23. November 2024, 16:47 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Über manche Dinge denken wir nicht groß nach, sondern nehmen sie als gegeben hin. Haben Sie sich allerdings schon einmal gefragt, warum die Festplatte bei einem Windows-System den Laufwerksbuchstaben C trägt? Warum nicht A oder 1? Das wäre zumindest von der logischen Reihenfolge nachvollziehbarer. Die Antwort darauf liegt in den Anfängen des Computer-Zeitalters.
Ältere Semester erinnern sich: Die Anfänge des Betriebssystems Windows sind eng verknüpft mit einem der ersten von IBM vertriebenen PC-Betriebssysteme, mit PC DOS oder später MS-DOS. Noch bis zum Jahr 1992, also bis zur Version 3.11, ist Windows nur eine grafische Erweiterung von MS-DOS gewesen. Um Windows zu starten, musste in die MS-DOS-Kommandozeile der Startbefehl „Win“ per Hand eingeben werden. Bei späteren Versionen wie Windows 95, ME oder Windows 98 wird der Befehl DOS-seitig automatisch ausgeführt. Die Geschichte der Buchstaben der Laufwerke beginnt allerdings über 20 Jahre davor.
Übersicht
Ein Programmierer setzt den Standard
In den frühen 1970er-Jahren programmiert der US-Amerikaner Gary Kildall das Betriebssystem CP/M. Die Abkürzung steht für Control Program for Microcomputers. Der Programmierer nutzt hauptsächlich den quelloffenen Code eines von IBM bereits in den späten 1960er-Jahren entwickelten Betriebssystems namens CP/CMS.
Computer verfügen damals in der Regel über zwei fest installierte Disketten-Laufwerke. Deswegen verwendet der Programmierer die Buchstaben A für das Laufwerk zum Hochfahren des Betriebssystems und B für das Laufwerk, mit dem Daten ausgetauscht werden können. An C denkt damals noch niemand, weil es kein anderes, kommerziell nutzbares Speichermedium gibt.
Disketten als bevorzugtes Speichermedium
Disketten sind in den 1970er-Jahren der Speicherstandard. Ganze Betriebssysteme passen auf eine kleine, flexible Kunststoffscheibe. Ein Betriebssystem ist damals nicht größer als ein Megabyte gewesen. Dafür reichten Disketten in den Formaten 5,25- und später 3,5-Zoll vollkommen aus.
Heute übliche Festplatten sind für den Einsatz in massentauglichen Computern noch völlig unbekannt gewesen. Im Jahr 1956 stellt IBM eine erste Festplatte vor. Das Laufwerk IBM 350 speichert etwa 3,5 Megabyte an Daten und verfügt über die Maße 173 x 152 x 74 Zentimeter (HxBxT). Vor allem ist die IBM-Festplatte unbezahlbar, unhandlich und unfassbar schwer.
Als übliches Speichermedium stehen Disketten-Laufwerke daher in der natürlichen Rangordnung der Namen vor der Festplatte. Bis heute, obwohl es dafür eigentlich keinen Grund mehr gäbe. Denn Disketten-Laufwerke sind schon lange im Computermuseum verschwunden.
Die Hartnäckigkeit bei der Namensgebung hängt wiederum eng mit der Weiterentwicklung von PC-Betriebssystemen zusammen.
Neue Betriebssysteme übernehmen Namen von Laufwerken
Für das von Gary Kildall selbst entwickelte Betriebssystem CP/M interessiert sich zunächst kaum jemand. IBM zeigt zwar Mitte der 1970er-Jahre Interesse, dabei bleibt es allerdings. In der Folge gründet der Programmierer eine eigene Firma namens Digital Research. Und siehe da: Plötzlich interessieren sich sehr viele Computerhersteller für das neue Betriebssystem.
Aufgrund des Erfolges von CP/M stehen plötzlich die Herrschaften von IBM wieder bei Gary Kildall und seiner Firma Digital Research auf der Matte. IBM erkennt Anfang der 1980er-Jahre das Potenzial von Personal Computern. Um diese kommerziell zu vermarkten, will das Unternehmen das Betriebssystem CP/M nutzen.
Damals sickern Gerüchte durch, IBM plane ein Update auf das Format CP/M 86. Die Zahl 86 steht dabei für die damalige Mikroprozessor-Generation 8086 von Intel. Tim Patterson dauert das alles viel zu lange. Der US-amerikanische Programmierer setzt sich an seinen Rechner und schreibt ein eigenes Betriebssystem. Das nennt er zunächst QDOS, die Kurzform von quick and dirty operating system.
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Microsoft macht MS-DOS zum Standard
Den Namen ändert Tim Patterson schnell in 86-DOS um, vielleicht in Anlehnung an das von IBM geplante Update. Für dieses weiterentwickelte Betriebssystem interessiert sich eine Firma mit dem Namen Microsoft. Das unbekannte US-Unternehmen kauft die Rechte an 86-DOS für eine einmalige Summe von 50.000 US-Dollar. Programmierer Tim Patterson wechselt gleich mit zu Microsoft.
In der Folge kreuzen sich bei der Entwicklung eines marktfähigen Betriebssystems die Wege von IBM und Bill Gates, seines Zeichens Gründer und Geschäftsführer von Microsoft. Der weitere Verlauf ist bekannt.
Im August 1981 präsentiert Microsoft seine DOS-Weiterentwicklung MS-DOS und setzt damit quasi einen neuen Standard für PC-Betriebssysteme. IBM lässt sich dieses Betriebssystem von Microsoft lizenzieren und vertreibt es eine ganze Weile unter dem eigenen Namen PC DOS. Ab den 2000er-Jahren verzichtet IBM darauf und nutzt den inzwischen weltweit bekannten Namen MS-DOS.
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Gewohnheiten ändern sich langsam
Im Zuge dieser langen DOS-Entwicklungsgeschichte hat sich im Bereich der Computertechnologie einiges getan. Festplatten-Laufwerke steigen zum neuen Standard auf, bekommen auf dem Rechner den Buchstaben C und lösen Disketten als erstes Laufwerk ab. Seitdem erinnern die Buchstaben A und B wie Grabsteine an eine ausgestorbene Speichertechnologie.
Obwohl die aktuelle Windows-Version schon lange nichts mehr mit den Codes des ursprünglichen MS-DOS-Vorläufers CP/M zu tun hat, bleibt die Namensreihenfolge der Laufwerke aus Gewohnheit unangetastet.
Zumindest in Windows 11 gibt es Ansätze einer Veränderung. Wer dort im Geräte-Manager auf „Treiber aktualisieren“ klickt, bekommt bei der Suche nach passenden Treibern auf dem eigenen Computer nicht mehr Laufwerk A angeboten. Die Suche beginnt nun direkt auf dem Systemlaufwerk namens C.