8. März 2023, 8:22 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Mitte der 2000er-Jahre konnten Nutzer über wer-kennt-wen.de im Internet nach Freunden und Bekannten suchen. Schnell entwickelte sich die Plattform zum Mega-Erfolg. Heute ist sie aber in der Versenkung verschwunden. Doch warum?
Während ihres Studiums der Computervisualistik an der Universität Koblenz-Landau haben die beiden Studenten Fabian Jager und Patrick Ohler ein Problem. Die beiden verfügen über ein großes Netzwerk an Freunden und Bekannten. Den Kontakt mit allen zu pflegen, gestaltet sich allerdings schwierig. Das ist die Geburtsstunde von „Wer kennt wen“.
Übersicht
Im Oktober 2006 geht die Plattform online, was sehr schnell auch andere Menschen mitbekommen. Zunächst alles mehr oder weniger gute Bekannte aus der Umgebung Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Nach etwas mehr als einem Jahr hat die deutsche Social-Media-Plattform aber eine Million registrierte Mitglieder. Und das ist erst der Anfang gewesen.
Zu dieser Zeit bedeutet online sein, sich an einen PC zu setzen und Zeit damit zu verbringen, im Internet herumzusurfen. Das passiert damals weitestgehend allein. Es gibt zwar Chats und erste Messenger, allerdings kein Vergleich mit der Interaktion, die heutzutage möglich ist. Einen Freund oder Bekannten online zu „treffen“, funktioniert damals nur nach Absprache. Ein soziales Netzwerk wie „Wer kennt wen“ eröffnet damals ganz neue Möglichkeiten sich miteinander auszutauschen, auch wenn die Kommunikation in der Regel zeitversetzt passiert.
„Wer kennt wen“ macht Social Media in Deutschland bekannt
„Wer kennt wen“ erreicht in der Startphase aufgrund seiner simplen Struktur vor allem ältere Menschen. Mit dem wachsenden Erfolg interessieren sich allerdings auch jüngere Menschen für dieses neue Social Media. Was ist eigentlich mit Facebook zu diesem Zeitpunkt? Immerhin ist Mark Zuckerberg mit seinem sozialen Netzwerk bereits seit dem Jahr 2004 online. Zahlen aus dem Jahr 2009 belegen, dass „Wer kennt wen“ damals auf 5,5 Millionen Nutzer kommt. Facebook vermeldet in Deutschland gerade einmal zwei Millionen angemeldete Mitglieder.
„Wer kennt wen“ bietet damals alles, was viele Menschen bis heute an Social Media lieben. Mitglieder können ein Profil anlegen und sich über bestimmte Kriterien miteinander vernetzen. Beliebte Anknüpfungspunkte sind andere Personen, Schulen, Vereine oder Gruppen. Über die integrierte Suchfunktion lassen sich auch Menschen mit gleichen Interessen finden. Es gibt eine Gruppenfunktion, eine einfache Möglichkeit den eigenen Status mitzuteilen, es wird fleißig kommentiert und selbstverständlich können auch Fotos hochgeladen und mit der Community geteilt werden.
Und jedes Mitglied hat in seinem Profil ein Gästebuch. In den Anfängen des Internets eine sehr wichtige Funktion. Schließlich soll die Welt da draußen erfahren, wer alles die eigene Seite oder in diesem Fall das eigene Profil besucht hat. Damals hatte niemand eine Vorstellung davon, wohin die Reise mit dem Smartphone gehen würde.
Kometenhafter Aufstieg
Der Aufstieg von „Wer kennt wen“ verläuft lange Zeit kometenhaft. Fabian Jager und Patrick Ohler, die beiden Gründer, haben das Heft des Handelns schon längst an ein Team ausgelagert. Dieses kümmert sich um die Pflege der Plattform und integriert regelmäßig neue Funktionen.
Im Jahr 2009 liegt die Zahl der monatlichen Visits auf „Wer kennt wen“ bei knapp 200 Millionen. Die Plattform ist inzwischen neben StudiVZ eines der erfolgreichsten sozialen Netzwerke in Deutschland. Dieser Erfolg lässt aufhorchen, genauer sagt RTL Interactive, den Internetableger des TV-Senders. RTL besitzt zu dem Zeitpunkt bereits 49 Prozent der Anteile von „Wer kennt wen“. 2009 übernimmt das Unternehmen auch noch die restlichen 51 Prozent. Die Übernahme bedeutet eine Zeitenwende, allerdings in eine andere Richtung, als RTL sich das erhofft hat.
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Nach dem Verkauf beginnt der Abstieg
Denn fortan wandern die Zahlen kontinuierlich nach unten. Ob die beiden Gründungsväter das geahnt haben? Jedenfalls verlassen Fabian Jager und Patrick Ohler die Plattform und kümmern sich um neue Projekte.
RTL Interactive versucht alles, um eine Trendwende hinzubekommen und „Wer kennt wen“ wieder auf einen erfolgversprechenden Weg zurückzuführen. Doch die Konkurrenz aus den USA ist inzwischen deutlich attraktiver. Facebook profitiert dabei nicht nur von einem besseren Angebot, sondern auch vom aufkommenden Smartphone-Boom. Am PC den Status von Freunden checken, möchten immer weniger User. In einer coolen App direkt und ständig mit den Liebsten Fotos und Herzchen tauschen, chatten oder den „Gefällt mir“-Button drücken, macht die Menschen inzwischen glücklicher.
„Wer kennt wen“ laufen die Nutzer davon. Allerdings hält die ältere Zielgruppe dem deutschen sozialen Netzwerk lange die Treue. Die bekommt im Jahr 2013 auch noch den letzten Rettungsversuch mit. Wobei die Frage erlaubt sein muss: Hat die Welt wirklich darauf gewartet, Mitglieder-Profile für Haustiere oder Autos anzulegen? RTL Interactive hat damals zumindest daran geglaubt.
Doch die nackten Zahlen deuten in eine ganz andere Richtung. Das erkennt rasch auch RTL und schließt am 2. Juni 2014 „Wer kennt wen“ für immer. In der Folge geistern zwar immer noch Klone des Netzwerks durchs Internet, doch andere Social-Media-Plattformen aus den USA lassen keinen Platz mehr für kleine Nischen-Netzwerke.
Die beiden Studenten und Gründer, Fabian Jager und Patrick Ohler, bedauern zwar in der Rückschau den Niedergang ihrer Plattform. Beide haben allerdings schon längst wieder neue Projekte am Start. 2013 starten sie den Foto-Cloud-Service Dawawas und sind bis heute glücklich damit.