15. März 2024, 14:16 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
In Nordkorea funktioniert Technik oft anders als im Rest der Welt. Der kurioseste Fall sind wohl USB-Sticks, die aufgrund beschränkten Zugriffs auf Computer zu Mode-Artikel umfunktioniert wurden.
Nordkorea ist das wohl am meisten abgeschottete Land dieser Welt und für viele daher ein Rätsel. Da kaum Ausländer in das Land gelassen werden und nur wenigen Menschen die gefährliche Flucht ins Ausland gelingt, ist nicht viel über die verschlossene Gesellschaft bekannt. Dass Nordkorea aufgrund seiner Isolation technologisch rückständig ist, war bereits bekannt. Doch der russische Nordkorea-Experte Andrei Lankov hat herausgefunden, dass USB-Sticks dort einen etwas anderen Zweck erfüllen als im Rest der Welt. Sie werden als Fashion-Accessoire getragen. Was hinter dieser Geschichte steckt, hat TECHBOOK herausgefunden.
Zugang zu Computern extrem eingeschränkt
In seinem 2013 erschienenen Buch „The Real North Korea“ schreibt Andrei Lankov, dass nur sehr wenige Menschen in Nordkorea Zugriff auf Computer haben. Mit Red Star OS hat das Land sogar ein eigenes Betriebssystem, um nicht von Windows abhängig zu sein.
Aufgrund dieses eingeschränkten Zugriffs auf PCs wird entsprechendes Zubehör oft zweckentfremdet. Junge Nordkoreaner, die in der Hauptstadt Pyongyang leben, würden Lankov zufolge USB-Sticks, oft als modisches Accessoire tragen, anstatt darauf Daten abzuspeichern. Die USB-Sticks sind in Nordkorea legal erhältlich.
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USB-Sticks als „Analog Hack“ ins Land geschmuggelt
Doch warum sind USB-Sticks dort überhaupt so verbreitet? Nordkoreaner, denen die Flucht aus dem Land gelungen ist, treiben seit einigen Jahren die Verbreitung von Sticks mit Medien, die vom Regime verboten wurden, voran. Ursprünglich hat das von Geflüchteten gegründete North Korea Strategy Center in Eigenregie die Sticks über den Grenzfluss Tumen von China nach Nordkorea geschmuggelt. Seit einigen Jahren werden auch Ballons und Drohnen benutzt, um die Schmuggler vor Kontakt mit den Grenzwachen zu schützen.
In Nordkorea hat kaum jemand Zugriff auf das stark eingeschränkte und überwachte Internet. Die meisten Menschen kennen nur die staatlichen gesteuerten Massenmedien Fernsehen, Radio und Zeitungen. Der einzige Weg, Inhalte von außen ins Land zu bringen, ist also analog. Daher nennt man die Aktion auch „Analog Hack“.
Auf den USB-Sticks seien etwa koreanische Wikipedia-Artikel, aber vor allem Entertainment-Medien wie westliche Filme, südkoreanische Seifenopern, Dramen und Dokus sowie Popmusik. Manchmal sind auch einfach Bilder von Familienmitgliedern, die durch die Teilung Koreas getrennt wurden, auf dem Speicher abgelegt.
Die 2016 von der Non-Profit-Organisation Forum 280 und der Human Rights Foundation (HRF) gegründete Organisation Flash Drives for Freedom unterstützt das North Korea Strategy Center. Sie bietet eine weltweite Plattform, auf der USB-Sticks gespendet werden können. Stand Februar 2024 wurden so insgesamt 1,34 Millionen USB-Sticks nach Nordkorea geschmuggelt.
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Mittlerweile sind USB-Sticks mehr als nur Mode-Accessoire
Alle PCs in Nordkorea werden überwacht und laufen mit einer vom Regime selbst entwickelten Linux-Distribution, mit der alle Dateien nachverfolgt werden. Das Anschauen von Inhalten, die über die Grenze geschmuggelt werden, ist deshalb nicht ungefährlich.
Es gibt jedoch einen etablierten Schwarzmarkt, auf dem Mini DVD-Player für etwa 50 US-Dollar erhältlich. An diese lassen sich die USB-Sticks und SD-Karten anschließen. Das Regime hat diese in Nordkorea als „Notel“ (Kofferwort aus Notebook und Television) bezeichneten Abspielgeräte mittlerweile legalisiert. Sie sind daher den breiten Massen zugänglich. Es ist zwar weiterhin gefährlich, nicht staatliche Medien in Nordkorea anzusehen. Aber immerhin haben die Einwohner nun die Möglichkeit, einen Einblick in die Außenwelt zu erhalten.