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Soft Vendor

Was wurde eigentlich aus dem ersten „Appstore“ Takeru von Brother? 

Brother Takeru
Der Takeru erinnert optisch beinahe an eine Poststation Foto: WikimediaCommons/ KAMUI, CC BY-SA 3.0
Lars Lubienetzki
Freier Redakteur

3. Februar 2024, 16:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Mit dem Soft Vendor Takeru war Brother, heute vor allem für Drucker bekannt, seiner Zeit weit voraus. Denn der revolutionäre Automat war gewissermaßen der erste Appstore der Welt. TECHBOOK stellt die ungewöhnliche Geschichte vor.

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Apps zu jeder Zeit an jedem Ort herunterladen, das gehört im Smartphone-Zeitalter zum Standard. Mitte der 1980er-Jahre ein solches Vertriebsmodell aufzubauen, klingt hingegen abenteuerlich. Der japanische Mischkonzern Brother Industries verfolgte genau diese Idee. Der Computer-Kosmos sah damals wie folgt aus: Es gibt kein einheitliches Betriebssystem, geschweige denn ein Betriebssystem mit grafischer Benutzeroberfläche. Microsoft und Apple kannten damals nur Computer-Nerds. Internet gab es nicht. Der Datentransfer lief per Telefonleitung und im besten Fall über ISDN. Software existierte nur auf Disketten. Eigentlich sprach nichts für einen Erfolg des Soft Vendor Takeru von Brother. Doch der Automat veränderte alles.

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Soft Vendor Takeru – japanischer Volksheld als Namensgeber

Der Name mutet zumindest schon mal göttlich an, denn Yamato Takeru, ein japanischer Volksheld, diente als Namensgeber für den weltweit ersten Appstore. Im Jahr 1985 stellte Brother die ersten 15 Takeru-Automaten zu Testzwecken auf.

Der Prototyp hatte eine simple Vorgeschichte. Im selben Jahr verabschiedete die japanische Regierung ein Gesetz zur Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes. Ab diesem Zeitpunkt durften auch private Unternehmen Telekommunikationsdienste anbieten. Der Staat gab somit seine Telefon-Hoheit auf.

In der Folge versuchten viele Unternehmen die neuen Möglichkeiten auszuprobieren, darunter auch Brother Industries. Die Wurzeln des traditionellen Konzerns liegen im Bereich Nähmaschinen. Mit der zunehmenden Automatisierung wandelte sich Brother jedoch zu einem führenden Hersteller von elektrischen Schreibmaschinen und Druckern.

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Marktliberalisierung und steigende Softwarenachfrage

Seit Beginn der 1980er-Jahre arbeitete Brother zudem mit der Nippon Telegraph and Telephone (NTT) zusammen, sozusagen der japanischen Bundespost. Gemeinsam mit der staatlichen Telefongesellschaft wollte Brother ein sogenanntes Videotex-System aufbauen. Dabei handelt es sich um einen frühen Vorläufer des Internets.

Durch die Marktliberalisierung im Bereich Telekommunikation wuchs der Bedarf nach Software rasant. Die Kundennachfrage ließ sich über die üblichen Vertriebsstätten kaum noch bewältigen. In Schlangen standen Menschen vor Elektronik-Kaufhäusern oder Computerläden, um ein Exemplar der neuesten Software zu ergattern.

Bei Brother arbeiteten die Fachleute daher an einer Lösung für die gestiegene Softwarenachfrage. So entstand die Idee eines zeit- und ortsunabhängigen Vertriebsmodells – die Geburtsstunde des Soft Vendor Takeru.

So funktioniert der analoge Appstore

Das Gerät hatte in seiner ersten Ausführung die Dimension einer Wohnzimmer-Schrankwand und ähnelte bei der Bedienung den damals sehr beliebten Videospiel-Automaten. Doch in dem riesigen Teil steckte unter der Haube eine Menge Technik. Die Funktionsweise war relativ einfach. Per Münzeinwurf musste ein Software-Kunde zunächst Disketten kaufen. Damals waren das häufig noch die flexiblen 5,25-Zoll-Disketten. Spätere Takeru-Automaten spuckten auch die 3,5-Zoll-Hard-Disketten aus.

Die erworbenen Disketten mussten anschließend wieder über ein Fach in den Automaten geschoben werden. Denn die Software landete per ISDN-Datenleitung auf der Diskette. Dazu verfügte der Takeru über eine Modem-Verbindung zu einem Brother-Server, auf dem sämtliche Dateien abgelegt waren.

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Im Schnitt benötigte der Automat etwa 20 Minuten, um alle Daten auf mehrere Disketten zu schreiben und auszuwerfen. Sollte eine Software über ein Handbuch verfügen, druckte der integrierte Drucker die Seiten direkt aus – allerdings nur, wenn das Handbuch weniger als zehn Seiten umfasste. Ansonsten druckte der Takeru eine Art Coupon. Damit konnten Kunden das Handbuch dann kostenlos per Post nach Hause bestellen.

Ideal für unabhängige Software-Entwickler

Was im Smartphone-Zeitalter völlig unzumutbar erscheint, bedeutete damals einen Riesenschritt nach vorn. Der Takeru von Brother schuf nicht nur die Möglichkeit, Software an jedem Ort und zu jeder Zeit zu erwerben. Gleichzeitig ermöglichte es der Automat unabhängigen Software-Entwicklern ihre Programme kostengünstig zu vertreiben. Den finanziellen Aufwand, um eine neu entwickelte Software auf unzählige Disketten zu schreiben, tausendfach in Kartons zu verpacken und dann in verschiedenen Geschäften zu platzieren, konnten sich einzelne Programmierer nicht leisten.

Weil diese Software-Entwickler den analogen Appstore von Brother für ihre Zwecke entdeckten, entwickelte sich das Vertriebsmodell zu einem Hit. Die wachsende Computer-Fangemeinde nimmt das Angebot dankend an. Schon damals ließ sich Brother seine Dienstleistung durch eine Provision vergüten. 30 Prozent mussten Software-Hersteller oder einzelne Entwickler an den Konzern abführen. Nach einem ähnlichen Provisionsmodell funktioniert heute jeder digitale Appstore.

Brother versuchte in den folgenden Jahren, auch das zeitliche Problem zu lösen. Denn 20 Minuten Schreibzeit bedeuten auch 20 Minuten, in denen nur ein Kunde das Gerät bedienen kann. Spätere Takeru-Modelle verfügten über eigene Speichermedien, um die langsame Datenübertragung per Telefonleitung zu umgehen.

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Überzogene Umsatz-Erwartungen für den Takeru

Gleichzeitig setzte Brother immer die neueste Technik ein, um die Ladezeiten so gering wie möglich zu halten. Doch am Ende halfen alle technischen Updates nichts. Es war nicht mal das aufkommende Internet, welches das Ende des Soft Vendor Takeru von Brother einläutete.

Viel mehr sorgten die völlig überzogenen Umsatz-Erwartungen der Brother-Verantwortlichen für den Rückzug im Jahr 1997. Damals standen etwa 300 Automaten im gesamten Land verteilt. Der Direktvertrieb von Software per Automat hatte sich zu einem Gewinngeschäft entwickelt.

Die Brother-Geschäftsführung träumte allerdings von Umsätzen beim Software-Verkauf im Bereich von 100 Millionen US-Dollar – eine völlig absurde Zahl. Denn zu dieser Zeit lag der Umsatz der gesamten japanischen Softwareindustrie bei etwa 200 Millionen US-Dollar. Sehr schnell zeichnete sich ab, dass ein 50-prozentiger Marktanteil mit dem Takeru niemals zu erreichen sein würde.

Deswegen wurde der weltweit erste Appstore Ende der 1990er-Jahre eingestellt. Tatsächlich dauerte es dann auch noch einige Jahre, bis die ersten digitalen Appstores an den Start gingen. So oder so, den Grundstein dafür hat der Soft Vendor Takeru von Brother gelegt.

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