31. August 2022, 11:18 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wer heutzutage im World Wide Web unterwegs ist, nutzt wie selbstverständlich einen Browser. In den frühen 1990er Jahren, den Kinderjahren des Internets, galten diese aber noch als völlig exotisch. Dann kam der Netscape Navigator.
Bei den Internet-Pionieren keimt früh die Erkenntnis: Damit Menschen Internetseiten problemlos aufrufen können, braucht es eine Art Hilfsmittel, einen Web-Browser. Der Netscape Navigator öffnete am 15. Dezember 1994 als erster massentauglicher Browser für viele Menschen die Türen zum World Wide Web.
Das ist umso erstaunlicher, weil Microsoft mit seinem Betriebssystem Windows schon damals über die besten Voraussetzungen verfügte, einen eigenen Browser zu etablieren. Allerdings ignorierte Microsoft das Internet zunächst fast vollständig. Der Windows-Entwickler sah zunächst keine Notwendigkeit, einen eigenen Browser zum Surfen im Internet zu entwickeln.
Netscape reagiert am schnellsten
Nach der Geburt des Internets im Jahr 1989 dauerte es tatsächlich vier Jahre, bis ein erster vorzeigbarer Browser das Licht der Welt erblickte. Der sogenannte Mosaic Browser erschien schließlich am 10. November 1993 in der Version 1.0 für Windows. Was damals nicht selbstverständlich war: Mosaic zeigte nicht nur Text an, sondern war in der Lage, Grafiken oder interaktive Elemente auf den Bildschirm zu bringen.
Übrigens: Auch Microsoft kaufte damals eine Mosaic-Lizenz, um den Quellcode später für die Programmierung eines eigenen Browsers zu verwenden. Wie schon erwähnt: Internet und Microsoft war keine Liebe auf den ersten Blick.
Zum Entwicklerteam von Mosaic gehörte auch ein gewisser Marc Andreessen. Der Programmierer hatte die Vision, einen eigenen, massentauglichen Browser zum Surfen im noch jungen Internet auf den Markt zu bringen. Codewort für dieses Projekt: Mozilla. Laut Legende besteht das Wort aus den Begriffen „Mosaic Killer“ und „Godzilla“.
Um das eigene Browser-Projekt schnell voranzubringen, gründet Marc Andreessen im Frühjahr 1994 das Unternehmen Netscape Communications. Bereits im Oktober folgt mit dem Mosaic Netscape eine erste Beta-Version. Im Dezember erscheint dann der fertig entwickelte Netscape Navigator und beginnt schon kurze Zeit später seinen Siegeszug.
Und so sah der Browser aus:
Ursprünglich sollte der neue Browser kostenlos vertrieben werden. Allerdings wurde diese Idee zunächst fallen gelassen. Nur akademische Einrichtungen und Non-Profit-Organisationen sollten den Netscape Navigator umsonst benutzen können. Da parallel mit dem Erscheinen des Browsers die Menschen ins Internet stürmten, gab es den neuen Browser dann doch gratis für alle. Denn pfiffige Redakteure von Computerzeitschriften verteilten den Netscape Navigator als kostenlose Beilage per Heft-CD.
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Auf den schnellen Aufstieg…
So eroberte der Netscape Navigator die Computer weltweit und kam innerhalb kürzester Zeit auf einen Marktanteil von etwa 80 Prozent. Das weckte dann allerdings auch die Strategen bei Microsoft aus dem Internet-Tiefschlaf.
Ein gewisser Bill Gates forcierte die Investitionen in das neue Medium Internet massiv. Im August 1995 brachte Microsoft schließlich eine erste Version des Internet Explorers heraus. Der Code bestand fast ausschließlich aus der im Jahr 1993 erworbenen Mosaic-Lizenz. Entsprechend technisch veraltet und wenig nutzerfreundlich erwies sich der erste Microsoft-Browser.
Mit dem Erscheinen des Microsoft Internet Explorers begann ab dem Jahr 1995 der Browserkrieg mit dem Netscape Navigator. Darauf reagierten auch die Programmierer von Webseiten. In den Jahren 1995 bis 1998 befanden sich auf einigen Internetseiten die Hinweise: „Optimiert für den Netscape Navigator“ oder „Optimiert für den Internet Explorer“.
Schon bald zeigte sich allerdings, beim Krieg der Browser kämpften die Kontrahenten nicht mit gleichen Waffen. Auch wenn Microsoft den Internet-Trend zunächst verschlafen hatte, verfügte das Unternehmen über wesentlich bessere Voraussetzungen, um Netscape vom Thron zu stoßen.
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…folgt der rasante Abstieg
Programmierten den ersten Internet Explorer gerade einmal eine Handvoll Entwickler, wuchs das Team schon bald auf über 100 Mitarbeiter an. Noch viel entscheidender: Microsoft hatte mit dem eigenen Betriebssystem einen riesigen Vertriebskanal. Damals befand sich auf über 95 Prozent aller neu verkauften Computer eine vorinstallierte Windows-Version. Daher integrierte Microsoft ab Windows 95 den Internet Explorer in das eigene Betriebssystem. Dieser geniale marketingtechnische Schachzug leitete den rasanten Abstieg des Netscape Navigator ein.
Netscape wehrte sich zunächst noch nach Kräften. 1997 erweiterte das Unternehmen seinen Browser um ein Mailprogramm, einen HTML-Editor und einen Messenger. Auch der Name veränderte sich von Netscape Navigator in Netscape Communicator. Der Abstieg war allerdings nicht mehr aufzuhalten. 1998 markierte ausgerechnet die Übernahme durch einen anderen Internet-Pionier namens AOL das schleichende Ende der Netscape-Ära. Der Marktanteil lag inzwischen bei nur noch vier Prozent.
AOL führte die Weiterentwicklung des Browsers noch einige Jahre fort. Mit der eigenen zunehmenden Bedeutungslosigkeit stellte AOL mit der Browser-Version 9.0.0.6 am 21. Februar 2008 die weiteren Programmierarbeiten am ehemaligen Netscape Navigator jedoch endgültig ein.
Spuren finden sich allerdings auch heute noch in einem inzwischen ebenfalls sehr beliebten Browser. Denn aus dem einstigen Codewort Mozilla und dem Quellcode des damaligen Netscape Communicators entstand ab dem Jahr 2002 der Open-Source-Browser Mozilla Firefox.