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Anna Franziska Michel im TECHBOOK-Interview

Yoona-Gründerin: »Es ist nach wie vor nicht normal, als Frau zu gründen

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TECHBOOK hat mit Yoona-Gründerin Anna Franziska Michel über ihren Werdegang, Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit gesprochen.
Marlene Polywka Techbook
Redakteurin

23. Juli 2023, 8:58 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Künstliche Intelligenz, Design, Nachhaltigkeit, Produktion, Technik – mit ihrem Unternehmen Yoona AI bringt Anna Franziska Michel diese Dinge zusammen. TECHBOOK hat mit der Deep-Tech-Gründerin über die Branche und ihre persönlichen Erfahrungen gesprochen.

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Mode und Technik sind auf den ersten Blick zwei Dinge, die nicht unbedingt zusammenpassen. Anna Franziska Michel, CEO und Co-Founderin von Yoona AI, beweist, dass es durchaus viele Gemeinsamkeiten und vor allem Synergien gibt. Mit einer auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Softwarelösung will sie die Produktionsprozesse im Design-Bereich verkürzen und sie so moderner und vor allem nachhaltiger machen. Im Interview hat TECHBOOK mit ihr darüber gesprochen, wie sie sich die Zukunft der Branche vorstellt, wie es ist, als Frau ein Tech-Unternehmen zu gründen und warum Technologie und Nachhaltigkeit zusammengehören.

Yoona-Gründerin Anna Franziska Michel im Interview

TECHBOOK: Eine Frau an der Spitze eines Tech-Unternehmens ist nach wie vor ungewöhnlich. Wie war dein Weg dorthin?

Anna Franziska Michel: Ich kenne tatsächlich inzwischen einige andere und es gibt eine nette Community, in der man sich über Themen austauschen kann. Ursprünglich habe ich aber Lehramt studiert; Sport und Kunst. Dann habe ich Modedesign studiert, meinen Bachelor gemacht, Kollektionen entwickelt, einen Master drangehängt, ein Mode-Unternehmen gegründet, war dann bei anderen Unternehmen und habe für mich festgestellt: So möchte ich nicht arbeiten.

Als kreative Person in so einem Modeunternehmen denkst du, dass du dort auch kreativ sein kannst. Dem ist leider nicht so. Und nachhaltig ist es übrigens auch nicht. Deshalb habe ich überlegt, was man diesbezüglich machen kann. Da ging es schnell in Richtung IT. Ich wollte Coden lernen, habe dann mit einem Freund zusammen eine Software geschrieben. Der Ansatz war, Designs dabei persönlicher zu gestalten, damit die Leute sie länger tragen.
Darüber bin ich zurück an meine Hochschule gekommen, habe meinen Master begonnen, bin dann im Bereich Wirtschaftsinformatik gelandet und habe gemeinsam mit Prof. Dr. Ingo Claßen eine Forschungsgruppe gegründet und in diesem Rahmen für zwei Jahre mit anderen Masterstudierenden das Thema untersucht, wie man im Mode- beziehungsweise speziell im Creation-Bereich KI einsetzen kann.

Wo kommt bei dir das generelle Interesse für KI und auch Coding her? Gab es eine Art Initialzündung?

Mir ging es in erster Linie darum, Prozesse zu verkürzen und über diesen Weg habe ich mich gefragt, wie das alles digitaler werden kann. Dann habe ich viel recherchiert, unzählige Gespräche geführt, bin durch Deutschland gereist, habe mir die Modeunternehmen angeschaut, mich aber auch mit Technologieexperten ausgetauscht.

Dann ist das daraus ganz organisch gewachsen. So haben wir etwa schon 2015 auf der Fashion Week Podiumsdiskussionen zum Thema Digitalisierung und Mode gehabt. Alles immer nach der Frage ausgerichtet, wie man die Branche nachhaltig verändern kann. Im Nachhinein kann ich heute sagen, dass es nicht nur dieser Branche, sondern auch vielen anderen so geht.

Zum Beispiel?

Beispielsweise die Automobilindustrie, Möbelindustrie, Verpackungen – im Prinzip die Bereiche, bei dem man irgendetwas kreieren und dann herstellen muss. Also fast alles (lacht).

Da müssen Prozesse effizienter werden, vieles läuft noch manuell. Gerade in Sachen Digitalisierung ist Deutschland ja etwas weiter weg und in vielen Rankings nicht auf den vorderen Plätzen. Meine Vision war es immer, dem Mittelstand zu helfen. Und gerade der muss auch digitalisieren, um voranzukommen und nachhaltiger zu sein.

Was genau macht das Unternehmen Yoona?

Kannst du dazu bitte einmal kurz zusammenfassend erklären, wie Yoona genau arbeitet und funktioniert?

Also das Ziel ist es quasi, diese gesamte Wertschöpfungskette des Produkts, also vom Kreationsprozess bis zum Verkauf, zu digitalisieren. Wir sind also ein Produkt, aber auch ein Forschungsprozess. Wir haben mit einem Neural Painter angefangen, da wurde „nur“ gezeichnet. Heute kann man mittels generativer KI bereits viele Variationen eines Designs erschaffen.

Design ist immer bildlich. Wir trainieren die KI, entweder mit Inspiration aus dem Internet oder auch mit den Daten des Unternehmens. So entwickelt sich das Produkt weiter. Es gibt auch eine Augmented-Reality-App des Unternehmens mit integrierter 3D-Technik, um sich die neuen Designs bildlich vorstellen zu können.

Im Januar (2023, Anm. d. Red.) haben wir außerdem noch das dazugehörige Metaverse, also einen digitalen Raum, gelauncht, in dem man die Produkte auch kaufen kann. Für uns ist das Ganze zudem ein „Learningverse“, weil das für uns völlig neu ist. Wir können damit herausfinden, wie man Dinge in so einem Raum darstellt. Es ist ja theoretisch alles möglich: Produkte in 3D, Videotafeln und vieles mehr. Unser Ziel ist es, die komplette Produktkette auf diese Weise in wenige Klicks zusammenzufassen.

Bisher ist Yoona vor allem eine B2B-Lösung für Business-Kunden. Es wäre ja aber auch für B2C, normale Verbraucher, anwendbar, wenn man das Ganze etwas weiterdenkt, oder?

Es wäre theoretisch möglich, indem man Yoona etwa auf die Website der Unternehmen bringt. Das kann die Dinge deutlich anschaulicher machen. Theoretisch kann man das auf alles anwenden, Klamotten, Accessoires etc.

Wie sieht das Team von Yoona im Moment aus?

Wir werden aktuell von der HTW Berlin unterstützt. Wir sitzen auch dort in einem Büro, dem Existenzgründer-Zentrum. Das ist super, weil man die anderen Start-ups noch rundherum hat. Wir sind ein zehnköpfiges Team, nicht alle sind hier vor Ort in Berlin, vieles läuft auch remote. Mir ist zudem sehr wichtig, dass man Frauen einbindet. Wir haben beispielsweise eine Expertin für Machine Learning.

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Erfahrungen als Frau in der Tech-Branche

Wie war dein persönlicher Weg als Frau zur Gründung?

Das Modeunternehmen habe ich relativ früh gegründet. Tatsächlich war ich ja immer selbstständig und niemals irgendwo richtig angestellt. Ein Tech-Unternehmen zu gründen, war dann etwas sehr Organisches, ich bin da reingewachsen. Hätte ich das etwa mit 20 alles so vor Augen gehabt wie heute, dann hätte ich das alles auch schon mit 20 gemacht. Aber da landen wir bei dem Thema, dass Frauen oft auf eine gewisse Art und Weise erzogen werden, gerade beim Thema Unternehmertum.

Auch, wenn es normal sein sollte, als Frau eine GmbH zu gründen, meinetwegen auch mit 20 und dann noch im Technologiebereich, ist es das eben nicht. Ich wünsche mir für Mädchen und Frauen, dass das selbstverständlich ist. Inzwischen gibt es übrigens einige wirklich junge Frauen, die dann mit Anfang 20 ein Tech-Unternehmen gründen. Das macht mich stolz.

Hattest du konkrete Vorbilder, gerade auch zu der Zeit, als du gegründet hast?

Männliche (lacht).

Was ja auch total okay ist (lacht).

Tatsächlich waren es gerade zu Beginn die Klassiker. Elon Musk, Bill Gates, die ganz Großen. Dann sagt man sich: „Jetzt machen wir das genauso!“ (lacht). Das war aber vor allem zu Beginn.

Jetzt habe ich eher Start-up-Gründerinnen zum Vorbild, es gibt ja auch einfach viel mehr als früher. Die Bumble-Gründerin zum Beispiel ist inzwischen an die Börse gegangen. Solche Personen sind natürlich ein Vorbild.

Merkst du denn, dass du vielleicht inzwischen selbst ein Vorbild bist?

Tatsächlich ja, wenn ich zum Beispiel irgendwo Speakerin bin. Da kommen viele junge Frauen auf mich zu oder schreiben mir. Das ist auch eine wichtige Motivation, um immer weiterzumachen und damit auch anderen gewisse Ängste zu nehmen.

Ich bin damals mit zwei weiteren Frauen gestartet, die sich dann beide letztlich für den sicheren Job entschieden haben. Sie sind diesen Weg also nicht weitergegangen. Vielleicht ist auch das ein bisschen von der Gesellschaft explizit an Frauen weitergegeben worden, da fehlt dann eine gewisse Risikobereitschaft. Das sieht man anfangs auch in meiner eigenen Vita mit dem Lehramtsstudium.

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Nachhaltigkeit dank KI

Für dich war der Nachhaltigkeitsgedanke in der Wertschöpfungskette ein großer Antrieb. Wo siehst du diesbezüglich in den kommenden Jahren das größte Potenzial?

Technologie und Nachhaltigkeit gehören für mich zusammen. Wenn man zum Beispiel bei der Produktentwicklung mit digitalen A/B-Testings arbeitet, kann man von vornherein präziser bestimmen, welches Produkt überhaupt gewollt wird.

Damit fallen Prototypen weg, die man nicht mehr erstellen muss. Man bekommt genauere Design- und Produktvorstellungen und wirkt auch der Überproduktion entgegen. Da gehört auch das Metaverse dazu, in dem man Produkte digital anbietet. Für mich persönlich wäre das auch einfach eine richtig coole Lösung: Man klickt auf ein Produkt, bekommt es drei Tage später und es muss trotzdem nicht vorproduziert werden.

Wie realistisch ist das denn?

Da kommen wir zu Beispielen wie Shein, da gab es ja erst kürzlich wieder einen Shitstorm. Aber wenn man Sheins vollautomatisierte Prozesse in nachhaltige Unternehmen implementieren würde, wäre vieles möglich. Mein Wunsch wäre, dass vom Backend bis zur Produktionsstätte alles automatisiert wird im Produktbereich. Das wäre sowohl denkbar als auch nachhaltig.

Das Thema KI ist ja aber auch durchaus ein heiß diskutiertes. Die jüngsten Entwicklungen um ChatGPT und Co. haben das noch angeheizt. Dabei wird oft die Befürchtung formuliert, dass solche generativen KI kreative Prozesse zerstören. Wie stehst du dazu?

Ich habe vorher Kunst studiert und komme somit aus einem kreativen Bereich. Im Berufsleben habe ich dann festgestellt, dass tatsächlich nur 20 Prozent des Verkauften „kreativ“ war. Die anderen 80 Prozent sind sogenannte Basics, die haben nicht viel mit Kreativität zu tun. Das kann man von Mode sicher auch auf andere Bereiche übertragen.

Diese 80 Prozent Basics kann eine KI aber eben gut abbilden, weil es eigentlich eine Datenanalyse ist. Die persönliche Kreativität kann man dann gut auf die verbleibenden 20 Prozent anwenden. Wobei man auch da KI als Inspiration nutzen kann. Ich nutze etwa ChatGPT durchaus, wenn ich beispielsweise einen Vortrag halte. Oder auch beim Coden kann so ein Programm eine echte Hilfe sein.

Wo siehst du für Yoona noch Entwicklungsmöglichkeiten?

Wir sind in der guten Position, dass wir bei vielen Entwicklungen recht früh dabei waren. Gerade das Metaverse, das ich schon erwähnt habe, ist eine neue Möglichkeit. Damit haben wir die komplette Fashion Week begleitet, es haben etwa auch Podiumsdiskussionen mit Avataren stattgefunden. Solche Hybrid- oder rein digitalen Lösungen sind die Zukunft und wir leisten da meiner Meinung nach wirkliche Pionierarbeit. Und schon meine Kinder in der nachfolgenden Generation sehen diese Dinge ganz anders als wir.

Ich war kürzlich in New York und Boston, um mich zum Thema 3D-Druck auszutauschen. Da sehe ich auch eine Möglichkeit, Kleidung quasi on demand herzustellen, also erst digitale Produktentwicklung und dann anschließend der 3D-Druck. Das ist eine Möglichkeit, um das Metaverse wieder ins Physische zu übersetzen. Es gibt auch schon Designerinnen, die so etwas testen, was für uns natürlich sehr spannend ist. Kleidung ist da kein einfacher Fall, wobei Material auch ein generelles Thema ist. Außerdem braucht auch jeder Kleidung. Das macht die Industrie zu einer der größten der Welt.

Dann danke ich dir für das Gespräch und die spannenden Einblicke.

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