17. August 2023, 16:17 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Künstliche Intelligenz ist schon länger ein Thema. In diesem Jahr erhielt es aufgrund von ChatGPT, Google Bard und anderen Tools aber einen enormen Push. Woran liegt das und was wird uns KI künftig bringen? TECHBOOK hat dazu mit einem Tech-Gründer und Experten gesprochen.
Große Unternehmen wie Microsoft und Google investieren derzeit viel Zeit und Geld in die Entwicklung von KI-Lösungen. KI ist dabei, das Leben, wie wir es kennen, komplett umzukrempeln – im Privaten wie im Beruflichen. Doch was machen aktuelle KI-Lösungen anders als bisher, woher kommt der Hype und sind der künstlichen Intelligenz Grenzen gesetzt? Wir haben darüber mit Bilal Zafar gesprochen. Er hält nicht nur Vorträge zum Thema KI, er ist als Mitgründer von richtiggutbewerben.de und dem Erlebnis-Portal dab auch selbst von den Entwicklungen betroffen und kann spannende Einblicke in den Umgang mit KI geben.
Bilal, überall hört man von KI. Man kommt um das Thema nicht mehr herum. Daher zum Einstieg die Frage: Was ist KI überhaupt? Kannst du es kurz in zwei, drei Sätzen erklären?
Künstliche Intelligenz ist eigentlich sehr einfach erklärt. Sie simuliert das menschliche Denken. Wir als Menschen haben Augen und Ohren und genau so kann man die KI füttern – mit Sensoren und Kameras. Das ist zum ersten Mal ein Thema, das alle Lebensbereiche betrifft. Wir erleben einen Paradigmenwechsel, KI wird alle Lebensbereichen in den nächsten fünf Jahren dramatisch beeinflussen und verändern.
Wie bist du zum Thema KI gekommen?
Ich habe mit meinem Bruder zwei Internetunternehmen. Das eine ist eine Online-Plattform für Freizeitaktivitäten, das andere ist eine Online-Plattform für Jobs. Wir haben das zweite Start-up schon seit zehn Jahren und das Thema Technologie ist bei einem Technologieunternehmen immer präsent. Künstliche Intelligenz ist eine Erweiterung dessen, was wir ohnehin schon machen. Und deswegen ist das Thema sehr interessant und betrifft uns unmittelbar.
Wenn du deine Vorträge hältst, gibt es bestimmte Fragen, die immer wieder über die KI gestellt werden?
Ja, häufig wird gefragt und gesagt: „KI ist doch gar nicht so gut. KI ist doch gar nicht so mächtig. KI ist doch noch schlecht.“ Aber wir sehen die Entwicklung. Wir haben eine exponentielle Entwicklung, mit der Tendenz senkrecht nach oben. Das hatten wir bisher noch nicht. Wir hatten bislang keine technische Entwicklung, die sich so schnell, so stark ausgewirkt hat. Im Januar dieses Jahres hatte KI noch ein paar Fehler und jetzt, in der Mitte des Jahres, haben wir schon viele Fehler behoben.
Als Technikredakteurin begleitet mich das Thema KI schon seit ein paar Jahren, beispielsweise in bestimmten Funktion im Smartphone. KI ist also kein Thema, das 2023 erfunden wurde. Wo kommt KI beispielsweise schon zum Einsatz? Länger als wir es denken und vielleicht auch in Produkten oder in Bereichen, wo wir mit KI überhaupt nicht rechnen würden?
Bei Hörgeräten zum Beispiel ist KI schon länger präsent. Es geht darum, Nebengeräusche zu unterdrücken. Du kannst sagen, ich möchte das Gespräch gut hören und das Hörgerät dann entsprechend einstellen. KI gibt es somit schon in der Gesundheitsbranche. Aber auch bei Gesichtserkennung. Bestimmte größere Handymarken haben schon eine sehr gut vorangeschrittene Gesichtserkennung. Sie sortiert Bilder nach Menschen, egal, ob der Mensch einen Bart hat, lange Haare, kurze Haare, von der Seite fotografiert ist.
Die großen Handyhersteller mit ihrer Software können die Menschen erkennen. Da haben wir Gesichtserkennung mithilfe von KI – noch keine komplett voll entwickelte KI, aber Algorithmen, die schon eine Tendenz von KI aufweisen.
Lesen Sie auch: Übersetzungs-KI „HeyGen“ im Test: „Beängstigend gut“
In diesem Jahr hat KI einen wahnsinnigen Sprung gemacht. Was sind die wichtigsten Anwendungen, wo KI bereits zum Einsatz kommt? Was können wir noch erwarten?
Beim Thema KI geht es aktuell viel um repetitive Aufgaben und große Datenmengen. Viele Arbeitsschritte und Arbeiten, die wir heute tun, sind einfach nicht mehr notwendig. Wenn wir das mal kritisch anschauen, dann sehen wir, vieles ist mit Daten abtippen, mit Wiederholungen, mit Generierung von Inhalten. Dinge, die Computer viel besser können. Konkret Excel. Viele Leute schieben Zahlen in Excel hin und her. Das ist überhaupt nicht mehr notwendig. Ich sage mal vorsichtig, das ist eigentlich schon mittelalterlich, dass wir das machen. Ein Computer versteht Zusammenhänge viel schneller.
Und es kommen auch neue Produkte auf den Markt. Das wird ganz spannend. Viele Branchen werden sich stark verändern. Im Positiven, wie ich finde. Denn dann haben wir mehr Zeit für sinnvolle Aufgaben.
Hast du eine Top 3 der Anwendungen, bei denen KI bereits zum Einsatz kommt? Du hast beispielsweise die Datenverarbeitung schon angesprochen.
Bei großen Datenmengen, bei Texten. Der Mensch kann KI nutzen, um Texte zu erstellen. Und bei der Bilderstellung. Es gibt Tools, bei denen man kein Fotomodell und auch keinen Fotografen mehr braucht. Du kannst beides einfach mit einem Fingerschnippen erstellen. Das ist ein Paradigmenwechsel, etwas, was es bisher so noch nicht gab.
Das hört sich eigentlich nach einer großen Chance an, allerdings habe ich auch Bedenken. Man bekommt das Gefühl, der Mensch wird in bestimmten Bereichen überflüssig. Wenn man Stimmen imitieren oder Fotos manipulieren kann, birgt das nicht auch Gefahren?
Die Technologie eröffnet eine große ethische Frage. Realität und Fiktion verschwimmen. Das müssen Philosophen und Leute beantworten, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Ich beschäftige mich mehr mit den Vorteilen, wie wir KI nutzen können. Und wir sollten auch aufpassen, denn in Deutschland sind wir recht kritisch unterwegs. Wir sollten den technologischen Fortschritt nicht abwürgen und diesen Triumph quasi den Amerikanern, den Chinesen und vielleicht einer dritten Nation überlassen. Wir als Europäer sollten die Technologie vielmehr annehmen und Datenschutzausreden, nenne ich sie jetzt mal, ein wenig beiseiteschieben. Datenschutz ist wichtig, aber nicht als Ausrede, KI nicht zu nutzen.
Wir sollten jetzt ins Handeln kommen. Es ist auch nicht so, dass auf einmal viele Jobs wegfallen, sondern es kommen neue Jobs. Die Jobs werden neu definiert. Das war auch bei anderen technologischen Dingen so. Das Handy hat auch keine Leute arbeitslos gemacht oder der Computer oder Photoshop oder andere Tools, mit denen man direkt in die kreative Arbeit eingreift. Es kommen neue Jobs hinzu.
Lesen Sie auch: Künstler zeigt mithilfe von KI, wie tote Prominente heute aussehen könnten
Ich bezeichne die KI auch ganz gerne als die zweite Industrielle Revolution. Damals waren viele sicherlich auch skeptisch – viele Handarbeiten wurden von Maschinen übernommen. Jetzt haben wir den Umstieg auf eine Intelligenz, die nicht von Menschen stammt, sondern vom Computer. Du sagst, Datenschutz darf man nicht außer Acht lassen. Gibt es Punkte, wo du sagst, bei allen Vorteilen, die die KI bringt, da sollte man trotz allem ein bisschen vorsichtig sein?
Es gibt Schwachstellen bei der KI, also künstlicher Intelligenz. Ein Zitat, das ich gerne anbringe, stammt vom Alphabet-CEO Sundar Pichai: „Der Einfluss von KI wird tiefgreifender sein als die Entdeckung von Feuer und Elektrizität.“ Vielen Leuten ist das nicht klar. Das ist kein Trend, es ist ein kompletter Paradigmenwechsel.
Es gibt jedoch die Herausforderung, dass wir bei der KI eine Blackbox haben. Das bedeutet, du gibst einen Input hinein, es passiert etwas, und du weißt nicht, wieso ein bestimmter Output herauskommt, weil einfach so viele Daten zur Verfügung stehen. Das gab es in der Geschichte der Menschheit bisher noch nicht. Man wusste immer, wenn ich A mache und der Algorithmus ist B, kommt C heraus. Doch diesmal gibt es eben diese Herausforderungen, die auch die großen Tech-CEOs sehen. Deswegen sagt Elon Musk, KI ist gefährlicher als die Atombombe. Und wenn man sich einmal damit beschäftigt, versteht man, wieso er das sagt. Aber KI bietet auch die größte Chance, die die Menschheit je hatte.
Welche zum Beispiel?
Krankheiten heilen. Wir haben so viele Daten. Von Google gibt es zum Beispiel eine Proteindatenbank, die der Welt kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Die Pharmaindustrie und andere können sie nutzen. Das sind unfassbare Daten auf kleinster molekularer Ebene. Ich bin jetzt kein Biologe, aber sie stehen eben zur Verfügung. Du kannst sagen, ich habe diese Krankheit, wie muss ich das Medikament mischen, um diese und jene Krankheit zu heilen? Es kann tatsächlich sein, dass bestimmte Krankheiten mithilfe von KI und anderen medizinischen Entwicklungen bald der Vergangenheit angehören.
Du hast vorhin kurz angesprochen, dass KI dafür sorgt, dass bestimmte Jobs irgendwann verschwinden oder umstrukturiert werden. Was denkst du, werden für neue Jobs entstehen? Wie wird künftig das Arbeitsleben aussehen?
Die großen Internet- und Softwarekonzerne Google und Microsoft haben bereits große Veränderungen angekündigt. Google hat beispielsweise angekündigt, dass Bard – die AI von Google – jetzt auch in Deutschland zur Verfügung steht. ChatGPT von Microsoft und Open AI kann man schon länger ausprobieren. Man sieht, wie mächtig die Tools sind.
Auf deine Frage, was konkret für neue Jobs kommen, es wird neue Jobs geben wie „Prompt Engineer“. Man lernt, was gebe ich am besten ein? Wie kommunizieren mit der KI? KI hat viele menschliche Elemente. Hättest du mich vor zwei Jahren gefragt, ob die KI denken und fühlen kann, hätte ich gesagt: „Auf gar keinen Fall.“ Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Das ist wie im Film „HER“, in dem sich der Protagonist in eine KI-Stimme verliebt. Das war 2013 und galt als Science Fiction. Den Film hatte ich auch damals gesehen. Jetzt ist es vielleicht kein Science Fiction mehr. Man kann sich vielleicht tatsächlich in eine KI-Stimme verlieben.
Wo werden wir KI künftig treffen? Du hast gesagt in verschiedenen Jobs, also Foto, Datenverarbeitung, vielleicht in der Medizin. Ist das alles?
Überall. Auch im Restaurant, in der Medizin, beim Autofahren. In den nächsten Jahren, glaube ich, werden sich Dinge wie Unfälle dramatisch reduzieren. Ich habe ein Auto mit viel Technologie und vorhin, als ich hierhergefahren bin, hat mein Auto dramatisch gebremst. Die Sensoren haben eine Radfahrerin registriert, die plötzlich hinter einem anderen Auto hervorkam. Ich habe sie nicht gesehen. Es war eine automatische Notbremsung. Das heißt, potenziell hat das Auto durch eine Mischung aus autonomen Fahren und KI die Radfahrerin gerettet. Es hat sie als Mensch erkannt, nicht als anderes Auto oder Blatt Papier, das vom Wind dahin geweht wurde. Hier greift die KI bereits unser Leben ein.
Es wird viel weniger Unfälle geben, es wird bestimmte Krankheiten nicht mehr geben. Es wird bestimmte Jobs natürlich auch nur noch eingeschränkt geben. Sie werden dann durch neue Jobs ersetzt. Und darauf freue ich mich.
Ich finde es auch interessant, dass es Leute gibt, die sagen: „KI, daran glaube ich nicht.“ Denn Siri und Alexa seien gar nicht so gut. Manchmal fragt man nach dem Wetter und dann funktioniert das nicht. Aber das ist alte Technologie. KI wird diese Technologie überholen. Und wenn wir Sprachassistenten haben, die mit KI ausgestattet sind, dann wird es wirklich interessant.
Lesen Sie auch: So würden die Kinder beliebter Promi-Paare aussehen
Du hast gesagt, dass einige nicht an KI glauben. Daher meine abschließende Frage: Wenn dir jemand gegenübersitzt, der nicht an KI glaubt, Zweifel oder Angst davor hat, was würdest du sagen, um diesem Menschen die Angst zu nehmen?
Ganz viel sieht man, wenn man es ausprobiert. Man sieht, was gut funktioniert, was nicht so gut. ChatGPT ist das Beste für den Consumer, was aktuell zur Verfügung steht. Die anderen KI-Tools kommen langsam und sie würde ich einfach mal ausprobieren. Einfach mal die Geburtstagskarte mit einem Prompt schreiben lassen. Viele Leute wissen nicht, dass man dabei sehr spezifisch sein kann. Man kann unterschiedliche Daten eingeben, beispielsweise das Alter der Person, was sie mag, wie persönlich der Text sein soll. Da kommen Sachen raus, die sind persönlicher als das Persönliche. Es ist unglaublich.