Fährt man in den Urlaub, dann stellt sich immer öfter die Frage: Eine Kamera mitnehmen, um die Urlaubsbilder damit zu knipsen oder reicht auch das Smartphone? Generell haben Point-And-Shoots inzwischen einen harten Stand: Die Kameras in Smartphones sind über die Jahre so gut geworden, dass es für viele Gelegenheits-Knipser wenig Anreiz gibt, noch eine extra Kamera herumzuschleppen.
Dank Smartphone-Linsen optische Vergrößerung am Smartphone
Doch während die Bildqualität vieler Smartphones inzwischen beeindruckend ist, haben sie gegenüber „richtigen“ Kameras einen entscheidenden Nachteil: Aufgrund der extrem flachen Bauweise der Handys ist kein Platz für eine aufwendige Linsen-Konstruktion, die es erlaubt, zu zoomen. Stattdessen haben Smartphones nur Festbrennweiten verbaut oder behelfen sich gleich zwei Kameras nebeneinander, um eine zweite Brennweite zu ermöglichen. Ein fest verbautes Zoom-Objektiv bleibt weiterhin den Point-And-Shoot-Kameras und aufwärts vorbehalten.
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Das bedeutet aber nicht, dass man sich bei einem Smartphone mit nur einer Brennweite zufrieden geben muss: Spezielle Smartphone-Objektive, die direkt vor die Linse der eigentlichen Kamera des Smartphones platziert werden, sollen für mehr Freiheit beim Fotografieren sorgen. TECHBOOK hat zwei dieser Objektive ausprobiert: Zum einen die High-End-Variante Exolens von Zeiss. Über 200 Euro können hier einzelne Objektive kosten. Und zum anderen ein 5-in-1-Objektivset von Memteq: Mit einem Preis von nur rund 14 Euro führen sie die Verkaufscharts von Amazon an. Aber können Objektive für diesen Preis überhaupt etwas taugen und wie schlagen sie sich im Vergleich mit der um ein vielfach teureren Konkurrenz von Zeiss?
Die getesteten Smartphone-Objektive im Video ausgepackt und ausprobiert:
Das kann man von Smartphone-Objektiven erwarten
Zunächst sollte man sich darüber im Klaren sein, was Smartphone-Objektive leisten können – und wo sie an ihre Grenzen stoßen: Denn anders als bei Wechselobjektiven von Spiegelreflexkameras, die direkt vor dem Sensor der Kamera montiert werden, steht zwischen den Smartphone-Objektiven und dem Bildsensor immer noch die Original-Linse des Smartphones.
Das bedeutet: Die Fotos können nicht schärfer, rauschärmer oder höher aufgelöst werden, als es die fest verbaute Linse im Handy leisten kann. Im Zweifel geht eher etwas Schärfe und Licht verloren. Das heißt: Smartphone-Objektive sind in Sachen Bildqualität maximal so gut wie die Kamera des Smartphones. Was sie können, ist das Blickfeld der Kamera verändern. Also einen größeren Weitwinkel ermöglichen, Objekte mit einem Tele näher ranholen oder Makro-Aufnahmen möglich machen.
Wer sich bei seinem Smartphone also über zu starkes Rauschen bei Aufnahmen in Dunkelheit oder zu geringe Schärfe ärgert, der wird auch mit Smartphone-Objektiven nicht glücklich.
So schlägt sich die Billig-Variante gegen die High-End-Linsen
Würde man beim Vergleich der Objektive von Memteq und Zeiss nur auf die Bildqualität achten, wäre der Sieger klar: Die um ein vielfach teureren Zeiss-Linsen spielen in einer anderen Liga. Während man bei den Billig-Linsen mit unscharfen Rändern, deutlich merklicher Verzeichnung – besonders im Weitwinkel- und Telebereich – und starken Reflexionen bei harschem Lichteinfall kämpfen muss, liefern die Zeiss-Linsen eine deutlich bessere Bildqualität, bei denen nur das veränderte Blickfeld verrät, dass vor der Smartphone-Linse noch ein zusätzliches Objektiv ist.
Allerdings: Die Bildqualität der Billig-Linsen ist nicht so schlecht, dass man damit keine Fotos machen will. Teilweise erinnert der unscharfe Rand und die Verzeichnung sogar an einen Retro-Effekt.
Und auch in der Verarbeitung trennen die beiden Welten: Während die Zeiss-Objektive verarbeitet sind, wie man es von Objektiven für eine Spiegelreflexkamera und nicht ein Smartphone erwarten würde, wirken die Linsen von Memteq fast wie Spielzeug und sind sehr kleinteilig – dafür sind sie aber deutlicher leichter.
Teuer ist nicht gleich besser
Aber ganz fair ist so ein direkter Vergleich eh nicht. Die Zeiss-Objektive kosten schließlich fast das Zehnfache – dass sie da eine deutlich bessere Bildqualität produzieren, ist zu erwarten. Alles andere wäre eine Enttäuschung bei einer renommierten Objektiv-Marke wie Zeiss gegen ein No-Name-Produkt aus China. Die eigentliche Frage ist, ob sich der Aufpreis für die teuren Zeiss-Linsen auch lohnt – und ob man überhaupt zusätzliches Glas vor der Smartphone-Kamera braucht. Und da ist die Antwort gar nicht mehr so klar.
Denn die höhere Qualität kommt auch mit einigen Nachteilen daher: Die Exolenses sind schwer und verteilen das Gewicht ungünstig, wenn sie am Smartphone montiert sind. Und will man mehrere Objektive dabei haben, müssen die großen Linsen auch irgendwo verstaut werden. Die Billig-Variante ist da um einiges einfacher zu transportieren – zum einen wegen des geringen Gewichts.
Zum anderen, da die Objektive mithilfe einer Klammer am Smartphone gehalten werden. Braucht man die Objektive also nicht, klippt man sie einfach an die Klamotten oder die Tasche. Und da die Memteq-Linsen auch nicht Hunderte Euro kosten, neigt man auch nicht dazu, sie zu behandeln wie rohe Eier. Bei den Zeiss-Objektiven ist man schon deutlich vorsichtiger.
Und so ist es während des Tests häufiger vorgekommen, dass anstatt den optisch überlegenen Exolens-Objektiven die Billig-Konkurrenz den Weg in die Tasche schaffte, da ihre Benutzung deutlich unkomplizierter ist, als die der teuren Zeiss-Objektive.
Fazit
Smartphone-Objektive sind eine tolle Spielerei. Ob teuer oder billig – was beim Test besonders auffiel, ist, wie viel Spaß es macht, wenn man auch beim Smartphone das Gefühl von Wechselobjektiven wie bei einer vollwertigen Kamera hat. Dabei war es gar nicht so ausschlaggebend, ob die Fotos am Rand vielleicht etwas unscharf waren, oder man grundsätzlich in der Qualität Abstriche machen musste. Die Preis-Leistung stimmte bei den Billig-Objektiven.
Wer dagegen großen Wert auf Bildqualität legt und und in diesem Bereich keine Kompromisse eingehen will, wird mit den Billig-Objektiven nicht glücklich werden. Aber selbst hier empfiehlt sich es sich, vor dem Kauf eines teuren Einzelobjektivs auf ein günstiges Set zurückzugreifen – denn so kann man unkompliziert eine Reihe von unterschiedlichen Brennweiten ausprobieren. Wenn man also nicht genau weiß, welche Art von Smartphone-Objektive das richtige ist, kann sich der Umweg über ein günstiges Set lohnen, bevor man zu den teuren Einzellinsen greift.