21. Juli 2022, 7:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wer Sennheiser hört, denkt vermutlich als Erstes an Kopfhörer. Dabei hat der aus Deutschland stammende Hersteller noch einiges mehr zu bieten – und darüber hinaus eine interessante Geschichte zu erzählen.
Sennheiser ist ein Hersteller von professioneller Audio- und Konferenztechnik. Große Bekanntheit erreichte das Familienunternehmen zudem mit Kopfhörern für den Endverbraucher. Anfang 2022 aber wurde die Consumer-Electronics-Sparte an den Schweizer Hörgeräte-Produzenten Sonova verkauft, der den Markennamen Sennheiser für Kopf- und In-Ear-Hörer sowie Soundbars weiterhin nutzen darf. Doch welche Geschichte steckt eigentlich hinter Sennheiser?
Übersicht
Alles startet mit einem Umzug
Der Elektronik-Ingenieur Fritz Sennheiser hatte während des 2. Weltkrieges am Institut für Hochfrequenztechnik und Elektroakustik der technischen Hochschule in Hannover gearbeitet. Weil die starken Beschädigungen durch den Krieg einen geregelten Betrieb bald unmöglich machten, wurde das Institut vorübergehend nach Wennebostel verlegt. Obwohl nach Kriegsende die meisten Mitarbeiter die kleine Ortschaft in der Nähe von Hannover verließen, entschloss sich Fritz Sennheiser dennoch in Wennebostel zu bleiben. Und nur wenige Wochen später, im Juni 1945, gründete er mit Labor W (W steht für Wennebostel) seine erste Firma, die zunächst Messgeräte für Siemens produzierte.
Schon 1946 aber brachte Labor W mit dem Mikrofon MD1 den ersten Meilenstein aus dem späteren Hause Sennheiser auf den Markt, dem bereits ein Jahr später das MD2 folgte. 1956 konnte Sennheiser sein erstes Richtrohrmikrofon präsentieren. Das Richtrohr- oder auch Interferenzmikrofon, bei dem der Mikrofonkörper durch ein vorgebautes Interferenzrohr konzeptioneller Teil der Bauform ist, eignet sich vor allem für Situationen, in denen eine Mikrofonierung aus nächster Nähe (meistens aus optischen Gründen) nicht infrage kommt. Zum Einsatz kommen Richtrohrmikrofone zum Beispiel als unsichtbares Mikrofon bei Kino-, Film- und Fernsehaufnahmen. Auch als Aufsteck-Richtmikrofon an Video- und Filmkameras oder zur Telemetrie-Messung an schnell fliegenden Objekten lassen sie sich nutzen.
Gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk, NDR, entwickelte Sennheiser zudem ein drahtloses Mikrofonsystem für den Profi-Einsatz bei TV-Übertragungen, das man der Öffentlichkeit 1957 präsentieren konnte. 1958 folgte die Umbenennung der Firma in Sennheiser Electronic.
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Sennheiser – der Goldstandard für die TV- und Rundfunk-Branche
In den kommenden Jahren erwarben sich die Profi-Mikrofone von Sennheiser den Ruf, der Gold-Standard für Funk und Fernsehen zu sein. Bis heute hat sich daran kaum etwas geändert. Und auch beim Endverbraucher wurde der Name Sennheiser zum Qualitätsbegriff. Eine HiFi-Euphorie hatte die Deutschen Ende der 1960er Jahre erfasst, und wer „seine“ Musik ungetrübt von jedwedem Nebengeräusch genießen wollte, der griff zu einem Kopfhörer von Sennheiser.
1982 übernahm der Sohn des Firmengründers, Jörg Sennheiser, die Geschäftsführung. Seit 2013 leiten die beiden Enkel, Daniel und Andreas Sennheiser, das Unternehmen. Seitdem wurden einige strukturelle Änderungen von großer Tragweite vorgenommen. 2017 und noch einmal 2020 sah man sich gezwungen, Arbeitsplätze abzubauen. Die Corona-Pandemie hatte die Veranstaltungsbranche beinahe zum Erliegen gebracht. In der Folge wurde die sonst so begehrte Audio-Technik nicht mehr im üblichen Rahmen nachgefragt.
Die wohl bedeutendste Änderung der Unternehmensgeschichte aber hat Sennheiser im Jahr angekündigt, sie trat am 1. März 2022 in Kraft. Sennheiser hat seine Endverbraucher-Sparte Consumer Electronics, die vor allem Kopf- und In-Ear-Hörer sowie Soundbar für TV- und HiFi-Geräte umfasst, für 200 Millionen Euro an den schweizerischen Hörgerätesteller Sonova verkauft. Nach knapp 80 Jahren bedeutet das für Sennheiser den wohl endgültigen Ausstieg aus dem Geschäft mit dem Endverbraucher. Die Niedersachsen wollen sich in Zukunft auf professionelle Studio- und DJ-Kopfhörer, professionelle Mikrofone sowie digitale Konferenzsysteme konzentrieren.
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Der Markenname bleibt den Kopfhörer erhalten
Auch wenn diese Entscheidung wohl selbst für viele Wirtschaftsexperten eine Überraschung war, hätte man schon vor fast zwanzig Jahren wissen können, dass diese Sparte für Sennheiser keine Heilige Kuh bedeutet. So hatte der damalige Firmenchef Jörg Sennheiser bereits 2005 in einem Interview mit Manager Magazin erklärt, das Unternehmen müsse „auch ohne den Kopfhörerbereich weiterleben können.“ Das Wirtschaftsmagazin hatte diese Aussage als „Paukenschlag“ und „als wenn Metro seine Cash-and-Carry-Märkte abgeben würde“ bezeichnet. Schließlich sorgte die Consumer-Sparte damals für 20 Prozent des Umsatzes.
Nicht zuletzt die Globalisierung und Corona aber haben dazu geführt, dass sich Sennheiser nun, rund 17 Jahre später, zum Handeln gezwungen sah. Für die Endkunden aber wird sich kaum etwas ändern. Die Consumer-Produkte werden wohl weiterhin in Wennebostel gefertigt werden, wenn nun auch unter Leitung von Sonova. Und auch der Name für die hochwertigen Kopfhörer und Soundbars bleibt der alte. Sennheiser hat Sonova eine unbefristete Lizenz für die Nutzung des Markennamens erteilt.