21. Februar 2020, 14:20 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Der Glasfaser-Netzausbau in Deutschland geht nach wie vor nur schleppend voran. Wie langsam die Entwicklung des deutschen Internets ist, zeigt ein aktueller, weltweiter Test von Breitband-Geschwindigkeiten. Auch dieses Jahr findet sich Deutschland europaweit auf den hinteren Plätzen wieder.
Die Internetverbindung lässt wieder mal zu wünschen übrig? Vielleicht wäre Auswandern eine Idee, schließlich gibt es mehr als zwei Dutzend Länder, denen Deutschland in Sachen Internet seit Jahren hinterherläuft. Die Kabelfernsehgesellschaft hinter der Webseite „Cable.co.uk“ präsentiert jährlich eine Rangliste von internationalen Internetgeschwindigkeiten. In diesem Jahr führen Taiwan, Singapur und Jersey die Tabelle an, während die USA etwas höher auf Platz 15 stehen und die Deutschen abgeschlagen auf Platz 27 landen.
207 Länder verglichen
In Zusammenarbeit mit der Seite WebsiteToolTester sammelte und analysierte Cable.co.uk Milliarden verschiedener Speedtests. Dabei schlossen die Forscher sämtliche eingereichten Daten aus, die beim Speedtest einen offensichtlichen Fehler in der Leitung hatten. Um in den Index aufgenommen zu werden, musste jedes Land seit Jahresbeginn (2019) mindestens 100 einzelne Geschwindigkeitstests durch Nutzer verzeichnen.
Der Ansatz der Studie birgt ein Fehlerrisiko, da Nutzer erst dazu tendieren, einen Geschwindigkeitstest zu machen, wenn ein (technisches) Problem vorliegt und die gemeldete Durchschnittsgeschwindigkeit langsamer ist als die verfügbare Geschwindigkeit aufgrund langsamerer Internetverbindungen im Haus. Deshalb würden die Landesdurchschnitte niedriger erscheinen, als man im Vergleich zu den Erfahrungen aus erster Hand erwarten könne, so die Autoren des Berichts. Da jedoch der Durchschnitt jedes Landes unter diesem – den Geschwindigkeitstests angeborenen – Fehler leiden wird, ist die jeweilige Platzierung im globalen Vergleich relativ zutreffend.
Weltweit ist die durchschnittliche Geschwindigkeit von etwa 9 Mbps im Jahr 2017 auf knapp über 11 Mbps im Jahr 2019 gestiegen – was von den Experten mit Verbesserungen der Infrastruktur begründet wurde.
Taiwan hatte laut der Studie Geschwindigkeiten von bis zu 85Mbps – es dauerte 8 Sekunden, um einen 5-GB-Film herunterzuladen. Deutschland verband sich mit durchschnittlich 25 Mbps und brauchte damit zum Herunterladen der selben Datenmenge etwa 27 Sekunden. Internetnutzer in den USA müssten den Angaben zufolge bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 32Mbps etwas mehr als 20 Sekunden auf einen Film warten.
18 der schnellsten 25 Länder sind europäisch
Von den 25 Ländern mit den höchsten Internetgeschwindigkeiten sind 18 in Europa ansässig. Basierend auf den von den Forschern untersuchten Daten haben alle Länder in den Top Ten zwischen 2018 und 2019 einen Anstieg der Geschwindigkeiten erlebt. Wobei der größte Anstieg mit einem Sprung von 190 Prozent von der Kanal-Insel Jersey verzeichnet wurde. In Jersey ist die gesamte Insel durch Glasfaserleitungen – und nicht durch langsamere Kupferleitungen – verbunden, wie es in den meisten deutschen Städten der Fall ist.
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Der Vergleichsindex gibt Aufschluss darüber, was die einzelnen Länder für schnelleres Internet tun. Er zeigt neben Platzierungsveränderungen auch prozentual die Verbesserung/Verschlechterung der Download- und Upload-Geschwindigkeiten des jeweiligen Landes im Vergleich zum Vorjahr.
Deutschland erneut weit abgeschlagen
Natürlich ist es keine Überraschung, aber es ist doch immer wieder irritierend: Beim Thema Breitband liegt Deutschland weder in den Top 10 noch in den Top 20. Erst während der letzten beiden Jahre schafften es die Deutschen wieder zurück in die Top 30!
Betrachtet man jedoch die Zuwächse im Vergleich zu den europäischen Nachbarn, wird deutlich, wie langsam der Ausbau in Deutschland voranschreitet. In Spanien war die Zuwachsrate zwei bis dreimal höher als hierzulande. Die Ergebnisse der Daten-Analyse wurden in dieser interaktiven Karte visuell anschaulich aufbereitet.
Dass Deutschland auch im europäischen Vergleich keine gute Figur macht, beweist die Platzierung einiger Länder, die beim Breitbandausbau mit Glasfaser richtig Dampf machen. Unter den weltweiten Top 5 sind drei Europäer zu finden: Schweden, Dänemark und Jersey. Unter den Top 10 sind außerdem noch Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz und San Marino, es geht also auch anders.
Die vier schnellsten Länder und Territorien der Welt
In Taiwan haben sich die Internetgeschwindigkeiten in den letzten Jahren eklatant verbessert. Dort ist die High-Tech-Branche einer der wichtigsten und heikelsten Industriezweige, der 18 Prozent des BIP des Landes ausmacht. Dieser Umstand veranlasste die taiwanesische Regierung dazu, große Investitionen in die digitale Infrastruktur zu tätigen, um sicherzustellen, dass den Firmen Internet mit sehr schnellem Tempo zur Verfügung steht. Einen ähnlichen Hintergrund haben die Entwicklungen in Singapur und Schweden.
- Taiwan (85,02 Mbps)
- Singapur (70,86 Mbps)
- Jersey (67,46 Mbps)
- Schweden (55,18 Mbps)
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Die Situation in Europa
Europa hat die weltweit höchste Konzentration von Ländern mit schnellen oder sehr schnellen Breitbandanschlüssen. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass fast ganz Europa über Breitbandgeschwindigkeiten verfügt. In der Studie wurde in 54 Ländern in der europäischen Region gemessen, und alle bis auf eines (Armenien) sind Teil der Top 100. Tatsächlich macht Europa erstaunliche 37 der 50 schnellsten Länder aus. Jersey ist mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 67,46 Mbps am schnellsten in Europa, während Armenien mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 4,85 Mbps das Schlusslicht Europas darstellt.
TECHBOOK meint
„Vollmundig und teils gar großspurig sind die Versprechen zahlreicher Internetanbieter in Deutschland. Doch gerade im europäischen Quervergleich wird deutlich, dass der Ausbau der Breitbandverbindung hierzulande nach wie vor einem Trauerspiel gleicht. Natürlich ist das Jammern auf hohem Niveau und man kann entspannt auf andere Länder wie Großbritannien oder Italien zeigen, die sich mit noch langsameren Internet herumplagen - aber eine wirklich plausible Erklärung für den ausbleibenden Fortschritt ist das letztendlich nicht.“– Jules Finn Birner, Redakteur