20. September 2019, 13:24 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Noise-Cancelling-Kopfhörer erfreuen sich hoher Beliebtheit, tragen sie doch mit ihrer aktiven Geräuschunterdrückung zum Wohlbefinden und zur Stressreduktion bei. Allerdings lassen sich die meisten Hersteller diese Technik teuer bezahlen. Wir haben uns die günstigen Modelle von 35 bis 120 Euro angeschaut. Taugen die was?
Noise Cancelling ist eine großartige Erfindung. Wer in der Großstadt lebt und kein Auto besitzt, der wird tagtäglich von nervigen Geräuschen auf der Straße und dem Weg zur Arbeit geplagt. Aber auch auf Flugreisen ist man oft stundenlang dem Dröhnen der Triebwerke ausgesetzt. Besonders betroffen sind Berufspendler. Da sind Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung Balsam für die Nerven.
TECHBOOK hat bereits die besten Noise-Cancelling-Kopfhörer getestet. Allerdings kosten die Topmodelle wie beispielsweise der Sony WH-1000MX3 und der Bose QC 35 II rund 270 Euro – obwohl sie schon länger auf dem Markt sind. Bei Neuerscheinungen ist sogar ein Preisbereich zwischen 300 und 400 Euro üblich. Für die meisten Konsumenten sicherlich zu viel.
Deswegen wächst jetzt auch das Angebot an günstigen Noise-Cancelling-Kopfhörern. Doch können diese klanglich und vor allem bei der Geräuschunterdrückung mit der Topliga mithalten? Wir haben uns Modelle bis rund 120 Euro vorgenommen.
Panasonic RP-HTX90N
Es gibt momentan kaum Markenkopfhörer, die unterhalb von 100 Euro Noise Cancelling integriert haben. Eine der wenigen Ausnahmen ist der neue Panasonic RP-HTX90N. Obwohl der Einführungspreis bei 150 Euro lag, kann man sie mittlerweile schon für knapp über 100 Euro bekommen.
Optisch machen sie einiges her in ihrem Retro-Design. Das Drahtgestell mit Alu-Applikationen, sowie die ovale Hörerform heben sich von der Masse ab. Zudem hat man die Auswahl zwischen den Farben Beige, Dunkelblau und Schwarz. Nimmt man sie in die Hand, fällt auf, wie leicht sie sind: Mit gut 200 Gramm gehören sie zu den leichtesten Modellen.
Cooles Design – robuste Erscheinung
Obwohl klassenüblich Hartplastik verbaut wurde, fühlen sie sich robust an. Das müssen sie aber auch sein, denn eine Schutzhülle liefert Panasonic nicht mit. Schade auch, dass sie nicht faltbar sind. So wirken sie sperrig im Rucksack oder in einer Tasche.
Die komplette Bedienung erfolgt über Tasten am rechten Hörer. Diese sind teilweise recht ungünstig platziert, wenn man sie bedienen möchte, während die Kopfhörer über den Ohren sitzen. Das Noise Cancelling lässt sich zwar nicht regeln, aber immerhin ausschalten. Außerdem gibt es eine Extra-Bass-Taste.
Überraschend ist die von Panasonic angegebene lange Akkulaufzeit von bis zu 24 Stunden mit aktiviertem Noise Cancelling. Der Bestseller Bose QC 35 II hält laut Hersteller beispielsweise nur 20 Stunden durch.
Einen großen Unterschied zu den Topmodellen merkt man dann beim Aufsetzen der RP-HTX90N. Sowohl die Ohrpolster als auch der Bügel sind ziemlich straff, wodurch sie nicht gerade kuschelig anliegen. Außerdem finden große Ohren nicht besonders viel Platz in den Ohrmuscheln.
Schwaches Noise Cancelling
Schon passiv isolieren die Kopfhörer vergleichsweise schlecht vor Außengeräuschen. Ziemlich enttäuschend ist dann auch das aktivierte Noise Cancelling, denn eine Wirkung ist kaum spürbar. Es ist nur eine ganz leichte Dämpfung der Außengeräusche wahrnehmbar, wobei ein Grundrauschen hinzukommt. Selbst im üblichen Büroalltag werden die Stimmen der Kollegen sowie das Gewusel kaum gefiltert.
Da merkt man ganz deutlich den Unterschied zum Premium-Bruder im Konzern, dem Technics EAH-F70N. Mit 399 Euro kostet dieser aber auch fast vier Mal so viel.
Der Klang ist für sich genommen nicht schlecht. Es gibt ordentlich Bass und immerhin keine nervigen Hochtöne. Die Extra-Bass-Taste bringt nicht einen großen Zugewinn, muss sie aber auch nicht. Der Vergleich ist etwas fies, aber als wir den deutlich teureren Technics aufsetzten, offenbarten sich die Schwächen des Panasonic: der Bass ist da, aber nicht besonders differenziert. Bei den hohen Tönen fehlte es uns an Auflösungsvermögen.
Insgesamt wirkt der Klang bedeckt, als würde ein Schleier vor den Treibern hängen. Wer den Vergleich nicht hat und keine audiophilen Ansprüche stellt, könnte sich dennoch mit dem Klang zufriedengeben.
Zusammenfassung Panasonic RP-HTX90N
Vorteile
– sehr leicht
– robuster Eindruck
– cooles Retro-Design
– gute Akkulaufzeit von bis zu 24 Stunden
– Klang geht noch in Ordnung mit kräftigen Bässen
– Batteriestatus wird beim Ausschalten angesagt
Nachteile
– schwaches Noise Cancelling
– Klang nicht besonders detailreich
– größere Ohren passen nicht bequem in die Hörmuscheln
– nicht faltbar
– keine Schutzhülle
– keine Smartphone-App
Soundcore Life Q20 – ab 59,99 Euro
Wer gerne nach günstiger Technik im Internet stöbert, der wird vermutlich auch mal auf die chinesische Marke Anker gestoßen sein. Zu Anker gehört auch die Schwestermarke Soundcore, die vor allem auf Bluetooth-Speaker und Kopfhörer spezialisiert ist. Eines der neuesten Modelle ist der Life Q20. Dabei handelt es sich um einen Noise-Cancelling-Kopfhörer, der deutlich für unter 100 Euro zu haben ist.
Dafür ist die Ausstattung umfangreich: Laut Hersteller sind die Treiber für hochauflösende Musikwiedergabe geeignet (High-Res), das Gehäuse lässt sich falten – im Gegensatz zum Panasonic – und in einem mitgelieferten Kunststoffbeutel verstauen. Bluetooth 5.0 ist ebenfalls an Bord und natürlich Noise Cancelling. Mit einem Knopf lässt sich die Geräuschunterdrückung aktivieren und deaktivieren. Allerdings muss jedes Mal, wenn man den Kopfhörer einschaltet, die Funktion manuell wieder aktiviert werden. Zudem gibt es Tasten für die Lautstärke und die Musikwiedergabe.
Gutes Noise Cancelling, aber knarziges Gehäuse
Für den günstigen Preis haben nicht besonders viel erwartet – und wurden dann doch überrascht. Denn das Noise Cancelling arbeitet ziemlich wirksam. Es rausch zwar leicht im Hintergrund, aber nicht besonders störend. Denn im Gegenzug wird man mit einer deutlichen Reduzierung der Außengeräusche belohnt. Das ist eine Wohltat – selbst wenn man keine Musik hört.
Es gibt leider ein nerviges aber: Denn das günstige Plastikgehäuse gibt ab und zu Knarzgeräusche von sich, wenn man den Kopf bewegt. Das hatten wir bislang an keinem der von uns getesteten Modelle. Ob es sich um einen Einzelfall oder ein generelles Manko des Life Q20 handelt können wir leider nicht sagen. Der Sitz der Hörer ist aber insgesamt bequem, vor allem durch die sehr kuscheligen Ohrposter und einen nicht allzu festen Sitz.
Ein Klang, der Spaß macht
Klanglich waren wir dann wieder angetan. Erstaunlich fülliger und bassiger Sound kommt aus den Life Q20. Stimmen sind schön sauber und sehr deutlich wahrnehmbar ohne mit übertriebenen Höhen zu nerven. Tatsächlich hatten wir Spaß, mit den Soundcore Musik zu hören. Und darauf kommt es letztendlich an: ein Klang, der jedes Musikstück zum Erlebnis macht – auch wenn die Q20 nicht so detailliert und feinauflösend klingen wie deutlich teurere Modelle.
Und als Goodie verspricht Soundcore eine Akkulaufzeit von bis zu 30 Stunden mit aktiviertem Noise Cancelling und bis zu 60 Stunden. Da kann die Konkurrenz nur staunen – so wie wir. Für 59,99 Euro eine echte Ansage.
Zusammenfassung Soundcore Life Q20
Vorteile
– effektives Noise Cancelling
– spaßiger, fülliger Klang
– bequemer Sitz durch weiche Ohrpolster
– hervorragende Akkulaufzeit von bis zu 30 Stunden mit Noise Cancelling
– Batteriestatus wird beim Einschalten angesagt
Nachteile
– Noise Cancelling muss jedes Mal neu aktiviert werden
– leichtes Rauschen bei aktivierter Geräuschunterdrückung
– keine Smartphone-App
– Kunststoffgehäuse knarzt unangenehm
TaoTronics Active Noise Cancelling BH060
Wie günstig geht eigentlich Noise Cancelling? Wie haben uns eines der günstigsten Modelle auf dem Markt angeschaut, die TaoTronics BH060. Aktuell ist dieses Produkt als generalüberholtes Gerät auf Amazon für 35,99 Euro. Inklusive Versand ist man immer noch knapp unter 40 Euro.
Generalüberholt heißt, das Gerät sieht und aus wie neu und funktioniert auch so. Außerdem kommt es mit einer einjährigen Amazon-Garantie.
Billig? Ja. Gut? Nein.
Schon beim Aufsetzen merkt man allerdings einen deutlichen Unterschied zu den Soundcore Life Q20. Die TaoTronics – ebenfalls aus China – sitzen deutlich straffer. Das mag zwar beim Sport hilfreich sein, aber macht sich das Tragen auf dem Kopf deutlich bemerkbar. Das Gehäuse und der verbaute Kunststoff wirken insgesamt weniger wertig als beim Soundcore. Auch hier gibt es leichte Knarzgeräusch, die allerdings nicht so häufig und deutlich auftreten wie beim Soundcore.
Die Ausstattung ist etwas schlechter als beim Konkurrenten aus China: Bluetooth 5.0, Lautstärkeregulierung, eine An/Aus-Taste für das Noise Cancelling. Das war’s. Die Musikwiedergabe lässt sich nicht steuern. Dafür gibt es ein Hardcase für das faltbare Gehäuse. Und auch hier beeindruckt die angegebene Akkulaufzeit von bis zu 24 Stunden.
Doch das waren auch schon die guten Nachrichten. Bei den entscheidenden Kriterien können die TaoTronics mit der Konkurrenz nicht mithalten. Das Noise Cancelling rauscht nicht nur deutlich, sondern ist auch nicht sonderlich effektiv.
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Diesen Klang kann man sich ersparen
Am meisten enttäuscht hat uns aber der Klang. Weil die TaoTronics bei diesem Modell einen minderwertigen Bluetooth-Decoder namens SBC benutzen (alle unsere anderen getesteten Geräten benutzen hochwertige Decoder wie AAC, AptX oder AptX HD) werden die Dateien stark komprimiert. Das heißt, sie können einfach aufgrund der schlechten Dekodierung nicht gut klingen. Entsprechend dumpf und detailarm wirkt der Klang. Da sie auch noch extrem laut werden können, verzerren sie bis zur Unerträglichkeit in den Ohren.
Der günstige Preis von nicht mal 40 Euro wirkt auf Schnäppchenjäger verführerisch – doch wir raten von diesem Angebot ab. Lieber 20 Euro draufpacken und zum Soundcore Life Q20 greifen.
Zusammenfassung TaoTronics BH060
Vorteile
– sehr günstig
– gute Akkulaufzeit von bis zu 24 Stunden
– Batteriestatus wird beim Ausschalten angesagt
– Hardcase wird mitgeliefert
Nachteile
– schwaches Noise Cancelling mit starkem Rauschen
– klanglich weit unter der Konkurrenz
– ziemlich fester Sitz sorgt für schnelle Ermüdung
– keine Smartphone-App