31. März 2024, 9:13 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Laut Eigenaussage ist „Ecosia – die Suchmaschine, die Bäume pflanzt“. Den Begriff Suchmaschine verbinden viele Menschen seit Jahrzehnten automatisch mit Google. Dabei gibt es unzählige alternative Suchanbieter, die weniger Daten saugen oder wie Ecosia an das „grüne Gewissen“ der Menschen appellieren. Wie funktioniert die grüne Suchmaschine und welche Projekte unterstützt sie? Wir liefern Antworten.
Wenn Sie jetzt denken, bei Ecosia muss es sich um ein Start-up aus dem Silicon Valley handeln, liegen Sie falsch. Ecosia ist das Herzensprojekt von Christian Kroll aus Berlin. Die Suchmaschine gibt es bereits seit dem Jahr 2009. Wobei Suchmaschine nicht ganz passt. Denn der Suchalgorithmus und sämtliche Suchergebnisse sowie alle Werbeanzeigen stammen von Microsoft Bing. Ecosia dient nur als Rahmen oder Suchmaske.
Das Prinzip: Alle Suchanfragen über die Ecosia-Webseite ecosia.org landen auf den Servern von Bing. Von dort werden die Suchergebnisse an Ecosia zurückgespielt und angezeigt. Für jede auf diese Weise getätigte Suchanfrage bezahlt das Berliner Unternehmen eine Art Transaktionsgebühr an Microsoft.
Finanzierung über Suche und Werbeanzeigen
Ecosia profitiert in hohem Maße von den von Microsoft gelieferten Werbeanzeigen. Ähnlich wie bei anderen Suchanbietern verdient die grüne Suchmaschine durch Klicks auf solche Werbeanzeigen. Im Gegensatz zu Google fließen allerdings die so erzielten Gewinne zu 80 Prozent in Baumpflanzaktionen. Die restlichen Gelder finanzieren den Betrieb von Ecosia selbst, also decken die Kosten für Miete und Mitarbeitende – verspricht das Unternehmen.
In seiner gesamten Außendarstellung achtet Ecosia auf maximale Transparenz. Es gibt regelmäßige Finanzberichte. Außerdem dokumentiert der Suchanbieter seine Arbeit und berichtet in seinem Blog über aktuelle Baumpflanzaktionen.
Wobei Ecosia die Bäume nicht selbst pflanzt. Das Pflanzen übernehmen Partner-Organisationen in den jeweiligen Regionen, die sich mit den lokalen Bedingungen besser auskennen. Das Berliner Unternehmen kümmert sich um die Finanzierung der Baumpflanzaktionen und kontrolliert später die Fortschritte.
Auf der Ecosia-Startseite heißt es, inzwischen würden Bäume in über 35 Ländern und Regionen gepflanzt, darunter Brasilien, Indonesien oder Senegal. Dort informiert ein laufender Zähler über den aktuellen Stand der durch die Ecosia-Community veranlassten Baumpflanzungen. Über 200 Millionen Bäume sind durch Suchanfragen über Ecosia und Klicks auf dort eingeblendete Werbeanzeigen bereits gepflanzt worden.
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Spielerische Elemente erhöhen Suchanreiz
Zur Ecosia-Community gehört jeder User, der über die grüne Suchmaschine eine Anfrage stellt. Derzeit nutzen etwa 20 Millionen Menschen diese Möglichkeit. Ecosia erstellt keine Nutzerprofile oder gibt irgendwelche Daten der User an Werbetreibende weiter, verspricht das Berliner Unternehmen. Nach spätestens sieben Tagen würden sämtliche Suchanfragen anonymisiert. Klimaschutz und Datenschutz gehen Hand in Hand bei Ecosia.
Spielerische Elemente sollen den Anreiz erhöhen, regelmäßig vorbeizuschauen. Denn es braucht eine gewisse Anzahl an Suchen, damit ein Baum gepflanzt wird. Aktuell sind das zwischen 30 und 45 Anfragen pro User. Ein weiterer Zähler im rechten oberen Bereich auf der Seite mit den Suchergebnissen zeigt den aktuellen Stand.
Zudem verpasst Ecosia einigen Einträgen in den Suchergebnissen Symbole. Nach Ansicht des Anbieters klimaschädliche Unternehmen erhalten ein Kohlekraftwerk als Icon. Klimafreundliche Organisationen bekommen hingegen ein grünes Blatt als Anhängsel.
Wie schon erwähnt lässt sich Ecosia direkt über die Webseite nutzen. Alternativ gibt es Erweiterungen für gängige Browser wie Firefox oder Chrome. Zusätzlich gibt es die App für Android und iOS. Dann können User auch per Smartphone Bäume pflanzen und etwas für das Klima tun.
Kritik an Ecosia
Wo gepflanzt und ans grüne Gewissen appelliert wird, gibt es auch Kritik. Grundsätzlich bestehen berechtigte Zweifel, inwieweit eine Suchmaschine das Klima schützen kann. Hierzu sagt Ecosia, das Unternehmen setze für eigene Rechenzentren überwiegend auf erneuerbare Energien. Allerdings arbeitet der Ecosia-Partner Microsoft mit seiner Suchmaschine Bing erst noch daran. Bis zum Jahr 2030 möchte das Technologieunternehmen CO₂-negativ werden.
Weitere Kritik gibt es an den Baumpflanzaktionen selbst. Angeblich entstünden auf diese Weise Monokulturen, die durch Schädlinge auf einen Schlag vernichtet werden können. Zudem würden Bäume teilweise unnötig gepflanzt. Die Natur könne am besten regeln, widerstandsfähige Wälder entstehen zu lassen. Nicht jeder gepflanzte Baum sei automatisch gut. Durch Menschenhand würde in das Mikroklima einer Region eingegriffen. Dadurch seien anderen Pflanzen in ihrer Existenz bedroht.
Kritiker äußern auch Bedenken an der Kennzeichnung von Einträgen mit Icons wie Kohlekraftwerk oder grünem Blatt. Hierdurch würden Unternehmen an den Pranger gestellt. Eine durchaus berechtigte Kritik. Denn derzeit erfolgt die Kennzeichnung noch manuell, nach nicht näher definierten Kriterien. Das hat Ecosia auf Nachfrage anderer Medien zugegeben und gelobt Besserung. Wobei nicht ganz klar ist, wie eine Verbesserung aussehen könnte. Auf die Icons zu verzichten, wäre vermutlich die beste Lösung.
Und abschließend: Ecosia ist nicht Google. Daher fällt das Urteil von Usern zu den angezeigten Suchergebnisse nicht durchweg überschwänglich aus. Hier zählt allerdings möglicherweise die gute Sache mehr als das beste Suchergebnis. Das muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden.
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Fazit
Trotz teils berechtigter Kritik bietet Ecosia eine Alternative zu anderen Suchanbietern. Hier können User auf simple Weise das Klima schützen. Das Berliner Unternehmen macht einen seriösen Eindruck, achtet auf Datenschutz, veröffentlicht regelmäßig Finanzberichte und dokumentiert ausführlich seine Arbeit. Transparenz ist bei Ecosia nicht nur eine Phrase. Wenn Sie demnächst einen kleinen Teil zum Schutz des Klimas beitragen möchten, dann klicken Sie neben üblichen Suchmaschinen immer mal wieder bei Ecosia rein.