2. August 2022, 17:02 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Tencent ist hierzulande nur wenigen bekannt. Dabei zählt das Unternehmen aus China zu den Giganten der Technologie-Branche. Zusammen mit Baido und Alibaba sind die Konzerne sogar einflussreicher als die GAFA, bestehend aus Google, Amazon, Facebook und Apple.
Der den asiatischen Markt beherrschende, chinesische Internet-Konzern Tencent ist in vielen Bereichen aktiv. Ganz besonders bei den Sofortnachrichtendiensten, sozialen Netzwerken, Onlinemedien, der interaktiven Unterhaltung und dem Netzhandel. Durch weltweite Zukäufe konnte Tencent seinen Einfluss sogar noch vergrößern und zählt heute zu wertvollsten Konzernen weltweit. Unumstritten aber ist Tencent im Westen nicht. Mittlerweile weht dem Unternehmen sogar im heimischen China der Wind hart ins Gesicht.
Übersicht
Die Entstehung von Tencent
Tencent wurde 1998 in Shenzhen von Ma Huateng und Zhang Zhidong gegründet. Es war 2021 mit einer Marktkapitalisierung von 418,3 Mrd. Euro und einem Umsatz von 81,6 Mrd. Euro nicht nur das größte und wertvollste Unternehmen Chinas, sondern zugleich auch eines der wertvollsten weltweit (Platz 11). Geschäfte macht Tencent mit allem, was das Internet hergibt: Sofortnachrichtendienste, soziale Netzwerke, Onlinemedien, Online-Gaming und Online-Handel.
Diese imposante Entwicklung wurde nicht zuletzt möglich dank der herrschenden Kommunistischen Partei Chinas. Die hatte aus Angst vor einer zunehmenden Kritik an ihrer Politik der Meinungsunterdrückung schon vor Jahren westliche Plattformen und Dienste wie Facebook, Google, WhatsApp oder Twitter rigoros ab- und damit ausgeschaltet. Tencent füllte das entstandene Vakuum daraufhin mit eigenen Angeboten. Heute gilt das Unternehmen mit seinem sozialen Netzwerk QQ, eine der zehn meistbesuchten Websites weltweit, als chinesisches Facebook bzw. mit dem Messenger-Dienst WeChat als chinesisches WhatsApp. Und auch in Sachen Suchmaschine (QQ Games SoSo), Bezahldienst (WeChat Pay und Tenpay) oder E-Mail-Client (Foxmail) hat Tencent Alternativen parat.
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Tencent hat die Hand in vielen Unternehmen
Tencents Aktivitäten gehen aber längst über China hinaus. Bereits 2008 hat man begonnen, Aktienpakete von einer ganzen Reihe westlicher Unternehmen aufzukaufen, um eine zu starke Abhängigkeit vom chinesischen Markt zu verhindern. So erwarb man zunächst Anteile von Riot Games, der US-amerikanischen Online- und Computer-Spiele-Firma, aus deren Schmiede u. a. „League of Legends“ stammt. Durch weitere Zukäufe konnte man Riot Games schließlich sogar ganz übernehmen.
Auch das finnische Supercell (u. a. „Clash of Clans“, „Clash Royale“) gehört heute zu Tencent, und ein weiterer zukünftiger Übernahmekandidat könnte Epic Games sein, an dem man mit 48 Prozent beteiligt ist. Anteile hält man zudem u. a. an Spotify und Snapchat.
Liegen diese strategischen Käufe wegen ihrer thematischen Affinität zum Tencent-Portfolio auf der Hand, so überrascht zumindest auf den ersten Blick die Beteiligung an Tesla. Zwar verfügt man „nur“ über fünf Prozent der Aktien. Schon das aber macht Tencent zu einem der größten Aktionäre des von seinen Fans geradezu kultisch verehrten US-Elektroauto-Herstellers.
Daten- und Kinderschutz
Tencents Erfolg kann aber nicht verschleiern, dass sich das Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder harscher Kritik ausgesetzt sieht. Kritikpunkte waren und sind etwa der Umgang mit der Privatsphäre der Kunden, aber auch Markenpiraterie oder fehlender Kinderschutz. Bis heute verwehrt Tencent Antworten darauf, wie man sich bei Anfragen der Regierung zu Nachrichten verhalte, die über WeChat versendet werden. Und auf handfeste Kritik reagiert das Unternehmen mit aller Härte. Als sich 2019 drei Blogger auf WeChat kritisch über das Gebaren von Tencent äußerten, verklagte man die drei kurzerhand. Eine Politik der Einschüchterung, mit der Tencent ganz klar auf Regierungskurs liegt.
In Sachen Kinderschutz scheint man aber dazu gelernt zu haben. Hier zeigt sich allerdings, dass Tencent Probleme gleichsam mit dem Vorschlaghammer löst. So darf seit Spätsommer 2021 zwischen zehn Uhr abends und acht Uhr morgens nur noch Computer spielen, wer mindestens 18 Jahre alt ist. Gesteuert wird das via Datencheck des Personalausweises. Mittlerweile ist man sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Minderjährige können jetzt unter der Woche nur noch eine Stunde pro Tag, an Wochenenden und Feiertagen zwei Stunden pro Tag spielen.
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Die KP macht selbst vor Tencent und Co. nicht halt
Dass diese Maßnahmen auf Selbstkontrolle und der Erkenntnis fußen, dass es der Entwicklung von Minderjährigen schadet, tagaus, tagein vor dem Rechner oder am Handy zu hängen, darf zumindest infrage gestellt werden. Denn so weitreichende Entscheidungen werden in China in der Regel nur von einer Institution getroffen – der kommunistischen Partei. Und tatsächlich hatte sich ein härteres Vorgehen der Behörden gegen die Anbieter von Online-Spielen angedeutet. So hatte eine staatliche Wirtschaftszeitung bereits Anfang August Online-Spiele als „geistiges Opium“ und „elektronische Drogen“ disqualifiziert. Ein klares Signal an die Verantwortlichen bei Tencent.
Überhaupt ist seit einiger Zeit zu beobachten, dass die KP die in wenigen Jahren zu Mega-Konzernen herangewachsenen Tech-Unternehmen des Landes in die Schranken weist, sobald die so etwas wie ein Eigenleben entwickeln. So titelte „ARD online“ im Juni 2021 „Peking legt sich mit Tech-Konzernen an“ und zitierte Duncan Clark, den Boss der in Peking ansässigen Unternehmensberatung BDA wie folgt: „Es scheint, dass die Regierung in China ihre Beziehung zu den großen Technologie-Unternehmen überdenkt.“ Ganz offensichtlich seien der kommunistischen Staatsführung einige der großen Tech-Firmen zu schnell groß geworden – und vor allem zu mächtig. So führe die herausragende Stellung der kommunistischen Partei immer wieder zu Spannungen zwischen den staatlichen, von der KP beaufsichtigten Großkonzernen einerseits und dem Privatsektor andererseits.
Und schon ein bloßer Post kann in China dazu führen, dass selbst einer der reichsten Männer plötzlich tief fällt. So kostete 2021 den Chef von Ant (Mutterkonzern der Bezahl- und Finanzdienstleistungs-App AliPay) eine online geäußerte Bemerkung zu Chinas Bankenwesen den in nur wenigen Stunden bevorstehenden Börsengang, der dem Unternehmen 30 Milliarden Euro eingebracht hätte. Die Anweisung zum Stopp soll damals von ganz oben gekommen sein.