4. Mai 2022, 7:00 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Android-Smartphones sind dafür gemacht, mit einem Google-Account, Google-Diensten und Google-Apps benutzt zu werden. Doch funktioniert das Gerät eigentlich auch ohne? TECHBOOK hat den Test gemacht und zeigt, wie es geht.
Fast jedes neue Android-Smartphone fordert bei der Ersteinrichtung dazu auf, sich mit einem Google-Konto anzumelden, um das „Gerät optimal zu nutzen“. Im Klartext heißt das, dass Sie mit der Anmeldung Zugriff auf den Google Play Store, dem umfangreichsten aller App Stores, erhalten und nach Belieben Apps installieren können. TECHBOOK hat getestet, ob Android auch ohne diese Google-Dienste funktioniert.
Inhaltsverzeichnis
Android ohne Google – geht das überhaupt?
Prinzipiell benötigt das Android-Betriebssystem die Apps von Google nicht, aber es ist definitiv auf die Benutzung der Dienste des Unternehmens ausgelegt. Ohne eine Verbindung mit einem Google-Konto werden Daten wie Kontakte, E-Mails, Passwörter und Einstellungen nicht synchronisiert und man erhält keinen Zugriff auf den App Store, wodurch das Smartphone weniger „smart“ wird. Wer sich reinfuchst, kann aber durchaus mit den richtigen Apps Android in seiner Reinform erleben.
Die Vor- und Nachteile
Der Vorteil eines Smartphones ohne direkte Verbindung zu Google ist, dass das Unternehmen nicht mehr so einfach an Daten kommen und diese für Werbezwecke nutzen kann. Normalerweise erfasst der Tech-Gigant fast alle Daten, die ihm Informationen über das Nutzerverhalten liefern. Darunter etwa oft besuchte Orte, welche Apps genutzt, wann Nachrichten geschrieben und welche Nummer angerufen werden, was gekauft und wo es gekauft wird, welche Seiten Sie besuchen werden oder was angeschaut und gehört wird. Je mehr Apps des Unternehmens Sie benutzen – darunter Gmail, Maps, YouTube, Chrome, Play Store, Fotos, Play Music und viele, viele andere – desto mehr Daten liefern Sie ihm.
Der Nachteil ist, dass ohne Googles Play Store Apps aus anderen Quellen bezogen werden müssen. Alternative App Stores haben zwar oft eine gute Auswahl, veröffentlichen App-Updates aber deutlich langsamer als beim Play Store. Fehlende oder späte Updates bieten viel Raum für Sicherheitslücken. Apps aus dem Google Play Store bekommen die Patches meist früher. Außerdem scannt Google mit seinem Play-Protect-Dienst alle Apps im Play Store auf Schadsoftware. Gerade bei Apps, die man aus dem Internet lädt, fehlt jeglicher Schutz, wodurch man sich schnell einen Virus einfangen kann. Zwar kann Play Protect auch diese Apps auf dubioses Verhalten überprüfen und wird dafür definitiv nach der Nutzererlaubnis fragen – aber damit gäbe man Google wieder mehr Informationen über das eigene Nutzungsprofil.
So benutzen Sie Android ohne Google
Schon bei der Ersteinrichtung kommt ein Anmeldefenster für das Google-Konto. Zwar suggeriert das Fenster, dass das Smartphone ohne die Anmeldung nicht optimal funktionieren kann, sie können jedoch getrost auf Überspringen klicken und trotzdem Ihr neues Gerät benutzen.
Schließen Sie den Einrichtungsvorgang ab, erscheint die Android-Oberfläche genau so wie sonst auch. Nun geht es daran, Alternativen für die vielen Google-Apps zu finden, die das Unternehmen bereitstellt. Zuerst brauchen wir dafür einen alternativen App Store, aus dem man Ersatzprogramme herunterladen kann. Wir haben uns für F-Droid entschieden, weil hier nur Open-Source-Apps angeboten werden, also Programme, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist. Man kann mit F-Droid also sicher sein, dass man nicht ausspioniert wird und obendrein sind alle Apps der F-Droid-Datenbank kostenfrei. Die App gibt es auf dieser Seite zum Download.
Zwar hat F-Droid bei weitem nicht so viele Apps wie der Play Store oder andere Alternativen wie der Amazon Store, jedoch braucht man sich keine Gedanken um die Weitergabe von Nutzerdaten zu machen. Nach der Installation von F-Droid kann es richtig losgehen! Wir müssen jetzt Ersatz-Apps für die ganzen Google-Dienste wie Maps, Chrome und YouTube finden. Zum Glück ist das in den meisten Fällen kein Problem. Einschränkungen gibt es jedoch vor allem bei Apps von Drittanbietern wie WhatsApp und Facebook. Deren Apps sind nur bei Google Play verfügbar, können aber zur Not auch direkt aus dem Internet geladen werden. Eine relativ sichere Seite dafür ist APKMirror, wo viele Apps aus dem Play Store zu finden sind.
Eine genaue Anleitung, wie Sie Apps ohne den Google Play Store installieren können finden Sie hier: Android-Apps ohne Googles Play Store installieren.
Ersatz für Google Apps in F-Droid
Die Apps in dieser Liste stammen von dem alternativen App Store F-Droid. Alle Informationen zu F-Droid finden Sie in unserem Artikel: F-Droid – eine komplett kostenlose Alternative zum Play Store?
Google Maps → OsmAnd+
OsmAnd+ ist eine hervorragende Alternative für Google Maps. Neben den Standardfunktionen wie Navigation gibt es etwa einen eingebauten Reiseführer mit Informationen von Wikivoyage und Erweiterungen wie einer Seekarte und Höhenlinien.
Google Chrome → Duckduckgo Browser
Der Enten-Browser sollte eigentlich immer die erste Wahl für das Surfen im Internet sein. Anstelle der Google-Suche benutzt der Browser die eigene Duckduckgo-Suche, bei der die Anonymität des Nutzers an erster Stelle steht.
Google Gmail → K-9 Mail
K-9 Mail wirkt durch die altbackene Nutzeroberfläche zwar älter als es ist, man sollte sich davon jedoch nicht täuschen lassen. Die Anmeldung mit der eigenen Mail-Adresse – sei es Outlook, GMX o.Ä. – klappt einwandfrei. Auch der Funktionsumfang stimmt, wenn man sich erstmal an die App gewöhnt hat.
YouTube → NewPipe
Mit NewPipe erhält man Zugriff auf das Videoportal YouTube, ohne dass man Gefahr läuft, dass alles, was man sich dort anschaut, bei Google zu einem Verhaltensprofil zusammengefügt wird. Uns hat die Oberfläche der App fast besser als die von YouTube selbst gefallen. Sogar Funktionen wie der Download von Videos ist möglich.
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Unser Fazit
Die Benutzung eines Android-Smartphones ohne ein Google-Konto ist prinzipiell möglich, aber wahrscheinlich nur für eine sehr kleine Zielgruppe wirklich interessant. Durch den Verzicht auf Vorzüge wie stets aktuelle und geschützte Apps aus dem Play Store erlangt der Nutzer erheblich mehr Kontrolle über seine eigenen Daten. Aber eine Reduzierung der Informationen, die an Google geschickt werden, bedeutet nicht, dass man auf einmal völlig anonym unterwegs ist.
Allein die Tatsache, dass Mobiltelefone mit Funkmasten in Verbindung treten, macht den Nutzer jederzeit verfolgbar. Außerdem hat Google durch Hintergrundprogramme wie die Google Play Dienste, die nicht abgeschaltet werden können, immer noch eine Hintertür auf jedem Android-Smartphone. Einziger Ausweg ist die Installation eines sogenannten CustomROM, mit dem das vorinstallierte Betriebssystem ersetzt wird. Dadurch geht jedoch die Garantie verloren und ein Fehler bei der Installation kann das Gerät „bricken“ – also buchstäblich in einen nutzlosen Stein verwandeln.
Sich nicht mit einem Google-Konto anzumelden und die Apps des Unternehmens so weit wie möglich zu meiden, ist also die beste Methode für Menschen, die Ihre persönlichen Informationen wieder in die eigene Hand nehmen und trotzdem nicht auf die Vorzüge eines Smartphones verzichten wollen.