23. April 2019, 13:26 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
76 Prozent der Deutschen fühlen sich vom Lärm des Straßenverkehrs gestört oder belästigt. Das führt oftmals dazu, dass wir unsere Kopfhörer lauter drehen – mit verheerenden Folgen für unsere Ohren.
Mit unseren Kopfhörern versuchen wir den Umgebungslärm auszugleichen, meint ein Experte. Dies führe aber dazu, dass wir Musik, Podcasts oder Hörbücher oftmals viel zu laut hören. „Zu Hause startet man meist noch mit einer gesunden Lautstärke, dreht dann auf der Straße aber auf, um den Umgebungslärm zu übertönen“, sagt der Sprecher des Deutschen Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte, Michael Deeg, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Hören wir zu laut Musik oder Texte über unsere Kopfhörer, können wir dadurch Hörschäden erleiden, die zum Teil nicht mehr behandelt werden können, warnt Deeg.
„Tag gegen Lärm“
Auf die Auswirkungen von Lärm macht der am 24. April jährlich stattfindende „Tag gegen Lärm“ aufmerksam, bei dem es sich um eine Aktion der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA) handelt. Seit 1998 sollen Menschen auf diese Weise auf die sozialen und gesundheitlichen Gefahren von Lärm hingewiesen werden und darüber hinaus weiter über Schall und seine Wirkung sowie Möglichkeiten der Reduzierung von Lärm informiert werden. Unterschiedliche Aktionen rund um das Thema lärmbelastende Lebenssituationen rücken das Motto „Alles laut oder was?“ an diesem Tag in den Mittelpunkt. Schulen können sich zum Beispiel den Lärmkoffer „Lärmdetektive – Dem Schall auf der Spur“ ausleihen.
Auswirkungen von Lärm
„Lärm sind unerwünschte, störende und belästigende Geräusche, die das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden einer betroffenen Person negativ beeinflussen können“, heißt es auf der Internetseite der Fachgruppe der Deutschen Gesellschaft für Akustik. Lärm, der das menschliche Gehör schädigen kann, tritt besonders an Arbeitsplätzen mit lauten Geräuschen, in Diskotheken oder bei Knallereignissen wie zum Beispiel an Silvester auf. Dieser wirke direkt auf die Ohren und schädige dort organisch, was letztlich zu Hörschäden führen kann. Die Ohren können sowohl durch kurzzeitige hohe Schallspitzen als auch Dauerschall geschädigt werden.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Gehör ab einem Pegel von 85 dB(A) leidet. Dieser Wert stelle jedoch eine Untergrenze dar und beziehe sich auf eine Zeit von acht Stunden täglich über mehrere Jahre hinweg. Bei Lärm verbiegen sich die Haarzellen im Ohr sehr stark, wodurch sie Schaden nehmen können. „Bei hoher Schallenergie werden sie plattgedrückt wie das Getreide auf einem Feld bei einem starken Sturm“, sagt Deeg. Die Intensität ist dabei entscheidend. Werden die Haarzellen oft und stark gereizt, können sie dadurch ermüden oder gar gelähmt werden. Daraus kann ein Hörverlust erfolgen, welcher zuerst vor allem in einem Frequenzbereich von 4 kHz auftritt, so dass die Sprachverständlichkeit zurückgeht. Aber auch wenn das Gehör nicht direkt geschädigt wird, kann Lärm negative Reaktionen des Körpers wie etwa Stress hervorrufen.
Neue Richtlinie der WHO
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt immer wieder vor den Auswirkungen von Lärm. So sollen laut der Organisation mehr als eine Milliarde junge Erwachsene weltweit gefährdet sein, weil sie zu laut Musik im Kopfhörer hören. Deshalb hat die WHO gemeinsam mit der UN-Telekom-Behörde ITU im Februar 2019 Richtlinien für Geräte entwickelt, die Musik abspielen können. Die Geräte sollen deshalb künftig Lautstärke und die Zeit des Musikhörens messen sowie Hinweise geben, wenn die Musik zu laut abgespielt wird. „Wir wollten keine Verbote, sondern den Nutzern Wahlmöglichkeiten geben“, sagt Shelly Chadha, die bei der WHO für die Themen Taubheit und Hörschäden verantwortlich ist.
Unterschiede zwischen den Kopfhörer-Arten?
„Wichtig ist, wie viel Schallenergie am Ohr ankommt und wie lange die Belastung dauert“, erklärt HNO-Arzt Deeg. Deshalb sei es völlig egal, um welche Art Kopfhörer es sich handelt. Für das Ohr gesünder könnte aber dennoch eine spezielle Sorte Kopfhörer sein. Noice-Cancellation-Kopfhörer, die die Geräusche der Umgebung reduzieren, seien eine gute Alternative. „Mit ihnen kann man die Musik leiser genießen“, sagt Thomas Zahnert, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Dresden, zur dpa.
Schäden durch Kopfhörer können in jedem Alter auftreten. Aber: „Wenn ein Kind Kopfhörer draufkriegt, kann das über die Jahre ein Problem werden, wenn man die Spielregeln nicht beachtet“, sagt Deeg.
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Hörhygiene fehlt
„Uns fehlt eine Hörhygiene“, sagt der Dresdner HNO-Professor Zahnert, der sich ein stärkeres Bewusstsein für das Gehör wünsche. Das Gehör werde von den meisten vernachlässigt, andere Aspekte wie die Ernährung erhalten da deutlich mehr Aufmerksamkeit. Es sei zu vielen Menschen einfach nicht bewusst, dass auch kurzzeitiger Lärm großen Schaden anrichten kann. „Gerade unter Jugendlichen wird das ignoriert“, sagt Zahnert.