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Früher erste Liga

Was ist aus dem PC-Großhändler Vobis geworden?

Einst war Vobis ein PC-Riese. Doch in den vergangenen Jahren ist das Unternehmen in Vergessenheit geraten.
Einst war Vobis ein PC-Riese. Doch in den vergangenen Jahren ist das Unternehmen in Vergessenheit geraten. Foto: picture alliance / Caro
Lars Lubienetzki
Freier Redakteur

5. Dezember 2024, 18:25 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Seit vielen Jahren schon gibt es das Unternehmen Vobis. Doch vielen wird der Name heutzutage wohl nicht mehr viel sagen, obwohl Vobis früher bei den Größten mitmischte. TECHBOOK erzählt die Geschichte des einstigen PC-Riesen.

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Ein erfolgloser Mathematik-Student und schlechter Pianist an der Spitze eines der größten Computer-Handelsunternehmen in Europa? Das ist Theo Lieven – gewesen. Der Mann, der sich selbst so wenig Talent bescheinigt, hat bis Mitte der 1990er-Jahre die Geschicke bei Vobis geleitet. Zu dieser Zeit steht in fast jedem zweiten Haushalt ein Computer von Vobis. Das Unternehmen betreibt auf seinem Höhepunkt auch Filialen in Belgien, Frankreich, Polen oder Österreich. Dann verkauft Theo Lieven seine Vobis-Anteile und kehrt der Unternehmer-Welt den Rücken.

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Die Anfänge von Vobis

Bis dahin scheint die Erfolgsgeschichte von Vobis kein Ende zu kennen. Theo Lieven mag vielleicht etwas geahnt haben, als er seine Firma im Jahr 1996 an die Metro AG verkauft. Alles davor klingt in der Rückschau wie die Story eines kitschigen Hollywood-Streifens. Alles beginnt im Jahr 1975. Die beiden Studenten Theo Lieven und Rainer Fraling kommen mit ihrem Studium an der RWTH Aachen nicht richtig voran. Es ist die Zeit, in der programmierbare Taschenrechner zum Statussymbol aufsteigen.

Da die beiden Studenten sowieso selten an der Uni zu finden sind, verbleibt genügend Zeit, um die Vero GmbH zu gründen. Schließlich brauchen auch erfolglose Studenten täglich eine warme Mahlzeit. Die sichern sich Theo Lieven und Rainer Fraling, indem sie ihre Kommilitonen mit Taschenrechnern versorgen. Das Geschäft floriert. Denn eines haben die beiden im Mathematik-Studium zumindest gelernt: Mit einem programmierbaren Taschenrechner lassen sich viele Aufgaben deutlich bequemer lösen.

Auch wenn die Leidenschaft für die Mathematik schwindet, einen ausgeprägten Geschäftssinn und den Umgang mit Zahlen bringen beide Firmengründer in ausreichendem Maße mit.

Vobis – ein Paradies für Computerfreaks

Bereits im Jahr 1981 ändern die beiden Startup-Unternehmer den Firmennamen in Vobis Data Computer GmbH um. Vobis ist aus dem Lateinischen und bedeutet „für Euch“. Diese zwei Worte bilden die Grundlage für alles Weitere. Schon damals treibt Theo Lieven die Idee an, eine Art „Volkscomputer“ zu entwickeln und zu verkaufen. Dafür mietet Vobis ein kleines Ladengeschäft in der Düsseldorfer Vorstadt. Anfang der 1980er-Jahre eigentlich eine völlig irrsinnige Idee. In Deutschland verbreiten sich gerade Atari-Spielekonsolen.

Computer? Wer braucht denn sowas? Das sind doch riesige Kisten, die in irgendwelchen fensterlosen Räumen stehen. Das denken zumindest die meisten Menschen. Bis auf Theo Lieven. Das Düsseldorfer Vobis-Lädchen entwickelt sich für die wenigen Computerfreaks in Deutschland zum Paradies. Hier bekommen Tüftler günstige Kleincomputer und das notwendige Zubehör.

In den Anfängen des (Heim-)Computer-Zeitalters gibt es immer etwas zu schrauben. Deswegen pilgern Computerfans nach Düsseldorf, um sich mit dem nötigen Stoff zu versorgen, neue, größere Speicher oder die aktuelle Software für den heimischen Rechner.

Heimcomputer für alle

Damit lässt sich richtig Geld verdienen. Bis Ende der 1980er-Jahre steigt der Vobis-Umsatz auf eine halbe Million D-Mark. Inzwischen arbeiten 500 Menschen für Vobis. Zu diesem Zeitpunkt versteht auch Theo Lieven, der erfolglose Mathematik-Student: Hier muss Unterstützung her. Daher begibt sich der Vobis-Chef in Verhandlungen mit interessierten Partnern. Bei der Umsatzgröße muss er nicht lange um einen Gesprächstermin bei Firmen betteln.

Im Jahr 1989 beteiligt sich die Metro AG an Vobis. Nun verfügt Theo Lieven über die finanziellen Möglichkeiten, um seine Idee eines „Volkscomputers“ vom Haupt-Firmensitz Aachen aus in die Realität zu überführen. Mit Beginn der 1990er-Jahre wächst der Aufstieg von Vobis zu einem der größten PC-Großhändler in Europa. Im Jahr 1991 ändert das Unternehmen seine Rechtsform in eine Aktiengesellschaft.

Vobis taucht plötzlich auf allen Kanälen auf. Der Verkaufsprospekt „Denkzettel“ findet sich in jeder Tageszeitung und allen relevanten Computer-Zeitschriften. So wird den Menschen der neuartige Heimcomputer, das (noch) unbekannte Wesen, schmackhaft gemacht.

Highscreen-Computer von Vobis ein Hit

Computer tragen auch die Geräte von Vobis ein schlichtes beiges Kleid. Die Rechner glänzen allerdings beim Preis und funktionieren in der Regel zuverlässig. Doch nicht nur der unschlagbare Preis macht Highscreen-Computer von Vobis so attraktiv. Dank der ausgeklügelten Konfiguration kann ihn auch wirklich jeder bedienen. Das spricht sich herum.

Theo Lieven hat es tatsächlich geschafft. Vobis-Rechner haben sich zu einer Art „Volkscomputer“ entwickelt. Später gibt der Macher zu, ohne den Einstieg der Metro AG wäre es wohl nur bei der Idee geblieben. Was kann so jemand wie Theo Lieven nun noch erreichen? Vielleicht Computer aus der langweiligen, eckigen, grau-beigen Hülle befreien. Diese Idee setzt Vobis 1993 um.

Der bekannte deutsche Designer, Luigi Colani, zeichnet verantwortlich für die geschwungenen, farbigen Gehäuse der neuen Highscreen-Serie. Der Colani-PC entwickelt sich zum Verkaufshit.

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Vobis zeigt Microsoft die Stirn

Vobis steht nun kurz vor der Eroberung der Welt, so scheint es. Selbst mit Microsoft-Gründer Bill Gates legt sich Vobis an. Das Aachener Unternehmen weigert sich, neue Vobis-Computer ausschließlich mit dem inzwischen beliebten Windows-Betriebssystem auszuliefern. Stattdessen setzt Vobis auch auf das in der Fachwelt gelobte, allerdings unbekannte OS/2 von IBM – eine mutige Entscheidung.

Microsoft klagt dagegen vor Gericht. Vobis reagiert gelassen. Das zahlt sich am Ende aus. Denn das US-Unternehmen gibt schließlich klein bei. Was den Ausschlag für den Rückzieher gegeben hat, darüber wird bis heute spekuliert. Eine verbreitete Ansicht lautet so: Microsoft habe erkannt, Vobis sei zwar nur in Europa aktiv, allerdings keine zu vernachlässigende Größe. Beide Parteien haben sich wieder lieb. So landet später auch das bahnbrechende Windows 95 auf den Vobis-Rechnern. Theo Lieven kann sich immerhin auf die Fahnen schreiben, einen Teilsieg im Kampf gegen einen aufsteigenden Riesen erzielt zu haben.

Ein Ausstieg als Abstieg

Völlig unerwartet kündigt Theo Lieven seinen Rückzug an. Mit dem Verkauf seiner restlichen Anteile an die Metro AG beginnt zwar nicht das Schlusskapitel von Vobis. Doch von da an versinkt der PC-Großhändler mit knapp 800 Filialen in elf Ländern spürbar in der Bedeutungslosigkeit.

Möglicherweise hat Theo Lieven auch hier Weitblick bewiesen und sich genau zum richtigen Zeitpunkt verabschiedet. Jedenfalls erlebt der Verkaufsmarkt für Computer einen rapiden Wandel. Vermehrt tauchen kleine, aufklappbare Computer auf: Laptops. Die Zeiten von großen, vorkonfigurierten Rechnern neigen sich dem Ende entgegen. Vor allem Discounter fluten den Markt mit günstigen Heimcomputern für jeden Haushalt. Diesen Preiswettbewerb können Großhändler wie Vobis nur verlieren.

Nach und nach verschwindet Vobis aus der öffentlichen Wahrnehmung. Mehrfach versuchen die neuen Lenker einen Kurswechsel. Vor allem im Onlinegeschäft wittert Vobis noch genügend Potenzial. Doch dort haben inzwischen andere Anbieter ihre Position gesichert.

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Wandel zum Franchise-Unternehmen

In der Folge mutiert Vobis zu einem reinen Franchise-Unternehmen für den Vertrieb von Computern und Computerzubehör. Die heutige Vobis GmbH agiert schon lange nicht mehr von Aachen aus, sondern hat ihren Hauptsitz in Potsdam. Von den einst fast 800 Filialen existieren nur noch sechs.

Und was macht Theo Lieven? Der frühere Bummelstudent hat später erfolgreich ein Studium in den Bereichen Betriebs- und Volkswirtschaftslehre absolviert. Anschließend folgt noch eine Promotion an der Universität St. Gallen.

Der nach Eigenaussage „schlechte Pianist“ gründet zusammen mit seiner Frau die „Internationale Klavierstiftung Theo und Petra Lieven zu Hamburg“. Eine Herzensangelegenheit für Theo Lieven, um fortgeschrittene Pianisten zu unterstützen. Er wäre selbst gern ein solcher gewesen: ein großer Konzertpianist auf einer Bühne.

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