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Swatting-Fall in Berlin

Gefälschte E-Mail führt zu Polizeieinsatz bei Entwickler

Polizei-Präsidium, im Vordergrund ein Blaulicht
Swatting kommt mittlerweile auch in Deutschland vor Foto: Getty Images/fhm
Woon-Mo Sung
Redakteur

18. September 2024, 16:28 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Wer auch nur halbwegs Inhalte im Internet konsumiert, könnte bereits vom Swatting gelesen oder gehört haben. TECHBOOK erklärt, was es damit auf sich hat – und warum das Phänomen mit dem Tod enden kann.

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Mit zunehmendem Fortschritt und neuen Technologien kommen nicht nur ständig neue Möglichkeiten auf, den Alltag oder den Beruf zu meistern. Leider finden sich dadurch auch neue Wege für schädliches oder gar kriminelles Verhalten, mit dem die Verantwortlichen die Leben ihrer Mitmenschen gefährden können. Dazu zählt auch das sogenannte Swatting. TECHBOOK erläutert den Begriff und welche Folgen die Erscheinung für ihre Opfer haben kann.

Das bedeutet Swatting

Der Begriff Swatting ist dem englischen SWAT entlehnt. Hierbei handelt es sich um ein bekanntes Akronym aus „Special Weapons and Tactics“, womit schwer bewaffnete Spezialeinheiten der US-Behörden gemeint sind. Diese treten in erster Linie bei hochriskanten Fällen wie zum Beispiel Geiselnahmen oder Schießereien oder gefährlichen Verhaftungen in Aktion.

Beim Swatting selbst geht es um die falsche Alarmierung von Einsatz- und Rettungskräften unter vorgetäuschten Notfällen. Diese werden in der Regel zu einer bestimmten Zielperson geschickt, um diese so zu belästigen oder gar in ernsthafte Gefahr zu bringen. Denn für gewöhnlich beabsichtigen Täter vor allem eine Reaktion von bewaffneten Teams.

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Swatting reicht bereits Jahrzehnte zurück

Das dem Swatting zugrundeliegende Prinzip ist nicht neu: Streichanrufe bei Notrufnummern sind schon lange ein Thema, zudem hat es in der Vergangenheit bereits falsche Alarmierungen wie Bombendrohungen gegeben, die Evakuierungen auslösten – unter anderem war auch der US-Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. 1967 von einer solchen betroffen, wie der „Daily Trojan“ erklärte.

Im Laufe der Jahre entwickelten sich die Techniken für gefälschte Notfallanrufe weiter, um ganz gezielt bestimmte Einsatzkräfte auf den Plan zu rufen. Da im Zuge dessen vor allem SWAT-Teams immer öfter ausrücken mussten, etablierte sich der Begriff des Swattings. Die US-Sicherheitsbehörde FBI hat den Terminus bereits 2008 in einem Informationsschreiben geprägt und darin über die Gefahren aufgeklärt.

Swatting wird durch technologischen Fortschritt begünstigt

Obwohl fürs Swatting theoretisch nur ein Telefon notwendig ist, profitieren Täter von den Möglichkeiten durch moderne Technologien und von anderen Phänomenen. Diese nutzen sie, um selbst unerkannt zu bleiben oder um an sensible Daten wie zum Beispiel die Adressen ihrer Opfer zu gelangen. Letzteres geschieht oftmals im Zusammenhang mit dem sogenannten Doxing.

Swatter können dadurch oder durch andere Methoden wie Hacking-Angriffe an benötigte Informationen gelangen. Durch die geschickte Manipulation von Computern und Telefon-Equipment können sie mitunter im ganzen Land Swatting betreiben und sogar Anrufe tätigen, die den Anschein erwecken, sie kämen vom Opfer selbst.

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Wer betreibt es und warum?

Gründe fürs Swatting können vielfältig sein. Nicht selten spielen Rache oder Neid eine zentrale Rolle, um eine andere Person auf diesem Wege zu belästigen oder ernsthaften Schaden zuzufügen. Allerdings können auch einfach Langeweile und ein übersteigertes Ego dazu führen, dass Menschen zu dieser Praxis greifen.

So beschrieb das FBI 2008 einen umfassenden Swatting-Fall, an dem fünf Personen zwischen 2002 und 2006 beteiligt waren. In 60 Städten lösten sie falsche Einsätze mit mehr als 100 Opfern aus – unter anderem mit Behauptungen, Hotelgäste wären bewaffnet und gefährlich, oder Bombendrohungen, die zu Evakuierungen führten.

Und warum taten sie das? Laut der Behörde ging es ihnen vor allem darum, „angeben zu können und fürs Ego“ und nicht etwa, um einen finanziellen Vorteil herauszuschlagen. „Im Grunde genommen taten sie es, weil sie es konnten“, stellte das FBI fest.

Wer ist im Visier von Swatting?

Swatting kann im Grunde jeden treffen. Das gilt sowohl für ausgelöste Großeinsätze, bei denen mehrere Personen evakuiert werden müssen, als auch für Fälle gegen einzelne. In der Vergangenheit waren aber auch Prominente Opfer davon.

So berichtete „NBC News“ 2013, dass Hollywood- und Popstars wie Tom Cruise, Miley Cyrus, Chris Brown, Ashton Kutcher, Justin Bieber, Clint Eastwood oder die Kardashians Ziel einer regelrechten Swatting-Welle waren. Das nahm solche Ausmaße an, dass sogar der damalige Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown, ein neues Gesetz dagegen unterzeichnete.

Swatting hat allerdings auch weitere Folgen: Es ist ein allgemein logistischer Aufwand, einen solchen Einsatz durchzuführen. Die Beamten stehen dann für diese Zeit nicht für echte Fälle zur Verfügung. Auch entstehen dadurch Kosten, die dann die Allgemeinheit tragen muss.

Trend in der Gaming- und Streamingszene – mit tödlichen Folgen

In der jüngeren Vergangenheit kam es vermehrt zu Vorfällen in Bezug auf Videospiele und Livestreams von Games. Während es sich bei manchen Streamern ebenfalls um Prominente handelte, sind schon Fälle zwischen Privatpersonen bekannt geworden. In der Spielergemeinde swatten Personen andere unliebsame Spieler, um sich zum Beispiel für eine Niederlage oder Beleidigungen im Chat zu rächen.

Bei einem bekannten Fall in den USA 2017 kam es zu einem Swatting-Fall zwischen streitenden Spielern von „Call of Duty: WWII“. Der Amerikaner Casey Viner drohte damit, Shane Gaskill zu swatten, woraufhin dieser eine falsche Adresse herausgab. Viner bat anschließend eine dritte Person, Tyler Barriss, den falschen Notruf zu tätigen. Ein Spezialkommando erschien anschließend vor der Haustür des völlig unbeteiligten Andrew Finch, der von einem Beamten erschossen wurde, wie „The Wichita Eagle“ berichtete.

Barriss erhielt eine Gefängnisstrafe von 20 Jahren. Viner erhielt 15 Monate und zwei Jahre auf Bewährung. Gaskill wurde zu 18 Monaten Haft verurteilt.

Noch heute kommt es zu ähnlichen Vorkommnissen, so auch in Deutschland: Wie „Bild“ vermeldete, wurde der bekannte und in Berlin lebende Twitch-Streamer Elias Nerlich Ziel von Swatting. Zuvor soll ein Zuschauer seines Streams gesagt haben, er plane einen Anschlag auf den Berliner Hauptbahnhof.

Aktueller Swatting-Fall in Deutschland

Auch hierzulande werden immer mal wieder neue Swatting-Fälle bekannt. Erst vor Kurzem kam es zu einem live im Internet übertragenen Vorfall. Dieser traf den Software-Entwickler René Rebe, der bei der in Berlin ansässigen ExactCODE GmbH arbeitet. Während eines Streams bei YouTube, bei dem es um das Finden eines Fehlers ging, wurde erst an der Tür des Büros geklingelt, dann sogar gegengeschlagen.

Der Vorfall ist im entsprechenden Video zu sehen, unter dem Rebe einen längeren Kommentar schrieb, um den Hergang zu erklären. Mehrere Polizeibeamte hätten ihm ganz unerwartet mit gezogenen Waffen gegenübergestanden und ihm sollen unmittelbar die Handschellen angelegt worden sein. Insgesamt sollen zahlreiche Einsatzkräfte vor Ort gewesen sein, darunter auch die Feuerwehr, der Notarzt und mehr.

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Im Gespräch mit den Beamten habe Rebe erfahren, dass eine gefälschte E-Mail in seinem Namen an die Polizei und Rettungswache ging. In dieser habe es geheißen, dass er angeblich seine Frau ermordet habe und sich anschließend selbst das Leben nehmen wolle. Der Entwickler beschwert sich, dass die Behörden offenbar nicht im Vorfeld die Authentizität der Nachricht überprüft hätten – eine kurze Abfrage der Meldeadresse oder eine Google-Suche hätte schon geholfen. Auch hätten sich die Polizisten zunächst nicht ausgewiesen.

Immerhin soll er „halbwegs menschlich“ behandelt worden sein und es kam zu keinerlei Sachschäden. Schließlich kann Swatting auch sehr böse enden. Zudem war es ein Glück, dass er anwesend war und die Tür nicht aufgebrochen werden musste. Das wäre für einen Betrieb im IT-Sicherheitsbereich mit bestehenden Verschwiegenheitsklauseln schlimm gewesen. Zugleich mahnt Rebe an, dass sich die Polizei „nicht so medial vorführen und instrumentalisieren lassen“ sollte. Der Absender der falschen E-Mail ist derweil nicht bekannt. Rebe stellt zumindest die Vermutung an, dass es vielleicht die Person gewesen sein könnte, die er nur 30 Minuten vor dem Vorfall aus dem Live-Stream für ungebührliches Verhalten verbannt hat.

In der Kommentarsektion teilen übrigens einige weitere User ihre eigenen Swatting-Fälle. Laut TraxtasyMedia würde das regelrecht auf Twitch rumgehen.

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Swatting ist kein Kavaliersdelikt, auch wenn sicher einige denken, sie würden sich lediglich einen Scherz erlauben. Wie die Anwaltskanzlei SBS Legal erklärt, handelt es sich tatsächlich um „die Straftat des Missbrauchs von Notrufen und der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln“. Dies ist in § 145 des Strafgesetzbuches geregelt.

Nach deutschem Recht müssen Täter mit mindestens einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder einer Geldstrafe rechnen. Gegebenenfalls müssen sie außerdem die Kosten für den unnötigen Einsatz erstatten. Kommen Personen zu Schaden, ist eine zusätzliche Strafe wegen Körperverletzung möglich. Hierzulande verhängte etwa das Landgericht Nürnberg-Fürth 2017 eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren, weil es eine Person wegen mehrerer Fälle schuldig sprach.

Für die Behörden ist es indes schwierig, Swatting überhaupt strafrechtlich zu verfolgen. Da es immer mehr Möglichkeiten gibt, die eigene Identität zu verbergen, bleibt eine zunehmende Anzahl an Fällen ungeklärt.

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