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S20 in zwei Versionen

Samsung verkauft in Europa Galaxy-Smartphones mit weniger Leistung

Vorstellung des Galaxy S20 in San Francisco
Das Galaxy S20 markiert das zehnjährige Jubiläum der Galaxy-S-Reihe Foto: Picture Alliance
Adrian Mühlroth
Redakteur

14. Mai 2020, 17:29 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Das Galaxy S20 wurde von Samsung als Jubiläum gefeiert und es ist ein tolles Smartphone. Zumindest in vielen anderen Ländern auf der Welt – jedoch nicht so sehr in Europa. Hier werden Geräte mit weniger leistungsfähigen Chips verkauft.

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Das Galaxy S20 ist nun schon seit Anfang März auf dem Markt und Samsung konnte sich wieder an der Spitze der Android-Smartphone-Hersteller beweisen. Was viele jedoch nicht wissen: Das Galaxy S20 – sowie S20+ und S20 Ultra – gibt es in zwei Versionen. Diese unterscheiden sich durch das System-on-a-Chip (SoC) – die zentrale Recheneinheit in Smartphones, auf der zum Beispiel Prozessor, Grafikeinheit und weitere Komponenten sitzen. In den USA, China, Japan und Südkorea wird das Galaxy S20 mit einem SoC des US-Herstellers Qualcomm verkauft. Der Rest der Welt, darunter auch Europa, bekommt das Smartphone mit einem SoC von Samsung selbst – und dieser ist weniger leistungsfähig, wie detaillierte Tests ergaben.

Hier geht es zum TECHBOOK-Vergleich der Galaxy-S20-Serie

So unterscheiden sich die beiden Versionen bei der Leistung

Die US-Website „Anandtech“ hat sich wie schon im Jahr zuvor mit dem Galaxy S10 die beiden Varianten des Galaxy S20, S20+ und S20 Ultra angeschaut. Das hochspezialisierte Technikportal überprüft die Smartphones bis auf die Ebene der Chiparchitektur in sehr ausführlichen Tests. Im Gegensatz zu den meisten anderen Technikportalen hatte „Anandtech“ die Gelegenheit, die zwei verschiedenen Versionen des Galaxy S20 zu vergleichen. So konnten die Experten die S20-Variante mit dem Qualcomm Snapdragon 865 SoC und die Variante mit dem Samsung Exynos 990 SoC, die in Europa verkauft wird, genau unter die Lupe nehmen. Die Ergebnisse liefern ein exaktes Bild darüber, wie sich die Exynos- und die Snapdragon-Varianten, wie wir sie der Einfachheit halber nennen, unterscheiden.

Andrei Frumusanu von „Anandtech“ schreibt, dass die Energieeffizienz der beiden Varianten im normalen Gebrauch etwa gleichauf sei. Poweruser müssten aber mit der Exynos-Version Abstriche machen. Der Exynos 990 zieht daher in fast allen Benchmarks den Kürzeren – und das sowohl mit 60-Hz- als auch 120-Hz-Bildwiederholfrequenz. In einigen Tests performt die Snapdragon-Version mit der energiehungrigeren 120-Hz-Option sogar besser als die Exynos-Version mit nur 60 Hz.

Laut Frumusanu verbrauche der Exynos-Chip doppelt so viel Energie, um etwas weniger Leistung wie der Snapdragon zu liefern. Er bezeichnet dieses Ergebnis als „völlig enttäuschend und wirklich besorgniserregend für die Exynos-990-basierten Galaxy S20s“. Das bestätigen auch einige Posts einem Thread auf Reddit, der explizit für Erfahrungen mit der Akkulaufzeit des Galaxy S20 eingerichtet wurde.

Anandtech Galaxy S20 PCMark-Benchmark
Im Web-Browsing-Benchmark von PCMark, das die tägliche Nutzung gut simulieren kann, lässt sich deutlich erkennen, wie weit der Exynos hinter dem Snapdragon liegt. Sogar der Snapdragon 855 aus dem Galaxy S10+ schneidet erheblich besser ab. | Foto: „Anandtech“ Foto: Anandtech

Auch der populäre Tech-YouTuber Arun Maini alias „Mrwhostheboss“ aus dem Vereinigten Königreich hat beide Smartphones durch Benchmark-Tests laufen lassen. Maini ist für seine detaillierten und ausführlichen Smartphone-Tests bekannt. Er kommt nach mehreren sukzessiven Durchläufen auf folgendes Ergebnis: Die Snapdragon-Version bleibe auch nach dauerhafter Belastung konstant bei etwa 40 Grad, während sich die Exynos-Variante auf bis zu 66 Grad erhitze.

Das Problem dabei ist, dass bei höheren Temperaturen „Thermal Throttling“ eintritt, um die Temperaturen wieder zu reduzieren. Das wird damit erreicht, dass die Leistung erheblich runtergeschraubt wird. Deswegen sind die beiden Varianten bei den ersten Durchläufen relativ gleichauf, das Exynos muss aber bei dauerhafter Belastung sehr viel einbüßen. Maini konnte in seinen Tests nach Dauerlast einen Leistungsabfall von 20 Prozent beim Eynos-S20-Ultra beobachten, während das Snapdragon-Pendant praktisch die gleiche Leistung auch nach mehreren Durchläufen geliefert haben soll.

Der Leistungsverlust resultiert zu einem Großteil aus der verminderten Grafikleistung. Denn bei kurzzeitiger Belastung kann die im Exynos 990 verbaute Mali-G77-Grafikeinheit angeblich problemlos mit der Adreno 650 des Snapdragon 865 mithalten. Doch nach längerer Belastung soll die Leistung mehr als 30 Prozent einbrechen. Für ein Flaggschiff-Smartphone ist das kein gutes Ergebnis.

Im Basemark-Grafik-Test ist gut erkennbar, dass vor allem das Galaxy S20 Ultra mit Exynos unter Dauerlast (Sustained) fast unbenutzbar wird. Das S20+ mit Exynos schneidet besser ab, kommt aber nicht annähernd an das S20 Ultra mit Snapdragon ran. Selbst das Galaxy S10+ mit Snapdragon schneidet besser ab. | Foto: „Anandtech“

Auch im alltäglichen Gebrauch Probleme mit dem Exynos im S20

Dass dieses Problem nicht nur in synthetischen Benchmarks, die oft nur eine Vergleichswert liefern und nicht die Leistung im täglichen Gebrauch widerspiegeln, auftritt, zeigt jedoch der Gaming-Test vonArun Maini. Nach einer Stunde intensiven Gamings sollen bei der Eynos-Version starke Ruckler auftreten, die durchschnittliche FPS-Zahl (Bilder pro Sekunde) falle auf 15. Die Snapdragon-Version hingegen bleibe auch nach Dauerspielen komfortabel und kühl bei 60 FPS. „Anandtech“ schreibt dazu: „Die GPU-Leistung des [Exynos-]SoCs ist sehr enttäuschend, da die Langzeitleistung nur in etwa halb so hoch ist wie bei den Snapdragon-Modellen.“

Zwar seien die beiden Varianten laut Frumusanu bei der Maximalleistung in etwa gleichauf. Die GPU-Leistung im Dauertest sei beim S20+ mit Exynos jedoch kaum besser als beim bereits ein Jahr alten Galaxy S10+. Beim Galaxy S20 Ultra soll das Throttling sogar so schlimm sein, dass die Grafikleistung unter dem Niveau des Galaxy S10+ liegt: , so Frumusanu.

Auch bei den Kameras hat Tech-YouTuber Maini Unterschiede gefunden. Bei dem Snapdragon klappe das Wechseln zwischen den einzelnen Linsen nicht nur schneller, sondern auch deutlich sanfter.

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Warum gibt es überhaupt zwei Versionen?

Ursprünglich hatte Samsung diese Zweiteilung eingeführt, um den weltweiten Bedarf einfacher decken zu können. Damals waren die Samsung-Chips anderen Herstellern voraus, die Kapazitäten reichten jedoch nicht für eine weltweite Distribution aus. Samsung ist nun einer der letzten Hersteller auf dem Markt, der noch selbst seine Smartphone-Prozessoren entwickelt und herstellt. Fast alle anderen greifen auf vorgefertigte Prozessoren des Fabrikanten ARM zurück.

Konkurrent Qualcomm hingegen hat im Snapdragon 820 von 2015 das letzte Mal auf ein eigenes Chipdesign gesetzt, seitdem kommen nur noch vorgefertigte Prozessorkerne von ARM zum Einsatz. Das ist für den US-Hersteller zum Glücksfall geworden, denn seitdem ist fast jeder Snapdragon-Chip zum Erfolg geworden. Qualcomm hat sich mittlerweile als wichtigster Hersteller für High-End-Smartphone-Prozessoren behaupten können, während Samsung mit seinen Exynos-Modellen von Jahr zu Jahr hinterherhinkt.

Das hat nun auch Samsung erkannt: Der Exynos 990 ist Samsungs letztes eigenes Design, Ende 2019 hat das Unternehmen angekündigt, die CPU-Entwicklung einzustellen. Das wurde auch Zeit.

Werden europäische Käufer benachteiligt?

Auf TECHBOOK-Anfrage hat Samsung erklärt, dass beide Chips die gleichen Tests durchlaufen, geht aber nicht auf etwaige Unterschiede in der Leistung ein:

„Das Galaxy S20 wird je nach Region mit dem Exynos 990 oder dem Snapdragon 865 ausgeliefert. Beide Prozessoren durchlaufen die gleichen Testszenarien unter Realbedingungen, um eine stets optimale Leistung über den gesamten Produktlebenszyklus zu gewährleisten.“

Hervorzuheben ist, dass Samsung in dem Statement mit keinem Wort erwähnt, dass beide Chips überhaupt die gleiche Leistung liefern sollen. Es ist lediglich von „optimaler Leistung“ die Rede – das könnte sich aber einfach den jeweiligen Chip beziehen, nicht darauf dass beide die gleiche „optimale Leistung“ erreichen.

Die zweigleisige Strategie von Samsung hat europäischen Galaxy-S-Käufern in der Vergangenheit schon viel Kopfschmerzen bereitet. Zu erwähnen ist hier etwa das Galaxy S9 mit Exynos 9810, das so heftige Akkuprobleme hatte, dass Samsung extra ein Software-Update ausspielen musste. Mit dem Exynos 9820 im Galaxy S10 hat Samsung zwar einiges besser gemacht, konnte aber dennoch nicht die exzellente Energieeffizienz des Qualcomm Snapdragon 855 erreichen.

Das für gewöhnlich gut informierte Smartphone-Portal „Phonearena“ berichtet, dass sich Samsung auf einer Gesellschafterversammlung im März angeblich mit harscher Kritik auseinandersetzen musste. Einer der Aktionäre soll demnach Samsung-CEO Koh Dong-Jin sogar ziemlich direkt gefragt haben: „Was ist der Grund dafür, auf die schlechte Leistung von Exynos zu setzen?“ Koh soll darauf geantwortet haben, dass die Wahl des Chipsets aus wettbewerbstechnischen Gründen erfolge – nicht aus preislichen Gründen.

Doch erklärt nicht, warum einige das gleiche Geld für ein Smartphone mit weniger Leistung bezahlen müssen, nur weil sie nicht in einem der von Samsung auserwählten „Premium“-Länder leben. Samsung-Käufer in Europa haben deshalb sogar eine Petition gestartet, die mittlerweile bereits von mehr als 40.000 Personen unterschrieben wurde. Die Forderung: „Hört auf, uns minderwertige Exynos-Smartphones zu verkaufen!“

Die Exynos-Variante überzeugt immerhin in einem Punkt

Eine gute Nachricht für Besitzer der europäischen Version des Galaxy S20 gibt es. Wie TECHBOOK schon vergangenes Jahr mit dem Galaxy S10 berichtete, hat das verbaute SoC auch Einfluss darauf, wie gut Fotos aufgenommen werden. Denn in dem Chip sitzt ein sogenannter Bildsignalprozessor (ISP), der für die Verarbeitung von Bildmaterial verantwortlich ist. Da es sich um unterschiedliche Chipsets handelt, ist auch dieser Prozessor beiden Galaxy-S20-Modellen anders. Details und Kontrastumfang sind im Test von Maini offenbar vor allem bei vergrößerten Bildausschnitten erkennbar besser als in der Snapdragon-Version. Konturen seien beim Exynos verwaschener, dunkle Bildstellen weniger kontrastreich – beim Snapdragon sollen hingegen selbst Schriftzüge noch lesbar und dunkle Bereiche besser erkennbar sein.

Das könnte jedoch daran liegen, dass der ISP des Snapdragon einen stärkeren Schärfeeffekt über die Bilder legt, was zwar die Lesbarkeit erhöht, aber auch unnatürlich wirken kann. „Anandtech“ konnte in Foto-Tests außerdem feststellen, dass die Snapdragon-Version des Galaxy S20 Ultra anscheinend Probleme hat, die vollen 108 Megapixel der Sensors auszunutzen. Bilder, die mit dem Exynos-Modell aufgenommen wurden, waren in diesem Test offenbar generell schärfer und natürlicher. Frumusanu geht sogar so weit zu sagen, dass dieses Jahr die Qualität der Exynos-Bilder bei Tageslicht höher sei als beim Snapdragon.

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Fazit: Samsung hat viel Arbeit vor sich

Zwar ist positiv zu betonen, dass Samsung so lange versucht hat, seine eigenen Chipdesigns zu perfektionieren, Branchenprimus ARM ist aber einfach zu weit vorne und praktisch nicht mehr einholbar. Qualcomm hat das früh genug erkannt und ist Samsung daher bei Leistung und Energieeffizienz um Längen voraus. Ich hoffe nur, dass Samsung mit der nächsten Chip-Generation mit ARM-Prozessoren endlich mit Qualcomm gleichzieht und erstmals seit Jahren ein Galaxy-S-Smartphone vorstellen wird, bei dem auch Europäer die versprochene Leistung bekommen.

Viele werden denken, dass ich maßlose übertreibe. Das mag vielleicht auf den ersten Blick so wirken, denn das Galaxy S20 (sowie S20+ und S20 Ultra) sind auch in der Exynos-Variante hervorragende Smartphones. Aber wir reden hier schließlich nicht von einem 400-Euro-teuren Mittelklassegerät. Bei einem Premium-Smartphone, das je nach Ausstattung über 1500 Euro kosten kann, darf es keine Kompromisse geben, da muss einfach alles stimmen.

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