der Online-Dienst Napster machte Ende der 90er das Musik-Filesharing völlig ungeachtet der Rechtslage zu einem weltumspannenden Phänomen. Die Musiktauschbörse etablierte 1999 das Audio-Format MP3. „Kostenlose Musikdateien nach Wunsch, mit diesem Angebot wurde Napster zwischenzeitlich zur am schnellsten wachsenden Web-Community“, sagt Crueger. Kurz vor seinem Ende im Februar 2001 hatte der Dienst weltweit 80 Millionen Nutzer.
„Doch Napster kostete der Musikindustrie immensen Umsatz, weshalb diese sich juristisch nach Kräften gegen den Dienst wehrte“ – am Ende erfolgreich. Nach der Insolvenz wurde der Markenname mehrfach weiterverkauft und wurde zuletzt von einem kostenpflichtigen Musik-Streamingdienst geführt.
Jetzt im März 2025 wechselt die Marke abermals ihren Besitzer. Wie unter anderem „VentureBeat“ berichtet, übernimmt Infinite Reality den Dienst für schlappe 207 Millionen US-Dollar. Anschließend plant man, die Plattform zu mehr zu machen als nur einem Streaming-Dienst für Musik.
Das Angebot soll um ein interaktives und immersives Element erweitert werden, indem Künstler eigene virtuelle Räume erschaffen können. In diesen sollen Fans an Konzerten teilnehmen, gemeinsam Musik hören oder sogar mit den Künstlern direkt interagieren können. Exklusive Inhalte und die Möglichkeit, Merchandise zu verkaufen, sollen gegeben sein.
Direkt im Browser Kultiger MP3-Player Winamp ist zurück!

Ende einer Ära Kultiges Chat-Programm ICQ endgültig eingestellt

Debut als App Was wurde eigentlich aus dem Media-Player Winamp?
Was wurde aus Winamp?
Der kostenlose, schlanke Musik- und Video-Player etablierte sich nach Erscheinen im Jahr 1997 rasch als Quasi-Standard. AOL wollte von dem Erfolg profitieren und kaufte das Unternehmen 1999. Neuere, immer stärker überfrachtete Winamp-Versionen brachten aber immer mehr Beschwerden – bis hin zur massenhaften Abwanderung der Nutzer.
„Winamp wurde im Wesentlichen von zwei Software-Lösungen abgelöst: iTunes und VLC-Player“, sagt Stephan Dörner. Ursprünglich sollte Winamp 2013 eingestellt werden, wurde jedoch nochmals verkauft. 2023 erschien tatsächlich sogar ein neuer Webplayer.