9. Dezember 2020, 12:55 Uhr | Lesezeit: 12 Minuten
Das LG Wing ist ein Smartphone mit außergewöhnlichem Formfaktor. Denn es besitzt einen schwenkbaren Bildschirm und so quasi eineinhalb Displays. Ob das Konzept überzeugen kann und wie sich das LG Wing technisch schlägt, hat TECHBOOK im Test geprüft.
Mittlerweile brauchen Smartphone-Hersteller mehr als nur Geräte mit guter technischer Ausstattung. Viele von ihnen experimentieren daher mit zusätzlichen Features und dem Design. Samsung, Huawei und Motorola haben beispielsweise Smartphones mit flexiblen Displays im Angebot. LG hat in der Vergangenheit bereits Geräte mit optionalen Zusatzdisplays herausgebracht. Mit dem LG Wing geht der Hersteller nun allerdings einen anderen Weg. Ein drehbares Display soll potenzielle Käufer überzeugen und neue Möglichkeiten in der Bedienung eröffnen. Gelingt LG das? Wir haben das LG Wing im Test näher unter die Lupe genommen.
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Inhaltsverzeichnis
LG Wing im Test – Design und Display
Hersteller LG ist zwar sehr bekannt, so ganz konnte das Unternehmen aber nie mit der Smartphone-Konkurrenz mithalten. Schade, denn LG hat in der Vergangenheit einige mutige und innovative Entwicklungen gezeigt – mit dabei nicht nur das erste QHD-Display im LG G3, sondern auch das erste gebogene Display im LG Flex. Auch das LG Wing sticht aus der Masse heraus. Zwar wirkt es auf den ersten Blick wie ein gewöhnliches Smartphone, hinter dem Display steckt aber mehr. Das Smartphone besitzt ein Display, das sich um 90 Grad drehen lässt und so einen zweiten Bildschirm freigibt. Dieser ist etwa halb so groß wie der Hauptscreen, bringt aber neue Möglichkeiten in der Bedienung.
Im normalen Zustand scheint das LG Wing ein gewöhnliches, wenn auch recht großes und vor allem dickes Smartphone zu sein. Das Display hat eine Diagonale von 6,8 Zoll und löst 2460 x 1080 Pixel auf – Standardkost also. Auch sonst wirkt der Screen zwar gut, aber wenig besonders. Er bietet eine dank POLED-Technologie kontrastreiche und farbstarke Darstellung, stellt Inhalte scharf dar und ist auch für den Außeneinsatz ausreichend hell. Dank seiner leichten Biegung um die schmalen Ränder hat das Display zudem einen modernen Look. All diese Punkte gefallen im Test des LG Wing, sind aber nicht spektakulär – immerhin können viele Smartphones mit derart guten Displaydaten aufwarten.
Erst auf den zweiten Blick offenbart sich das Besondere am Gerät. Der Bildschirm lässt sich drehen, sodass das Smartphone die Form des Buchstaben „T“ bekommt. Der Drehmechanismus macht das Smartphone allerdings auch sehr dick und schwer. Maße von 169,5 x 74,5 x 10,9 Millimeter sowie ein Gewicht von satten 269 Gramm gibt der Hersteller selbst an. Allerdings hat er dabei die etwas abstehende Rückkamera nicht mit einbezogen. Diese erhöht den Wert an der dicksten Stelle auf 12 Millimeter. Leicht zu handhaben war das LG Wing im Test daher nicht. Hinzu kommt, dass die Gewichtsverlagerung bei ausgeklapptem Display in der oberen Hälfte des Smartphones liegt. Die Hand muss das Gerät also fest packen, damit es nicht nach vorne wegklappt. Auf Dauer wirklich anstrengend.
Drehmechanismus wirkt solide
Um das Display zu drehen, muss der Nutzer es an der unteren rechten Ecke nur leicht nach links schieben. Der Bildschirm springt dann automatisch in die aufgeklappte Postion. Zur Seite geschwenkt gibt der Hauptscreen ein weiteres, darunterliegendes Display frei. Dieses hat eine Diagonale von 3,9 Zoll, nutzt ebenfalls die OLED-Technologie und kommt auf eine Auflösung von 1240 x 1080 Pixel. Auch hier greift LG also auf gute Displaydaten zurück.
Im Test des LG Wing machte der Drehmechanismus einen soliden Eindruck. Das muss er auch, immerhin werden Nutzer den Screen bei täglichem Gebrauch sicherlich einige Male drehen. Allerdings lässt sich ein deutlicher Zwischenraum zwischen den beiden Smartphone-Hälften erkennen, in dem sich schnell Schmutz ansammeln kann. Und dieser könnte dem Drehmechanismus zusetzen. Nutzer sollten daher sehr vorsichtig mit dem Smartphone umgehen.
Teilbewertung: 4,5 von 5 Sternen
System und besondere Nutzung
Das LG Wing kommt mit Android 10 zum Käufer. Darüber hat der Hersteller eine eigene Oberfläche gelegt, die recht intuitiv aufgebaut ist, allerdings auch einige vorinstallierte Apps beinhaltet. Neben zahlreichen LG-eigenen Anwendungen und der App „Booking.com“ finden sich auch Spiele wie „Asphalt 9“, „Modern Combat 5“ und „Sniper Fury“ auf dem Gerät. Zum Start sind daher auch schon 28,81 GB des insgesamt 128 GB großen Speichers belegt.
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Speziell für den Dual-Screen-Modus hat LG einige Anpassungen an der Nutzeroberfläche vorgenommen. Schwenkt der Anwender das Display, springt auch die Oberfläche automatisch um. Statt des gewohnten Startbildschirms erscheint eine reduzierte App-Übersicht, die etwas an das System eines Smart-TVs erinnert. Diese lässt sich um eine erweiterte App-Auswahl auf dem kleinen Bildschirm erweitern.
Allerdings nahmen wir im Test des LG Wing beim Wechsel zwischen Standard-Ansicht und Wing-Ansicht eine leichte Verzögerung wahr. Bis beide Bildschirme die Ansicht wechselten, brauchte das Smartphone eine Denksekunde. Und noch etwas fiel auf: Wird der Screen umgeschwenkt, bevor das Smartphone entsperrt ist, verändert sich auch die Position des Fingerabdrucksensors. Denn diesen hat LG unter dem Hauptscreen positioniert. Durch die veränderte Postion befindet er sich nun ganz oben links. Sollte der Nutzer zum Entsperren beispielsweise seinen rechten Daumen registriert haben, lässt er sich dadurch also nicht mehr so leicht scannen wie im zugeklappten Modus.
Drei verschiedene Nutzungsmethoden
Das drehbare Display des LG Wing erlaubt drei unterschiedliche Nutzungsmethoden. Die erste ist gleichzeitig die bekannteste. Hierbei ist der Screen eingeklappt und das Smartphone lässt sich wie jedes andere Handy verwenden. Sobald Nutzer den Bildschirm aber in die T-Position drehen, eröffnen sich zwei weitere Anwendungsmöglichkeiten.
Ausgelagerter Modus
Im ausgelagerten Modus dient das zweite Display als zusätzliches Bedienelement für eine Anwendung, was im Alltag unheimlich praktisch sein kann. Schreibt der Nutzer beispielsweise eine E-Mail oder surft im Web, wird das Textfeld im oberen Bildschirm angezeigt, die Tastatur allerdings auf den kleinen Bildschirm ausgelagert. Beim Ansehen von Videos über YouTube stellt das LG Wing den Film auf dem großen Display dar, auf dem Zweit-Display sehen Nutzer hingegen die Steuersymbole sowie die Schieberegler für Helligkeit und Lautstärke.
Paralleler Modus
Alternativ können Nutzer auch mit zwei verschiedenen Apps gleichzeitig arbeiten und dafür den zusätzlichen Bildschirm verwenden. So lässt sich auf dem kleinen Screen beispielsweise der Kalender anzeigen, während auf dem großen Bildschirm die E-Mail-App offen ist. Oder Nutzer schauen im kleinen Fenster ein YouTube-Video, während sie auf dem großen Display im Web surfen. Ein solcher paralleler Betrieb von zwei verschiedenen Apps ist zwar auch auf den meisten gewöhnlichen Smartphones möglich, allerdings kann es auf nur einem Screen schnell zu einem Platzproblem kommen.
Übrigens: App-Kombinationen, die Nutzer häufig verwenden, lassen sich als Verknüpfung auf dem Startbildschirm ablegen und so mit einem Klick gemeinsam starten.
Teilbewertung: 3,5 von 5 Sternen
Technische Ausstattung des LG Wing
Technisch gesehen bewegt sich das LG Wing in der oberen Mittelklasse. Den meisten Smartphone-Nutzern wird die Ausstattung vollkommen ausreichen und auch Gamer kommen mit der gebotenen Leistung auf ihre Kosten. Dafür sorgt der Snapdragon 765G mit 5G-Modem und 8 GB Arbeitsspeicher. Der Prozessor ist zwar nicht die Oberklasse, die Qualcomm zu bieten hat, doch immer noch sehr leistungsstark. Im Test des LG Wing bot er eine verzögerungsfreie und flüssige Bedienung.
Wie bereits erwähnt, bringt das Smartphone 128 GB internen Speicher mit. Dieser lässt sich per Micro-SD-Karte erweitern. Zudem funkt das LG Wing über WLAN ac sowie LTE und 5G und erlaubt die Datenübertragung via Bluetooth 5.1 und NFC. Auf Stereo-Lautsprecher müssen Nutzer verzichten, der Ton wird lediglich über die Lautsprecher am unteren Rand ausgegeben – nicht ideal, was man dem Klang leider anmerkt.
LG Wing | |
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Display | Hauptscreen: 6,8 Zoll, POLED Zweit-Display: 3,9 Zoll, OLED |
Auflösung | Hauptscreen: 2460 x 1080 Pixel, 395 ppi Zweit-Display: 1240 x 1080 Pixel, 419 ppi |
Prozessor | Snapdragon 765G, Octa-Core, 2,3 GHz |
RAM | 8 GB |
Speicher | 128 GB, erweiterbar per micro-SD bis 2 TB |
Hauptkamera | Triple-Kamera 64 MP Weitwinkel, f/1.8 13 MP Super-Weitwinkel, f/1.9 12 MP Weitwinkel bzw. Gimbal, f/2.2 4K-Videos mit bis zu 60 fps |
Aufnahme-Modi | Porträt, Sticker, Nachtaufnahme, Zeitlupe, Panorama, Zeitraffer |
Frontkamera | 32 Megapixel Pop-up-Kamera, f/1.9 |
Akku | 4000 mAh, Quick Charge 3.0 mit 25 Watt, kabelloses Laden mit 12 Watt |
Software | Android 10 |
Sicherheit | Fingerabdrucksensor unterm Display, PIN, Passwort |
Verbindungen | Bluetooth 5.1, NFC |
Internet | WLAN a/b/g/n/ac, LTE, 5G |
Sonstiges | drehbares Display, Dual-SIM, IP54, US-Militär-Test 810G |
UVP | 1099 Euro |
Teilbewertung: 4 von 5 Sternen
Kamera mit Besonderheiten
Wie das Design des LG Wing zeigte auch die Kamera im Test einige Besonderheiten. Die Rückkamera besteht beispielsweise aus drei Sensoren und ist mit einer Gimbal-Funktion für Aufnahmen ohne Verwacklungen ausgestattet. Die Frontkamera lässt sich hingegen vollkommen im Gehäuse versenken. Dennoch: Im Detail zeigte die Kamera des LG Wing im Test leider ein paar Schwächen.
Triple-Kamera mit Gimbal-Funktion
Die Triple-Kamera des LG Wing besteht aus einem Weitwinkel mit 64 Megapixel und f/1.8-Blende, einem Ultra-Weitwinkel mit 13 Megapixel und f/1.9-Blende sowie einem 12-Megapixel-Weitwinkel, der auch als Gimbal-Motion-Kamera dient. Abgesehen von der digitalen Gimbal-Funktion gibt es keine weitere Stabilisierung. Die Dreifach-Kombi sorgt für gute, aber nicht überragende Fotos bei Tageslicht oder Kunstlicht. Bei genauerem Hinsehen fehlt es den Fotos allerdings an Schärfe. Zudem wirken die Farben zwar natürlich, sind mitunter aber etwas blass. Während die Konkurrenz hier etwas zu sehr nacharbeitet und auf knallige Farben setzt, zeigt sich LG in der Aufbereitung etwas (zu) zurückhaltend.
Wählen Nutzer einen größeren Bildausschnitt mit Ultra-Weitwinkel, zeigen sich kleinere Probleme bei der Belichtung. Vor allem dunklere Bildbereiche verlieren an Details. Die Belichtung könnte allgemein besser sein. Immerhin bietet das LG Wing aber einige Möglichkeiten, Aufnahmen aufzumotzen – darunter lustige Sticker. Dies mag zwar nur eine Spielerei sein, sorgte im Test aber für einige Lacher.
Die Stärke der Kamera liegt im Gimbal-Modus, den LG über eine digitale Software-Lösung umsetzt. Er wird automatisch aktiviert, sobald Nutzer das Display des LG Wing aufklappen und die Kamera starten. Mit einer Art Joystick lässt sich der Bildausschnitt von links nach rechts schwenken, ohne das Smartphone dabei zu bewegen. Auch der Fokus kann so angepasst werden. Durch die Gimbal-Funktion lassen sich nicht nur Panorama-Fotos ohne Verzerrung aufnehmen, der Bildausschnitt bleibt auch dann stabil, wenn Nutzer das Smartphone während der Videoaufnahme einmal um die eigene Achse drehen – hervorragend! Schade ist nur, dass der Gimbal-Sensor die niedrigste Auflösung im Kamera-Trio hat.
Pop-up-Frontkamera
Aufgrund der Bauart des LG Wing musste sich der Hersteller eine Lösung für die Frontkamera einfallen lassen. Er hat sich für eine Pop-up-Lösung entschieden, die wir bereits von anderen Herstellern wie Oppo und Xiaomi kennen. Im Falle des LG Wing hat die Frontkamera eine Auflösung von 32 Megapixel und besitzt eine recht gute f/1.9-Blende. Sobald Nutzer die Frontkamera aktivieren, fährt sie automatisch aus dem oberen Gehäuserand. Dennoch ist sie recht schnell einsatzbereit. Im Test des LG Wing waren wir überrascht, dass sie im Vergleich zur Hauptkamera Farben sogar etwas besser darstellte. Selfies wirken natürlich, nicht zu sehr optimiert und profitieren zudem von einer guten Belichtung in Innenräumen.
Teilbewertung: 4 von 5 Sternen
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Akku des LG Wing im Test
Solide, wenn auch wenig spektakulär zeigt sich der Akku des LG Wing im Test. Er hat eine Nennladung von 4000 mAh, was für ein Smartphone dieser Größe und mit zweitem Display fast schon an der unteren Grenze des Vertretbaren kratzt. Wir hätten uns etwas mehr Kapazität gewünscht. Im Test kamen wir mit einer Akkuladung zwar gut über den Tag. Ist das Smartphone allerdings etwas älter und der Akku nicht mehr ganz so frisch, könnte sich das ändern.
Immerhin unterstützt das LG Wing Quick Charge 3.0 mit bis zu 25 Watt. Mit dem mitgelieferten Netzteil lässt sich die Batterie somit zügig wieder laden. Auch kabellos ist das Aufladen möglich. Hierbei ist bei 12 Watt allerdings Schluss.
Teilbewertung: 4 von 5 Sternen
Preis des LG Wing
Abschließend noch ein paar Worte zum Preis. LG verkauft das LG Wing für 1099 Euro, inklusive Zubehör wie einer Kunststoff-Hülle, einem Ladekabel und einem Netzteil. Zur Auswahl steht das Handy in den Farben Aurora Grey (Dunkelgrau) und Illusion Sky (Silberblau). Betrachten wir nur die technische Ausstattung, ist der Preis sehr hoch. Käufer zahlen hier somit den besonderen Formfaktor mit, mit dem sich das LG Wing aus der breiten Masse hervorhebt. Technisch ähnlich ausgestattete Modelle mit herkömmlichen Design gibt es bereits deutlich günstiger. Das ZTE Axon 20 5G und das OnePlus Nord für jeweils rund 400 Euro oder das Google Pixel 5 für etwa 615 Euro sind nur einige der Smartphones, in denen der Snapdragon 765G werkelt. Das LG Wing könnte es also schwer haben und wird vermutlich ein Liebhaber-Stück bleiben.
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LG Wing im Test: Fazit
Das LG Wing konnte uns im Test in einigen Punkten überzeugen. Es macht Spaß, mal wieder ein Smartphone in der Hand zu halten, das sich vom Einheitsbrei der vergangenen Jahre abhebt. LG hat sich dabei für ein Konzept entschieden, das es so bei einem Smartphone noch nicht gab. Die besondere Bedienung hat bei einigen Alltagsanwendungen durchaus Vorteile – allerdings kommt sie einher mit einem recht klobigen und schweren Gehäuse. Technisch ist das LG Wing gut ausgestattet, wirklich ins Auge fällt aber nur die Gimbal-Kamera. Und diese konnte im Test in ihrer Funktionsweise begeistern. Schade nur, dass die allgemein eher durchschnittliche Foto-Qualität diese tolle Funktion nicht unterstützt.
Gesamtwertung: 4 von 5 Sternen / 79 Prozent