12. Oktober 2023, 14:30 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Arbeits-E-Mails im Mailprogramm der Firma – kann der Chef die Nachrichten eigentlich mitlesen? Und darf er es? Diese Fragen stellen sich viele Arbeitnehmer. TECHBOOK ist ihnen auf den Grund gegangen.
Wer einen neuen Job anfängt, erhält in der Regel eine Einführung in die allgemeinen Firmenabläufe – ein sogenanntes Onboarding – und in diesem Zusammenhang auch eine E-Mail-Adresse samt -Postfach. Hierbei geht es nicht zuletzt darum, arbeitsbezogene Kommunikation im Namen des Unternehmens zu führen, der meistens auch in der Domain-Endung enthalten ist. Die meisten Arbeitnehmer versuchen wohl ohnehin, professionell zu sein und sich so auch in Arbeits-E-Mails auszudrücken. Doch wenn man mal doch einen Fehler macht oder etwas „Sensibles“ geschrieben hat, würde das der Chef eigentlich mitbekommen? Anders gesagt: Kann der Chef Arbeits-E-Mails mitlesen? Die Antwort: ja. Aber ob er das auch darf, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Übersicht
Arbeits-E-Mails mitlesen – technisch ist das möglich
„Technisch können die Admins natürlich einstellen, dass in Mail-Boxen reingeschaut werden kann“, erklärt auf TECHBOOK-Nachfrage IT-Experte Faruk Gadzo, seines Zeichens selbst Network Admin. Und das sei nicht alles. Laut Gadzo lässt sich demnach auch voreinstellen, dass Kopien von Arbeits-E-Mails automatisch an den Chef versandt werden.
Allerdings: „In der Firmen-Software voreingestellt ist Datenschutz“, mahnt der Experte. Der neugierige Arbeitgeber müsste sich mit seinem Anliegen also gezielt an die IT-Abteilung wenden.
Rechtliche Lage ist komplex
Das Lesen fremder E-Mails ist gemäß § 206 des Strafgesetzbuchs (StGB) eine „Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses“ – und strafbar. Bei Verstoß gegen das Gesetz drohen Geldbußen und gar Freiheitsentzug.
Doch im beruflichen Zusammenhang ist es etwas komplizierter. „Stiftung Warentest“ hat das Thema in seiner Februar-Ausgabe 2021 behandelt. Demnach kann eine „Überwachung des dienstlichen E-Mail-Accounts im Einzelfall zulässig“ sein. Es hänge etwa davon ab, was im Arbeitsvertrag steht. Ist hier festgehalten, dass der Arbeitnehmer Firmengeräte und -konten ausschließlich für dienstliche Zwecke nutzen darf, dann darf der Arbeitgeber theoretisch stichprobenartige Kontrollen durchführen. Kurzum: Er darf die Arbeits-E-Mails von Mitarbeitern lesen. Denn er hätte keinen Grund, Privates zu erwarten – die private Nutzung der Firmen-Hardware und -Software ist ihnen schließlich untersagt.
Private Nutzung von Arbeitsrechner verboten? Halten Sie sich daran!
Sollte er fündig werden, kann das schnell zum Kündigungsgrund werden. Denn: „Beschäftigte, die während der Arbeitszeit private Dinge erledigen, begehen einen Arbeitszeitbetrug. Der Arbeitgeber bezahlt, obwohl er keine Leistung erhält. Das rechtfertigt eine, auch fristlose, Kündigung – und das sogar ohne Abmahnung“, schreibt dazu „Stiftung Warentest“.
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Gerichtsurteil setzt womöglich neue Maßstäbe
In der Praxis scheint es nicht immer so einfach zu sein. Das zeigt ein Fall aus Rumänien, der im Jahr 2017 vor Gericht landete. Dort wurde ein Mitarbeiter entlassen, weil er einen Messenger-Account für private Zwecke nutzte, den er im Auftrag des Arbeitgebers eigens für Kundenanfragen angelegt hatte. Scheinbar war der Fall klar: Der Mann hatte vertragswidrig gehandelt. Dennoch klagte er gegen die Kündigung – und erhielt Recht.
Details dazu sind im Presseraum des Europarats nachzulesen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte demnach entschieden, dass der Arbeitgeber durch das Lesen der Nachrichten seines Mitarbeiters gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen hatte. Dieser gewährleistet das „Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz“. Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund könnte dieser Beschluss generell neue Maßstäbe setzen. Auf jeden Fall müssten Arbeitnehmer stets sehr genau darüber informiert werden, was sie mit ihren Arbeitsgeräten und -kanälen dürfen und was nicht.
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„E-Mails kann sowieso jeder mitlesen“
Wer um seine Privatsphäre bedacht ist, der nutze mit E-Mails ohnehin das falsche Medium, warnt Gagzo. „Denn der Inhalt geht unverschlüsselt als Klartext über verschiedene Leitungen“, so der IT-Experte. „Da kann jeder mitlesen.“ In der Regel sind das Menschen, die Sie persönlich gar nicht kennen. Doch auch Mitarbeiter in Telekommunikationsunternehmen können laut Gadzo „in übertragene Bytes rein gucken und Mail-Fragmente einsehen“. Selbst wenn das wohl niemals absichtlich geschieht – für E-Mail-Absender wohl keine schöne Vorstellung.
Gadzos Tipp: Sehr private Dinge lieber per SMS versenden. Diese seien „ziemlich abgeriegelt“ und viel vertraulicher. „Niemand fängt mit dem Funkgerät ab, was man so durch die Gegend schickt.“