3. Januar 2023, 18:09 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Forscher haben untersucht, wie man Fake News auf den sozialen Netzwerken wie YouTube, Facebook und TikTok erkennt. Dazu wurden irreführende Wahlinformationen als Werbeanzeigen geschaltet. Eine Plattform schnitt dabei überraschend schlecht ab.
Das Team der NYU (New York University) Tandon School of Engineering setzt sich aus der Initiative Cybersecurity for Democracy und der NGO Global Witness zusammen. Gemeinsam haben die Forscher untersucht, wie die großen sozialen Netzwerke mit sogenannten Fake News umgehen. Konkret ging es um falsche Informationen im Vorfeld der der US-Zwischenwahlen. Die Untersuchung ergab dabei deutlich, dass es teils große Unterschiede zwischen Erkennung und Entfernung von Wahldesinformationen zwischen den Anbietern gab. Ausgerechnet TikTok, das eigentlich keine politische Werbung auf der Plattform erlaubt, schnitt am schlechtesten ab.
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Politische Fake-News-Werbung umgeht Richtlinien
Die Forscher wählten für ihren Test die in den USA am meisten genutzten sozialen Medien aus. In diesem Fall: YouTube, Facebook und das chinesische TikTok. Dabei wurden auf jeder Plattform die gleichen 20 Werbeanzeigen geschaltet, die jeweils zur Hälfte in Englisch und Spanisch verfasst waren. Alle Anzeigen enthielten dabei entweder schlicht falsche Fakten wie ein anderes Wahldatum oder sogar gezielte politische Fehlinformationen. Obwohl alle drei Plattformen strikte Richtlinien für den Umgang mit politischer Wahlwerbung haben, kamen einige dieser Fake News problemlos durch.
Für ihr Vorgehen erstellte die Forschungsgruppe Scheinkonten mit offiziellem Sitz im Vereinigten Königreich und den USA. Die UK-Konten brachten immerhin 30 Prozent ihrer falschen Werbungen auf Englisch durch die Prüfung bringen. Wurde der Standort in die USA verlegt, verschlechterte sich hingegen bei den spanischsprachigen Anzeigen die Erkennung deutlich. Alarmierenderweise genehmigte Facebook dann sogar 50 Prozent der Desinformationen.
YouTube erkannte dagegen alle Desinformationen mit Bezug zur US-Wahl und stoppte die Veröffentlichung der Fake-News-Werbung. Zudem sperrte die Plattform das im Vereinten Königreich registrierte Scheinkonto, dass die Anzeigen schaltete. Damit schnitt Googles Videoplattform am besten ab.
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TikTok konnte allerdings fast keine falsche Wahlwerbung erkennen. Im Test konnten die Forscher 90 Prozent der Fake News als Werbung platzieren. Einzig Desinformationen zur Wahl mit Bezug zu Covid-Impfungen sperrte die TikTok-Software. Wahlwerbungen, die Menschen dazu bringen soll, zweimal zu wählen oder sogar ganz von der Stimmabgabe abzusehen, gingen dagegen problemlos durch den Prüfprozess.
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Fake News haben oft unentschlossene Wähler im Visier
Alle Anzeigen von der Forschungsgruppe wurden im Übrigen direkt gelöscht, nachdem es eine Annahmebestätigung von der entsprechenden Plattform gab. Dazu wurden die entsprechenden falschen Anzeigen hochgeladen und ein Veröffentlichungsdatum geplant. Nach der Bestätigung wurden jedoch sämtliche Anzeigen gelöscht, um nicht aktiv Fake-News-Werbung zu verbreiten. Außerdem war es den Forschern möglich, ihre Werbeanzeigen trotz des politischen Inhalts als unpolitisch darzustellen. Einen Verfikationsprozess mussten die Anzeigen entsprechend nicht durchlaufen. Alle erstellten Fake-News-Anzeigen verstießen zudem gegen die Regeln für Wahlwerbung von Meta, TikTok und Google.
Im Visier der Forscher waren in der US-Wahl umkämpfte Bundesstaaten wie Arizona, Colorado, Georgia, North Carolina und Pennsylvania. In diesen sogenannten „Swing States“ liegen die Wahlergebnisse der Demokraten und Republikaner besonders eng beieinander. Somit ist dort die Wahlbeeinflussung von besonderer Bedeutung, weil diese zum Beispiel nachhaltige Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen haben kann. Oft haben politische Fake News auch genau das Ziel, unentschlossene Wähler noch zu beeinflussen, indem man entweder eine Partei oder den ganzen Wahlvorgang diskreditiert.
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Lücken bei internationaler Durchsetzung von Richtlinien
YouTube konnte im vorliegenden Fall die Desinformationen zur Wahl des US-Kongresses durch Werbeanzeigen erfolgreich verhindern. Jedoch handelte es sich hier um offenkundige Fake News, deren Beauftragung von Konten aus England erfolgte. Auch wenn das für die US-Wahl gute Ergebnisse sind, zeigte sich YouTube dagegen weniger gut darin, Desinformation im nicht englischsprachigen Ausland zu erkennen. In einem ähnlichen Experiment im August 2022 testete nämlich Global Witness Desinformationen auf Facebook und YouTube Anzeigen zu Wahlen in Brasilien. Auf der Videoplattform konnten die Forscher 100 Prozent von Fake-News-Werbung im südamerikanischen Land ausspielen.
Ebenso bei Facebook: In einem ersten Anlauf kamen alle Desinformationen durch die Prüfung und wurden freigeschaltet. Damit ist erkennbar, dass auch Meta in Brasilien anders verfährt als in den USA. Global Witness machte den Meta Konzern auf das Problem mit den brasilianischen Anzeigen aufmerksam. Doch selbst in einem späteren Test stellte sich heraus, dass es bis zu 50 Prozent derselben Anzeigen durch den Überprüfungsprozess schafften.
Ein Sprecher von Meta dementierte dies und sagte zur aktuelleren Studie, dass diese lediglich „auf einer sehr kleinen Stichprobe von Anzeigen basiert und angesichts der Anzahl politischer Anzeigen, die wir täglich auf der ganzen Welt überprüfen, nicht repräsentativ [ist].“ Jedoch lässt sich aus der Studie zur brasilianischen Wahl definitiv schließen, dass es die US-amerikanischen Konzerne im Ausland mit falscher Wahlwerbung auch nicht so genau nehmen. Denn das Werbegeschäft ist eben auch ein Geschäftsmodell, das Geld bringt. Eine zu starke internationale Einschränkung wird demnach scheinbar noch vermieden.
Quellen
- Cybersecurity for Democracy, aufgerufen am 24.10.22.
- Global Witness, aufgerufen am 24.10.22.