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Urgestein deutscher Computergeschichte

Was wurde eigentlich aus der Computer-Handelskette Atelco?

Die Filialen von Atelco Computer waren vor einigen Jahren noch häufiger im Stadtbild zu finden
Die Filialen von Atelco Computer waren vor einigen Jahren noch häufiger im Stadtbild zu finden Foto: picture alliance / Horst Galuschka | Horst Galuschka
Andreas Kötter
Freier Redakteur

22. Juni 2024, 9:11 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Von Mitte der 1990er- bis Anfang der 2010er-Jahre galt Atelco als Schlaraffenland für Anwender der Dos- und Windows-Welt. Die rund 40 über Deutschland verteilten Filialen der Kette hielten nahezu alles bereit, was man zum Bau eines leistungsstarken Rechners brauchte. Und in Sachen Kundenservice boten einige dieser Filialen gar ein Alleinstellungsmerkmal, wie es heute kaum noch denkbar scheint.

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Alles fing in Essen an, wo 1988 die Atelco Communications-Vertriebs GmbH gegründet wurde. Schon vier Jahre später, 1992, folgte mit dem Umzug nach Möhnesee eine Umstrukturierung, man kann sogar sagen, eine Neuaufstellung. Die Gemeinde Möhnesee, die erst 1969 im Zuge der kommunalen Neuordnung in Nordrhein-Westfalen entstanden war, liegt am Übergang von der Soester Börde zum Sauerland und ist nach dem benachbarten Möhnesee/der Möhnetalsperre benannt.

Hier wuchs die Atelco Communications-Vertriebs GmbH in den kommenden Jahren vom buchstäblichen Einzel- zum Großhändler und firmierte nun als Atelco Computer AG. Das Geschäftsmodell sah den Verkauf über das deutschlandweite Filialnetz wie auch über den Versandhandel vor. In den besten Zeiten unterhielt das Unternehmen annähernd 40 Filialen und hatte nach eigenen Angaben rund 500 Beschäftigte. In diesen Filialen gab es alles, was sich diejenigen wünschten, denen der typische Durchschnitts-Computer, den Aldi damals wiederholt anbot, nicht reichte. Was man benötigte, um sich in der MS-Dos- und Windows-Welt einen individuellen Computer zu bauen, vom Motherboard über das BIOS (Basic Input/Output System) bis zur Grafikkarte – bei Atelco wurde man stets fündig.

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Herausragender Service

Auch der Service hob sich von manch anderem Anbieter ab. Wer bei Atelco kaufte, wusste genau, was er wollte und war in gewisser Weise meist selbst eine Art Experte. Auf der anderen Seite der Ladentheke aber standen die wahren Nerds. Wer bei Atelco arbeitete, der war mit allen Wassern der Computer-Welt gewaschen. Diese enorme Kompetenz machte Atelco besonders. Zudem bot man auch telefonische Beratungen und Reparaturleistungen an. Ganz und gar außergewöhnlich aber war eine Dienstleistung, die es so sonst wohl nirgends gab. In einigen Filialen konnte man sich den gewünschten Computer nicht nur aus den vorher ausgewählten Bauteilen von einem Atelco-Profi zusammensetzen lassen. Man konnte diesem Prozess vor Ort auch beiwohnen, anschließendes Testen inklusive.

Dass Atelco dennoch zu Beginn der 2010er-Jahre in Schwierigkeiten geriet, hatte also ganz sicher nicht mit dem Kundenservice oder der Qualität der Bauteile zu tun. Tatsächlich hatten ähnlich aufgestellte Unternehmen, wie zum Beispiel ESCOM, damals der zweitgrößte Anbieter auf dem Markt, schon 1996 den Stecker ziehen müssen. Und auch der älteste Anbieter (seit 1975) und zwischenzeitliche Marktführer Vobis hatte bereits einen beispiellosen Niedergang hinter sich. Von den Anfang der 90er-Jahre europaweit nahezu 800 Filialen waren zuletzt gerade einmal sechs übrig (2022).

Atelco aber konnte in den 00er-Jahren sogar noch zulegen. Wies man 2007 einen Umsatz von 114,2 Millionen Euro aus, waren es 2008 bereits 147,8 Millionen Euro. 2010 hatte sich der Umsatz vorübergehend bei etwa 130 Millionen eingependelt. Jetzt aber machte man stetig wachsende Verluste. So musste man 2013 bei einem Umsatz von 123,4 Millionen Euro zwei Millionen Euro Verlust ausweisen. Ein Jahr später waren es schon 2,4 Millionen Euro – während der Umsatz auf 113,9 Millionen gesunken war. Das führte dazu, dass im Mai 2015 eine Umstrukturierung beschlossen und ein Investor gesucht wurde.

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„Vielleicht war die Zeit für diese Art Computervertrieb einfach vorbei“

Schon nach wenigen Wochen aber zeigte sich, dass dieser Plan nicht aufging. Anfang Juli 2015 stellte man daher einen Insolvenzantrag. Bereits am 23. Juli wurde vor dem Amtsgericht Arnsberg das Insolvenzverfahren eröffnet. In zwei Schritten – zum Herbst 2015 und zum 1. März 2016 – wurde Atelco schließlich von der K&M Computer GmbH und Co. Kg übernommen. K&M Computer war eine Tochter der Bora Computer Gruppe, die 2013 bereits Vobis übernommen hatte. Von den einst 40 und zuletzt 22 Filialen blieben nur noch acht übrig (Bremen, Duisburg, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Mannheim, Wiesbaden und Wuppertal). Von den beinahe 500 Beschäftigen wurden lediglich 100 übernommen.

„Vielleicht war die Zeit für diese Art Computervertrieb einfach vorbei“, wie 2023 der Autor des Blogs „Der Digisaurier“ in der Reihe „Fast vergessen …“ mutmaßte. Das „Urgestein des Geschäfts“, das nie ein Billigheimer war, hatte dem stetig wachsenden Margendruck nicht mehr standhalten und die Fixkosten nicht mehr decken können. Ein kleines Stück deutscher Computergeschichte war auserzählt, und Atelco war jetzt selbst Geschichte.

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