9. April 2019, 7:10 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Lenovos Smart Display ist ein Angriff auf den Küchenfernseher. Und auf das Küchenradio. Und das Tablet neben dem Herd. Mit dem kleinen Standdisplay haben die Chinesen eine neue Geräteklasse erschaffen und wollen Smart Home und Sprachassistent ins Herz der Wohnung bringen.
Den Küchenfernseher? Kann man vergessen. Das Küchenradio kann auch weg. Und das teure Tablet muss auch nicht mehr als digitaler Rezeptblock in der Gefahrenzone rund um den Herd liegen. Wenn es nach Lenovo geht, soll nämlich das neue Smart Display all diese Aufgaben in der Küche übernehmen.
Hinter dem Namen verbirgt sich ein unauffällig gestaltetes acht oder zehn Zoll großes Tablet zum Aufstellen mit angedocktem Lautsprecher hinter gelochter Metallabdeckung – zum Preis von 179 beziehungsweise 239 Euro. Darauf läuft Googles Sprachassistent Google Assistant. Im Gegensatz zur bekannten Version vom Android-Smartphone wird hier aber auf dem Bildschirm auch alles recht nett mit Bildern angezeigt und Nutzer können weitere Anfragen stellen – per Sprachbefehl oder über das Touch-Display.
Tablet über Google Home einrichten
Also Packung auf, Stecker rein und einrichten. Das geht über die App Google Home ziemlich schnell und einfach. Damit das Smart Display gut funktioniert, muss man allerdings maximalen Zugriff auf alle Daten des Google-Kontos und dessen Aktivitäten geben. In einem nächsten Schritt lassen sich abonnierte Dienste verknüpfen. Für diesen Test sind es der Streamingdienst Spotify und die Steuerung vernetzter Philips-Hue-Leuchten. Nun noch den Toaster neben dem Herd durch das Display ersetzen. Fertig.
Der Alltagstest: „Hey Google, spiel Radio 1!“ Klappt, kein Problem. Das Smart Display spielt über den Dienst TuneIn diverse Radiosender, der eingebaute Lautsprecher schlägt sich ordentlich. „Hey Google, lies mir die Nachrichten vor.“ Klappt auch, allerdings kommen meist die Nachrichten vom Morgen, was am Abend schon etwas veraltet ist. Was noch nicht klappt: Live-TV.
Reines Fernsehen soll, so heißt es von Lenovo, bald über Dienste wie Zattoo möglich sein. Bis dahin müssen Nutzer etwa über Mediatheken-Apps auf dem Smartphone einen Stream starten und dann per Google Cast an das Smart Display senden. Netflix und Co. funktionieren bislang nicht. Hier gibt es nur die Antwort, dass so etwas auf dem Smart Display nicht läuft. Apps lassen sich auf dem Gerät übrigens auch nicht installieren.
Versteht einfache Kommandos
Nach einigen Tagen erweist sich das Smart Display als ganz praktischer Alltagsbegleiter. Die meisten Kommandos versteht es gut, so lange man sie einfach hält. Wetter abrufen, eine Karte von Budapest anzeigen, das Licht anschalten – alles kein Problem. Wer die Zeit investiert, kann mit dem Google Assistant auch zahlreiche Routinen anlegen und das Smart Display zur Zentrale im vernetzten Heim machen. Dann werden etwa kompatible Thermostate für die Heizung geschaltet – oder das Licht geht aus, wenn man die Wohnung verlässt.
Auch Videotelefonate sind über Google Duo möglich. Dazu lässt sich das Smart Display auch hochkant hinstellen, falls die Gegenseite ein Mobiltelefon nutzt. Wer nicht ständig im Blick der Kamera sein will, schiebt einfach den Sichtschutz vor. Auch einen mechanischen Schalter gibt es, der Lenovo zufolge die Mikrofone deaktivieren kann.
Und taugt das Smart Display nun als Kochhilfe? Die schnelle Antwort: Ja, mit Einschränkungen. Auf das Kommando „Hey Google, zeig mir ein Rezept für Lasagne.“ gibt es zahlreiche Ergebnisse. Auch andere Rezepte sind vorhanden. Zu speziell sollte es aber nicht sein. Während es einige Speisen in vielen Varianten und von vielen Seiten gibt, landet man bei anderen immer nur bei Chefkoch.de.
Schritt für Schritt kochen
Die Anleitungen selbst sind praktisch in einzelne Schritte mit Rezeptübersicht und Zutatenliste gehalten. Per Sprachkommando oder Fingertipp geht es zum nächsten Schritt. Wie erfolgreich das Kochen verläuft, hängt aber weniger vom Lenovo-Gerät selbst ab, als von der Qualität des Rezepts und dem Talent des jeweiligen Kochs. Jedenfalls sind die Rezepte meistens ansehnlich aufbereitet und gut gegliedert.
Es bleibt allerdings ein komisches Gefühl, etliche Male mit „nächster Schritt“, „nächste Zutat“ oder – weil die Pause zu lang war – mit „Hey Google, nächste Zutat“ voran zu kommen. Nach einer gewissen Zeit nerven die Kommandos und man fängt unweigerlich an, den Touchscreen zu nutzen. Schmutzige Finger und Soßenspritzer bringen den digitalen Küchenhelfer übrigens nicht aus der Ruhe. Mit einem feuchten Lappen lassen sich alle Kochspuren gut beseitigen. Praktisch: Per Sprachkommando lassen sich mit dem Smart Display auch mehrere Timer stellen. So behält man den Überblick, was wann vom Herd oder aus dem Ofen muss.
Die digitale Harmonie in der Küche hat aber Grenzen: Der Umgang mit dem Google Assistant ist nach wie vor stellenweise frustrierend. Weicht man von den eng gefassten Befehlen ab, geht häufig etwas schief – und man muss den Befehl umständlich wiederholen oder neu formulieren. Sehr häufig werden auch Befehle falsch verstanden und es landen völlig unerwünschte Youtube-Videos auf dem Display – das meiste davon ist völliger Schrott. Nervig. Manchmal aktiviert sich das Smart Display auch unerwartet, während der Fernseher läuft und quatscht unpassend dazwischen. Die schöne neue Welt ist an manchen Stellen einfach noch nicht so weit.
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Gelungener Gegenentwurf zu Echo-Produkten
Fazit: Soll der alte Küchenfernseher ohnehin zum Recycling, kann so ein Smart Display ein guter Ersatz sein. Videos, Radio, Streaming, einfache Internetrecherche – alles kein Problem. Wer gern nach Rezepten kocht, dem hilft das Gerät mit etwas Übung tatsächlich gut weiter. Wunder sollte aber niemand erwarten. Auch der Google Assistant macht aus untalentierten Löffelschwenkern keine Sterneköche.
Alles in allem ist das Smart Tablet ein gelungener Gegenentwurf zu Amazons Echo-Produkten mit Sprachassistentin Alexa. Man braucht für viele der angebotenen Funktionen allerdings kein eigenes Gerät. Etliche Funktionen des Google Assistant können auch vom Smartphone oder Tablet abgerufen werden – im Zubehörhandel gibt es dafür praktische Aufsteller. Hinzu kommen Stromkosten. Das Gerät läuft ständig und braucht pro Woche gut eine Kilowattstunde Strom.